Tagung: Trauerkultur darf nicht verloren gehen

München (epd). Angesichts einer wachsenden Zahl anonymer Bestattungen hat das Kuratorium Deutsche Bestattungskultur vor einem Verlust von Trauerkultur und Abschiedsritualen gewarnt. Gesellschaft und Familien müssten wieder bewusster mit Sterben, Tod und Trauer umgehen, sagte Kuratoriumsgeschäftsführerin Kerstin Gernig am Mittwoch in München vor Journalisten.

Die meisten Angehörigen bräuchten auch heute noch einen Ort, wo sie für verstorbene Menschen Blumen, Kerzen oder Kreuze aufstellen könnten. Bei anonymen Bestattungen auf Rasengräbern oder in Friedwäldern gingen Erinnerungsspuren verloren. In Deutschland finden den Angaben zufolge jährlich rund 850.000 Bestattungen statt.

Die Kosten für eine Erd- oder Feuerbestattung liegen im Durchschnitt bei etwa 4.000 Euro, dazu kommt die Grabpflege von 100 bis 200 Euro jährlich für die Dauer von etwa 25 Jahren. Etwa 1.000 Euro weniger kostet eine anonyme Bestattung, bei der keine Folgekosten entstehen. Vor allem in Großstädten nimmt die Zahl der anonymen Bestattungen zu.

Eltern und Kinder sollten zu Lebzeiten ernsthaft über mögliche Bestattungsformen sprechen, erklärte Gernig weiter. Es sei eine tiefgreifende Entscheidung, wie ein Mensch bestattet werden soll. Die Höhe der Kosten dürfte dabei nicht allein entscheidend sein. Was bei einer Beerdigung an Erinnerung und Abschied vom Toten versäumt werde, sei für immer verloren. Gernig warnte vor sogenannten Discount-Bestattern.

Mit dem Wandel der Bestattungskultur befasst sich eine Tagung unter dem Titel "Verarmt, verscharrt, vergessen?", die das Kuratorium Deutsche Bestattungskultur am Donnerstag und Freitag in München veranstaltet. Dazu werden rund 200 Teilnehmer erwartet. Auf dem Programm stehen zahlreiche Vorträgen und Diskussionen mit Experten aus Kirchen, Bestattungswesen und Gesellschaft.

22. November 2007


EKD-Kirchenamtspräsident für Mindeststandards bei Bestattungen

München (epd). Für qualitative Mindeststandards bei Beerdigungen hat sich der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth, ausgesprochen. Auch armen Menschen stehe eine würdevolle Bestattung zu, erklärte Barth am Donnerstag auf der Tagung "Verarmt, verscharrt, vergessen?" des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur in München. Die Streichung des Sterbegeldes habe viele Familien stark betroffen.

Der Theologe regte Runde Tische mit Vertretern von Sozialbehörden, Ordnungsämtern, Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Gremien an, um auch Sozialbestattungen würdig zu gestalten. "Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod", sagte Barth mit Blick auf die Zunahme anonymer Bestattungen.

Bei bis zu 15 Prozent der rund 850.000 Sterbefälle pro Jahr in Deutschland gibt es Schätzungen zufolge anonyme Bestattungen. In einigen Großstädten, so die Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Kerstin Gernig, seien es inzwischen sogar bis zu 50 Prozent.

Barth warnte davor, von einem Verfall der Bestattungskultur zu sprechen. Vielmehr vollziehe sich eine Veränderung. Der Theologe äußerte sich allerdings besorgt darüber, dass die Namen der Verstorbenen bei den anonymen Bestattungen nicht genannt werden. Er kritisierte auch die zum Teil unwürdigen Bedingungen bei Sozialbestattungen, die zum Teil "in der Seele weh" tun.

Seit der Streichung des Sterbegeldes der gesetzlichen Krankenkassen zum 1. Januar 2004 haben die Sozialbestattungen zugenommen, hieß es auf der Tagung. Zunehmend würden Beerdigungen von den Ordnungsämtern geregelt, wenn es keine Angehörigen gibt oder keine finanzielle Vorsorge getroffen wurde.

Nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Bestatter haben nur etwa drei Prozent der Deutschen eine Sterbegeldversicherung. In europäischen Nachbarländern sei dies bei drei Viertel der Bevölkerung üblich. Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) warnte in einem verlesenen Grußwort vor einer "Entsorgungsmentalität" beim Thema Tod und Sterben. Der Umgang mit diesen existenziellen Fragen zeige, wie die Gesellschaft insgesamt mit der Würde des Menschen umgeht, erklärte Süssmuth als Schirmherrin der Tagung. An der zweitägigen Konferenz beteiligen sich rund 200 Experten aus den Kirchen, dem Bestattungswesen, Psychologen und Sozialethiker.

22. November 2007


Bischof Noack beobachtet "Verlust der Mitte" in Trauerkultur

Bestatter warnen vor "Verbrennungstourismus"

München (epd). Vor einem "Verlust der Mitte" in der Bestattungskultur hat der evangelische Bischof Axel Noack (Magdeburg) gewarnt. Er beobachte hier Extreme, erklärte Noack auf der Tagung "Verarmt, verscharrt, vergessen?" des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur am Freitag in München. Während Arme zum Teil ohne Trauerfeier und anonym beigesetzt würden, gebe es auf der anderen Seite für Wohlhabende "Event-Bestattungen".

Obwohl die Medien mit Bildern von Toten überschwemmt seien, zögerten Eltern, ihre Kinder mit auf eine Beerdigung zu nehmen, so Noacks Beobachtung. Der katholische Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, wertete Skurrilitäten im Bestattungswesen wie zum Beispiel Weltraumbestattungen als Zeichen einer allgemeinen Orientierungslosigkeit. Er warnte Christen zugleich davor, vor dem Wandel in der Trauerkultur zu resignieren. "Solange wir noch Gottesdienste feiern, wird es keine rein mechanische Entsorgung von Toten geben", bekräftigte der Theologe.

Wanke regte neue Rituale an, wie etwa Trauergedenken für anonym bestattete Toten. Oft werde den Angehörigen erst nach einer gewissen Zeit deutlich, dass ihnen ein Ort der Trauer fehle. Die "Hebung des christlichen Grundwasserspiegels" sei auch ein positiver Beitrag zum Wandel in der Bestattungskultur, bekräftigte Wanke. Christen müssten den Tod nicht fürchten.

Die steigende Zahl von Friedwäldern und Ruheforsten stieß auf der Tagung auf eine gemischte Resonanz. Die Kirchen lehnen diese Form der Bestattung nicht mehr grundsätzlich ab. Vertreter von Friedwald-Betreibern wehrten sich gegen Vorwürfe, die naturnahe Beisetzung habe einen heidnischen Hintergrund.

Aufgrund des demografischen Wandels müsse man in Zukunft mit kleineren Trauergemeinden rechnen, fügte Bischof Noack hinzu. Dies sei auch eine Herausforderung für die Kirchen, neue Rituale zu entwickeln und mehr zu beraten: "Wir haben 50-jährige Männer, die noch nie auf einer Beerdigung waren", so Noack, der in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für den Austausch zwischen Handwerk und Kirche zuständig ist, also auch für die Bestatter.

Gegen den unwürdigen Umgang mit Toten wandte sich der Bundesverband Deutscher Bestatter. Beispiele dafür seien Discountbestattungen und als "Verbrennungstourismus" bekannte Sammeltransporte von Leichen aus Kostengründen zu Krematorien im europäischen Ausland, sagte Generalsekretär Rolf Lichtner. Kaffeefahrten in Krematorien bezeichnete Lichtner als "organisierten Voyeurismus".

Verstorbene sollten nicht wie Sachen transportiert werden, sagte der evangelische Theologieprofessor Hartmut Kreß (Bonn). Er plädierte für die Einrichtung von Ethikgremien, um "diesen sensiblen Fragen in einer pluralistischen Gesellschaft gerecht zu werden". In der gesamten Diskussion um den Umbruch der Bestattungskultur plädierte der Sozialethiker Kreß für mehr Toleranz. Ingesamt beobachte er keinen Verfall, sondern eher einen Wandel der Werte in der Gesellschaft. Auf der zweitägigen Konferenz diskutierten rund 200 Experten aus den Kirchen und dem Bestattungswesen über neue Tendenzen in der Bestattungskultur.

23. November 2007


Ohne Vaterunser in die Ewigkeit?

Theologen und Bestatter werben für bewussteren Umgang mit den Abschiedsritualen

Von Stephan Cezanne (epd)

München (epd). Friedhöfe sind Orte der Erinnerung. Die Menschen brauchen Stätten, wo sie für ihre Toten Blumen, Kerzen oder Kreuze aufstellen können. Beim letzten Abschied wird jedoch offenbar zunehmend gespart. Bestatter beobachten einen Umbruch in der Trauerkultur. Grund ist neben der älter werdenden Gesellschaft und mehr anonymen Beisetzungen auch die Nachfrage nach "Discountbestattungen".

Immer mehr Menschen stehen dem Ritual des letzten Abschieds gleichgültig gegenüber, hieß es auf der Tagung "Verarmt, verscharrt, vergessen?" des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, die am Freitag in München zu Ende ging. Die rund 200 Teilnehmer warben dabei für einen würdevolleren Umgang mit Sterben, Tod und Trauer.

Jedes Jahr werden in Deutschland die sterblichen Überreste von rund 850.000 Menschen bestattet. Noch entscheiden sich nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Bestatter fast 60 Prozent für die traditionelle Erdbestattung und etwa 40 Prozent für die Feuerbestattung, davon sind 2,5 Prozent Seebestattungen. Auch die Zahl naturnaher Beerdigungen in Friedwäldern und Ruheforsten steigt.

Alarmierend ist aus Sicht der Kirchen die Zunahme der anonymen Bestattungen ohne Grabstein, also ohne Namen und Lebensdaten. Jährlich sollen es bundesweit zwischen fünf und 15 Prozent sein. Seit 2004 zahlen die gesetzlichen Krankenkassen zudem kein Sterbegeld mehr. Diese Sozialeistung war von Otto von Bismarck im 19. Jahrhundert eingeführt worden. Eine klassische Bestattung kostet heute schnell 3.000 Euro oder mehr. Doch seit dem Wegfall des Sterbegeldes könnten sich viele eine würdige Beisetzung ihrer Angehörigen nicht mehr leisten, so die Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Kerstin Gernig.

Zunehmend werden Beerdigungen den Angaben zufolge von den Ordnungsämtern geregelt, wenn es keine Angehörigen gibt oder keine finanzielle Vorsorge getroffen wurde. Für Mindeststandards bei Beerdigungen plädiert der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth. Der Theologe spricht sich für Runde Tische mit Vertretern der Behörden, Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Gremien aus, um auch sogenannte Sozialbestattungen würdig zu gestalten. Solche "Armenbegräbnisse" finden in der Regel ohne Trauerfeier und Redner statt, zum Teil wird die Asche aus Kostengründen anonym oder sogar im Ausland beigesetzt.

"Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod", macht Barth deutlich. Er warnt zugleich davor, von einem Verfall der Bestattungskultur zu sprechen. Vielmehr finde hier zurzeit eine Veränderung statt. Als Hilfe für die Hinterbliebenen bleibt die Bestattung als Übergangsritus wichtig, betont der katholische Theologieprofessor Winfried Haunerland (München). Das bedeute aber nicht, dass man Tote, die keine Angehörigen haben, ohne jede Würde bestatten dürfe. "Der Mensch hat keinen Leib, der Mensch ist Leib", so Haunerland. Man werde mit dem Tod nicht von einer Person zu einer Sache, ergänzt Barth.

Ein Abbruch der Traditionen wird auch auf dem Friedhof sichtbar. Mitunter spricht die Trauergemeinde nicht einmal mehr gemeinsam das Vaterunser - schlicht weil es die Leute nicht mehr auswendig kennen, wissen Pfarrer zu berichten. Musik kommt oft vom Band, "weil die Leute nicht mehr singen können", so der Liturgieexperte Haunerland. "Wir haben 50-jährige Männer, die noch nie auf einer Beerdigung waren", gibt der evangelische Bischof Axel Noack (Magdeburg) nüchtern zu bedenken.

23. November 2007

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