Jörg Zink: Seelsorger für Millionen

Der evangelische Pfarrer und Bestseller-Autor wird 85 Jahre alt

Von Dorothee Kolnsberg (epd)

Stuttgart (epd). Auf evangelischen Kirchentagen, wie zuletzt im Juni in Köln, strömen Zehntausende, meist junge Menschen zu seinen Vorträgen. Hunderttausende versammelte der Theologe Jörg Zink beim "Wort zum Sonntag" vor den Fernsehern. Mit weltweit 18 Millionen verkauften Exemplaren ist der Verfasser von fast 200 Büchern einer der bekanntesten evangelischen Autoren der Gegenwart: Am Donnerstag, 22. November, wird der Stuttgarter Publizist 85 Jahre alt.

Der populäre württembergische Pfarrer zählt zu den Unbequemen. Jahrzehnte, ehe von den Grünen die Rede war, engagierte er sich für die Umwelt und protestierte gegen Krieg und Aufrüstung. 1979 trat Zink der Ökopartei bei und wurde ein "Grüner der ersten Stunde". Den Egoismus des westlichen Wirtschaftssystems prangerte der Vater von drei Töchtern und einem Sohn ebenso an wie die weltweite Verletzung der Menschenrechte.

Eigentlich plante Zink, Philosophieprofessor werden. Aber dann wollte er doch lieber näher bei den Menschen sein. Sein Arbeitszimmer befindet sich im Keller. Denn dort kann er ungestört arbeiten. Kirchenleitende Ämter oder Gremien reizten ihn nicht. Denn die eigentliche Kirche finde "an der Basis statt". Er möchte auch "niemandem sagen, was er zu tun hat". Deshalb sei er für Führungspositionen nicht geeignet und arbeitet lieber für sich.

Als Prediger und Schriftsteller, Filmemacher und Publizist äußerte Zink aber nicht nur sein Unbehagen an den Zuständen in Politik und Gesellschaft, sondern auch an der Kirche. Er warnt vor einer Kirche, die um ihre Stabilität bangt und "sich krampfhaft bemüht, in ihrem Status zu bleiben - bei ihrem Geld, bei ihren Ämtern".

Des Öfteren zog Zink wegen unpopulärer Äußerungen Widerstand auf sich. Am eindrücklichsten sind ihm selbst die "Worte zum Sonntag" zur Zeit des RAF-Terrorismus in Erinnerung. Er hatte zu erklären versucht, was in den Terroristen vorging. Viele Zuschauer warfen ihm danach Sympathie mit diesen vor.

Auch in seiner eigenen Zunft erregte Zink Anstoß. Bei einem breiten Publikum stießen viele seiner Thesen jedoch auf Resonanz. So ist für den streitbaren Pfarrer die Zeit der Konfessionen in ihrer "festungsähnlichen Abgeschlossenheit" längst vorbei. Protestanten und Katholiken sollten statt langer Debatten gemeinsam Abendmahl feiern und, wenn überhaupt, erst später über Gegensätze streiten. Für überholt hält Zink traditionelle Glaubensformeln der "alten" Kirche. Diese seien zu abstrakt und erreichten die Menschen heute nicht mehr.

Zink kritisiert auch das Bemühen der evangelischen Kirche um ein protestantisches Profil. "Darauf kommt es gerade im Hinblick auf die Globalisierung nicht an, sondern auf ein gemeinsames Profil der Christen in der Welt", so Zink in einem Interview 2007: "Wenn wir Gerechtigkeit wollen, können wir das nicht als protestantische Kirche durchsetzen, sondern müssen uns mit allen Religionen der Welt verbünden." Nach Zinks Ansicht ist dabei der Islam der wichtigste Partner.

In den vergangenen Jahren plädierte Zink für eine Wiederbelebung der mystischen Frömmigkeit und Spiritualität. Die "karge, kühle Theologie, in der man nicht mehr wohnen und leben kann", habe ausgedient. Unzählige Menschen suchten Wege, "um den Sinn ihres Lebens zu finden, den sie in der Kirche nicht antreffen, weil dort nicht davon die Rede ist". Daher müsse die Kirche religiöse Erfahrungen wieder ernst nehmen.

19. November 2007

EKD-Pressemitteilung "Zeitgemäß, aber nie anbiedernd"

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