Evangelische Kirche erinnert an Arnoldshainer Abendmahlsthesen

Schmitten/Ts. (epd). Die evangelische Kirche hat am Wochenende an die Verabschiedung der Arnoldshainer Abendmahlsthesen vor 50 Jahren erinnert. Die Thesen seien eine wesentliche Grundlage des heute noch andauernden Zusammenrückens der Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sagte der Wuppertaler Neutestamentler Andreas Lindemann bei einem Festakt am Samstagabend in der Evangelischen Akademie Arnoldshain in Schmitten am Taunus.

Die acht Thesen formulierten nach einem vier Jahrhunderte währenden innerevangelischen Streit erstmals ein gemeinsames evangelisches Verständnis des Abendmahls. Einige Aussagen seien nahezu wörtlich in die "Leuenberger Kirchengemeinschaft" von 1973 aufgenommen worden, die die Abendmahlsgemeinschaft zwischen den lutherischen, unierten und reformierten Kirchen und damit innerhalb der EKD ermöglicht habe, sagte Lindemann.

Der Hamburger Praktische Theologe Peter Cornehl bezeichnete die Formulierung der Thesen als einen "entscheidenden Durchbruch zur Aufhebung der innerprotestantischen Trennung". Die 19 lutherischen, unierten und reformierten Theologen hätten damals eine "einmalige historische Chance" genutzt. Ermöglicht worden sei die Einigung durch die Erfahrungen einer gesamten Generation in Kirchenkampf, Krieg, Gefangenschaft, Flucht und Vertreibung, erläuterte Cornehl.

Der niederländische Theologe Jan-Gerd Heetderks, Ratsmitglied der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), würdigte die Arnoldshainer Thesen als "wahrhaft ökumenisches Modell". Die Verfasser hätten alles das gemeinsam gesagt, was man habe gemeinsam sagen können, ohne sich auf einen "faulen Kompromiss" zurückzuziehen.

Dieser Geist der Offenheit und des Voneinander-Lernen-Wollens habe 1973 auch Leuenberg ermöglicht, ergänzte Heetderks. Eine solche "komplementäre Ökumene" könne heute auch als Richtschnur dienen für das Zusammenwachsen der europäischen protestantischen Kirchen in der GEKE. Die von Vielen praktizierte "Ökumene der Profile" lege zu viel Gewicht auf die Unterschiede.

In seiner Festpredigt am Sonntagmorgen erinnerte der Leiter des Amtes der Union Evangelischer Kirchen (UEK), Bischof Martin Schindehütte, an das Motto des Jubiläumsprogramms: "Er lädt an seinen Tisch". Darin spiegele sich der Kerngedanke der Arnoldshainer Abendmahlsthesen. Christus lade zu seinem Mahl und nicht die Kirche, sagte Schindehütte, der auch EKD-Auslandsbischof ist.

29. Oktober 2007


Historischer Durchbruch – Vor 50 Jahren überwanden Lutheraner und Reformierte ihren 400-jährigen Abendmahlsstreit

Von Stephan Cezanne (epd)

Frankfurt a. M. (epd). Vor 50 Jahren gab es einen historischen Durchbruch der Kirchen im Streit ums Abendmahl – freilich nur unter Protestanten. Wer voller Ungeduld auf die Abendmahlsgemeinschaft von Katholiken und Evangelischen hofft, darf nicht vergessen: Selbst lutherische und reformierte Christen brauchten rund 400 Jahre, bevor sie gemeinsam Brot und Wein am Altar teilen konnten: Am 1. und 2. November 1957 verabschiedete eine Kommission aus 19 lutherischen, reformierten und unierten Theologen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im hessischen Arnoldshain acht Thesen, mit denen erstmals ein gemeinsames Verständnis vom Abendmahl gefunden wurde.

Die "Arnoldshainer Abendmahlsthesen" beendeten einen Streit, der im 16. Jahrhundert nach der Reformation begann. Die damals erbittert geführte Kontroverse über die sogenannte Realpräsenz – also in welcher Form Jesus Christus in Wein und Brot beim Abendmahl gegenwärtig ist – hatte zur Kündigung der Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen Lutheranern und Reformierten geführt. Noch 1948 stand in der Grundordnung der EKD: "Über die Zulassung zum Heiligen Abendmahl besteht innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland keine Übereinstimmung", so der Theologe Martin Heimbucher von der Union Evangelischer Kirchen.

Ob Christus im Abendmahl wirklich präsent ist, war jahrhundertelang ein Hauptstreitpunkt zwischen den Konfessionen und eben auch innerhalb des Protestantismus. Katholiken wie Lutheraner glauben – trotz der bestehenden Trennung - heute gemeinsam, dass Jesus Christus in, mit und unter Brot und Wein wirklich gegenwärtig ist. Reformierte Christen, die sich auf den Reformator Johannes Calvin (1509-1564) berufen, deuten Brot und Wein im Abendmahl als Zeichen für die Gegenwart Christi während der Mahlfeier, aber nicht unbedingt in Brot und Wein. Für Ulrich Zwingli (1484-1531) ist das Abendmahl ein reines Gedächtnismahl zum Gedenken an das Leiden und Sterben Christi.

In den "Arnoldshainer Abendmahlsthesen" werden diese Differenzen nicht geglättet. "Eine nähere Bestimmung des Verhältnisses von Leib und Blut zu Brot und Wein haben die Unterzeichner mit Rücksicht auf die Vielfalt des neutestamentlichen Zeugnisses nicht vorgenommen", heißt es in den Erläuterungen. Dieser theologische Dissens sei aber nicht entscheidend, wird argumentiert. Damit könne eine Trennung beim Abendmahl zwischen evangelischen Christen nicht begründet werden.

Dieses Modell der versöhnten Verschiedenheit war Grundlage für die "Leuenberger Kirchengemeinschaft". Dem 1973 auf dem Leuenberg bei Basel gegründeten Zusammenschluss protestantischer Kirchen in Europa gehören heute mehr als 100 lutherische, reformierte und unierte Kirchen an. Die Verabschiedung der "Leuenberger Konkordie" nach langwierigen Lehrgespräche überwandt die über 450 Jahre währende Kirchentrennung der Protestanten in Europa endgültig.

Die Mitgliedskirchen der "Leuenberger Kirchengemeinschaft" gewähren sich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Sie erkennen gegenseitig Ordination und Ämter an. Dieses unter den evangelischen Kirchen so erfolgreiche Modell könnte auch nicht-protestantischen Kirchen als Vorbild dienen, wirbt die "Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) - Leuenberger Kirchengemeinschaft". Es sei eines der wirksamsten Ökumene-Modelle, bekräftigt GEKE-Präsident Thomas Wipf (Bern). Dieses Abkommen sei derzeit das beste Beispiel für eine Kirchenform der versöhnten Verschiedenheit, "das wir haben", findet auch die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann.

Der vatikanische "Ökumene-Minister", Kurienkardinal Walter Kasper, erteilte dem Leuenberger Konzept allerdings wiederholt eine Absage. Auf der Dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung im September im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) sagte er: Weil "wir uns nicht einig sind über das Verständnis der Kirche und in großen Teilen auch nicht über das Verständnis der Eucharistie, können wir uns nicht gemeinsam an dem einen Tisch des Herrn versammeln".

29. Oktober 2007

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