Bischof Huber für kritische Diskussionskultur zwischen Christen und Muslimen

Dresden (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat die Muslime in Deutschland aufgefordert, kritischen Fragen beim Dialog mit den Christen nicht auszuweichen. Zum Auftakt der EKD-Synode in Dresden warb Huber am Sonntag für eine "kritische Diskussionskultur" zwischen den beiden Religionen. Die Tagung der Synode war zuvor mit einem Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche eröffnet worden.

Das evangelische Kirchenparlament will auf seiner bis Mittwochabend dauernden Tagung vor allem über den weiteren kirchlichen Reformprozess beraten. Zur Debatte dabei stehen weitreichende Strukturveränderungen ebenso wie eine Verbesserung der Qualität kirchlicher Kernaufgaben. Hintergrund ist der erwartete Mitgliederrückgang der evangelischen Kirche um rund ein Drittel bis 2030 und die damit einhergehende Halbierung der Finanzkraft.

Huber billigte den Muslimen in Deutschland in seinem Bericht vor den 114 Synodalen ausdrücklich das Recht zum Bau von Moscheen zu. Damit sei die kritische Auseinandersetzung über den Ort, die Größe und die Zahl islamischer Gotteshäuser nicht ausgeschlossen, sagte der Berliner Bischof. Zugleich mahnte er das uneingeschränkte Recht von Muslimen zum Religionswechsel an. Muslime, die zum Christentum übertreten, dürften deshalb genauso wenig bedrängt werden wie Christen, die zum Islam übertreten, forderte Huber.

Ausdrücklich sprach sich Huber für das Recht der Muslime in Deutschland auf freie Religionsausübung aus. "Religiöse Pluralität ist der Ernstfall der Religionsfreiheit", unterstrich der Ratsvorsitzende und bekräftigte das Ziel einer "guten Nachbarschaft zwischen Christen und Muslimen". Forderungen von muslimischer Seite nach einem "jüdisch-christlich-muslimischen Trialog" erteilte Huber indes eine Absage. Das jüdisch-christlich Verhältnis werde "von uns theologisch als einzigartig betrachtet", sagte er zur Begründung.

Huber ging in seinem Rechenschaftsbericht auch auf das evangelisch-katholische Verhältnis ein und empfahl eine Stärkung des Gemeinsamen. Die evangelische und die katholische Kirche sollten ihre gesellschaftliche und politische Verantwortung gemeinsam wahrnehmen: "Wenn die beiden großen Kirchen in Deutschland mit einer Stimme sprechen, könnten sie den Anliegen des christlichen Glaubens eher Gewicht verschaffen, als wenn sie getrennt agieren." Zudem schlug der Ratsvorsitzende eine gemeinsame Spiritualität vor. Ökumene lebe aus dem gemeinsamen Feiern, Singen und Beten.

Zur Kontroverse über die Evolutionstheorie über die Entstehung des Lebens sagte der oberste EKD-Repräsentant, unter dem Stichwort Kreationismus würden die biblische Schöpfungsberichte missbraucht. Mit der Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung habe das Christentum immer wieder Schiffbruch erlitten. Damit werde das Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt.

In diesem Zusammenhang attackierte Huber auch die "neuen Atheisten". Deren prominentester Vertreter, der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, mache die Verfechter des Kreationismus zu den Hauptrepräsentanten von Christentum und Religion. "Das ist eine Phantom-Diskussion", kritisierte Huber. Dawkins Polemik gegen religiöse Erziehung und das Gottesbild des Alten Testaments lasse historischen Sinn und moralische Proportion vermissen. Glaube und Wissen müssten unterschieden werden.

Huber verlangte außerdem entschiedenere Anstrengungen zur Überwindung der Kinderarmut. "Kinder brauchen als eigenständige Geschöpfe auch ein eigenes existenzsicherndes Kindergeld", sagte er mit Blick auf die rund 2,6 Millionen Kinder in Deutschland, die in Armut leben.

Der Chef des Bundeskanzleramts, Thomas de Maizière (CDU), forderte die evangelische Kirche in einem Grußwort auf, in ihren politischen Stellungnahmen stärker das Ganze in den Blick zu nehmen: "Wir brauchen mehr Substanz und weniger Betroffenheit", mahnte der Bundesminister. Angesichts der Herausforderungen von Globalisierung und demografischem Wandel sei eine Suche nach Sinn und Orientierung unübersehbar. Dafür habe die Kirche ein passendes Angebot.

Auch der sächsische Landesbischof Jochen Bohl verwies im Eröffnungsgottesdienst auf das gestiegene Interesse an Sinnfragen und Vergewisserung. "Der Gedanke an Gott gewinnt eine neue Anziehungskraft", sagte er in seiner Predigt.

Die Synode ist das höchste Entscheidungsgremium der EKD. Das Kirchenparlament repräsentiert rund 25,4 Millionen Protestanten in 23 evangelischen Landeskirchen.

04. November 2007

Mündlicher Bericht des EKD-Ratsvorsitzenden


EKD-Ratsvorsitzender mahnt Recht von Muslimen zum Religionswechsel an

Katholiken und Protestanten sollen mit einer Stimme sprechen

Dresden (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat den Muslimen in Deutschland das Recht zum Bau von Moscheen zugebilligt. Damit sei die kritische Auseinandersetzung über den Ort, die Größe und die Zahl islamischer Gotteshäuser nicht ausgeschlossen, sagte Huber am Sonntag zum Auftakt der EKD-Synode in Dresden. Zugleich mahnte er das uneingeschränkte Recht von Muslimen an, zum Christentum überzutreten.

Huber ging in seinem Rechenschaftsbericht vor dem Kirchenparlament auch auf die Themen Ökumene, Verhältnis von Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft, Klimawandel, Kinderarmut und Friedensethik ein. Die evangelische Kirche bejahe die freie Religionsausübung von Muslimen in Deutschland, betonte der Ratsvorsitzende. "Wir machen unser Ja zur freien Religionsausübung von Muslimen nicht von der Frage abhängig, ob islamisch dominierte Länder den dort lebenden Christen Religionsfreiheit gewähren und auch den Übertritt zum Christentum als Ausdruck der Religionsfreiheit achten", sagte Huber.

Die evangelische Kirche trete für die Religionsfreiheit als universales Menschenrecht ein, unterstrich der Berliner Bischof. Sie finde sich nicht damit ab, dass insbesondere Christen derzeit unter Einschränkungen und Verletzungen dieses Menschenrechts zu leiden hätten. "Zu fordern ist in diesem Zusammenhang auch, dass Muslime, die in unserem Land zum Christentum übertreten, deshalb genauso wenig bedrängt werden wie Christen, die zum Islam übertreten", so der Ratsvorsitzende.

Der EKD-Ratsvorsitzende bekräftigte, die evangelische Kirche trete weiterhin "für gute Nachbarschaft zwischen Christen und Muslimen in Deutschland" ein. Dieses Ziel hatte der Rat der EKD in einer im vergangenen Jahr vorgelegten "Handreichung" zum Verhältnis von Christen und Muslimen formuliert. Forderungen von muslimischer Seite nach einem "jüdisch-christlich-muslimischen Trialog" erteilte Huber indes eine Absage. Das jüdisch-christlich Verhältnis werde "von uns theologisch als einzigartig betrachtet", sagte er zur Begründung.

In seinem Bericht ging Huber ausführlich auf das evangelisch-katholische Verhältnis ein und empfahl eine Stärkung des Gemeinsamen. Die evangelische und die katholische Kirche sollten ihre gesellschaftliche und politische Verantwortung gemeinsam wahrnehmen: "Wenn die beiden großen Kirchen in Deutschland mit einer Stimme sprechen, könnten sie den Anliegen des christlichen Glaubens eher Gewicht verschaffen, als wenn sie getrennt agieren." Zudem schlug er eine gemeinsame Spiritualität vor. Ökumene lebe aus dem gemeinsamen Feiern, Singen und Beten. Konkret regte der EKD-Ratsvorsitzende an, sich auf einen Kanon von Schlüsseltexten der gemeinsamen christlichen Tradition zu verständigen.

Die stärkere Profilsuche der christlichen Kirche dürfe nicht zu Rekonfessionalisierung oder Abwertung der ökumenischen Partner führen. Mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 regte Huber an, dass sich evangelische und katholische Theologie um eine gemeinsame Interpretation der Reformation und der katholischen Reaktion bemühen sollten.

Der Vatikan habe mit der Äußerung, nach der die evangelische Kirche "nicht Kirche im eigentlichen Sinne" sei, dem ökumenischen Klima keinen guten Dienst erwiesen, kritisierte der EKD-Ratsvorsitzende. Zwar hänge das Selbstverständnis evangelischer Kirchen nicht von Rom ab. Doch eine Kultur wechselseitigen Respekts sei für ökumenische Fortschritte unerlässlich. Ausdrücklich begrüßte Huber die Ökumene-Äußerungen von Kardinal Karl Lehmann. Diese seien geeignet, Türen für den ökumenischen Dialog offen zu halten.

Zur Kontroverse über die Evolutionstheorie über die Entstehung des Lebens sagte der oberste EKD-Repräsentant, unter dem Stichwort Kreationismus würden die biblische Schöpfungsberichte missbraucht. Mit der Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung habe das Christentum immer wieder Schiffbruch erlitten. Damit werde das Bündnis von Glaube und Vernunft aufgekündigt.

In diesem Zusammenhang attackierte Huber auch die "neuen Atheisten". Deren prominentester Vertreter, der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins, mache die Verfechter des Kreationismus zu den Hauptrepräsentanten von Christentum und Religion. Dawkins Polemik gegen religiöse Erziehung und das Gottesbild des Alten Testaments lasse historischen Sinn und moralische Proportion vermissen. Glaube und Wissen müssten unterschieden werden : "Weder ist die Bibel ein Naturkundebuch, noch vermag die Naturwissenschaft Aussagen über Gott zu machen", sagte Huber.

04. November 2007

Mündlicher Bericht des EKD-Ratsvorsitzenden

Berichterstattung über die Tagung der EKD-Synode in Dresden


EKD-Ratsvorsitzender Huber fordert Überwindung der Kinderarmut

Dresden (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat entschiedenere Anstrengungen zur Überwindung der Kinderarmut gefordert. "Kinder brauchen als eigenständige Geschöpfe auch ein eigenes existenzsicherndes Kindergeld", sagte Huber am Sonntag zum Auftakt der EKD-Synode in Dresden. Dieses könne Kinder davor bewahren, "dass Armut in dieser Gesellschaft erblich wird".

Huber verwies auf die Zahl von 2,6 Millionen Kindern in Deutschland, die in Armut leben. Der derzeitige wirtschaftliche Aufschwung habe nichts am Ausmaß der Kinderarmut geändert. Seit der Einführung des Arbeitslosengelds II im Jahr 2004 habe sich vielmehr die Zahl armer Kinder verdoppelt. 1,9 Millionen Kinder müssten von den 208 Euro leben, die das Arbeitslosengeld II anteilig für ein Kind vorsehe.

Armut äußere sich nicht nur in materieller Armut, sondern in Bildungsarmut, Beziehungsarmut und mangelnder Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben, betonte der Berliner Bischof. "Um armen Kindern Teilhabe in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, ist es nötig, die Zuwendungen kindgerecht und das heißt am tatsächlichen Bedarf der Kinder zu orientieren", mahnte Huber.

04. November 2007

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