Schäuble würdigt Reformation als Grundlage aktueller Politik

Berlin (epd). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die protestantische Reformation als bedeutende Grundlage von Politik und Gesellschaft der Gegenwart gewürdigt. Die Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit in den Verfassungen der Neuzeit gehe auf die Reformation und das Bekenntnis Martin Luthers vor rund 500 Jahren zurück, schreibt Schäuble in der Berliner Wochenzeitung "Die Kirche" (Ausgabe vom 28. Oktober). "Die Entstehung eines modernen Menschenbildes mit der eigenen Würde und Verantwortung des Einzelnen hat hier ihre Wurzeln."

Zudem habe die Trennung von Kirche und Staat durch die Reformation ihren "ersten Anstoß" erhalten, so Schäuble, der Mitglied der evangelischen Kirche ist. "Die Auswirkungen des Protestantismus für Geistesgeschichte und Kultur sind kaum zu ermessen." Luther habe mit seiner Theologie und seiner Weigerung aus Gewissensgründen, auf dem Reichstag von Worms 1521 seine kirchenkritischen Lehren zu widerrufen, die heutige Verfassungs- und Gesellschaftsordnung "entscheidend beeinflusst".

Der 31. Oktober 1517 gilt als der Tag, an dem Martin Luther (1483-1546) in Wittenberg 95 Thesen gegen die damals offizielle theologische Lehre der Kirche an die Tür der Schlosskirche schlug. Darin kritisierte der Augustinermönch und Theologieprofessor unter anderem den damals weit verbreiteten Ablasshandel und die kirchliche Lehre, der Mensch könne sich durch gute Werke und Geldzahlungen an die Kirche von Sünden befreien. Der 31. Oktober wird in der evangelischen Kirche als Reformationstag begangen.

25. Oktober 2007


Die Welt verändert

Wolfgang Schäuble: Die Reformation wirkt bis heute in Gesellschaft und Kultur

Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, so ist es überliefert. Der Mönch und Theologieprofessor kritisierte darin den Ablasshandel und die kirchlichen Lehre, der Mensch könne sich durch gute Werke und Ablasszahlungen von seiner Sünde befreien. Durch den Tod Jesu am Kreuz seien wir bereits frei gesprochen, stellte er dagegen. Und die Liebe Gottes können wir uns nicht verdienen, sondern bekommen sie geschenkt. Mit dem Thesenanschlag begann die Reformation.

Kommentar von Wolfgang Schäuble

Die Reformation hat neben ihrer großen kirchlichen Bedeutung die gesamte damals bekannte Welt verändert. Sie entfaltet bis heute in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik vielfache Wirkung weit über Europa hinaus.

Für mich als evangelischen Christen ist sie vor allem die Wiederentdeckung der zentralen biblischen Heilsbotschaft, der Rechtfertigung vor Gott, allein aus Gnade, allein durch Glauben.

Unsere Verfassungs- und Gesellschaftsordnung ist nicht zuletzt von der Reformation entscheidend beeinflusst worden. Martin Luther berief sich auf dem Reichstag zu Worms im Angesicht der damaligen Großmächte - Kaiser, Reich und Papst - in bisher nicht gekannter Deutlichkeit auf die Freiheit des Gewissens: „Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift oder einsichtige Vernunftgründe überzeugt werde, … bin ich durch die von mir angeführten Schriftworte bezwungen. Und solange mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen!“

Die Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit in den Verfassungen der Neuzeit geht auf die Reformation und das mutige Bekenntnis Luthers zurück. Die Entstehung eines modernen Menschenbildes mit der eigenen Würde und Verantwortung des Einzelnen hat hier ihre Wurzeln. Darauf berief sich später die Aufklärung. Ebenso erhielt die Trennung von Staat und Kirche ihren ersten Anstoß, auch wenn sie erst nach langer Zeit die heutige Gestalt erhielt.

Die Auswirkungen des Protestantismus für Geistesgeschichte und Kultur sind kaum zu ermessen. Daran erinnern uns immer wieder die Bibelübersetzung Luthers, auf die die deutsche Schriftsprache zurückgeht, die protestantische Kirchenmusik, für die die Namen Paul Gerhardt und Johann Sebastian Bach stehen, und auch die vielen kulturellen Einflüsse des evangelischen Pfarrhauses.

Quelle: Die Kirche, Ausgabe vom 28. Oktober

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