EKD dringt auf gewaltfreie Konfliktregelung und globale Gerechtigkeit

Neue Friedensdenkschrift: Nukleardrohung nicht mehr gerechtfertigt

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) tritt dafür ein, in der internationalen Politik der gewaltfreien Konfliktregelung eindeutigen Vorrang einzuräumen. "Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten", fordert die neue EKD-Friedensdenkschrift, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Darin heißt es, wirksame Friedenspolitik beruhe auf dem Abbau vom Gewalt, der Fortentwicklung der internationalen Rechtsordnung und einer gerechten Weltwirtschaft.

Skeptisch äußert sich die EKD in dem Dokument zu einer Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Militärisches Eingreifen ist der EKD zufolge als äußerstes Mittel nicht vollständig auszuschließen, erfordert aber einen klaren völkerrechtlichen Auftrag. Diese Bedingungen müssten auch gelten, wenn es um die Verhinderung von Genozid oder Menschheitsverbrechen gehe. Die Drohung mit dem Einsatz von Nuklearwaffen sei friedensethisch gegenwärtig nicht mehr gerechtfertigt, heißt es.

Mit der Denkschrift "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" präsentiert die EKD erstmals seit mehr als 25 Jahren wieder ein Grundsatzpapier zur Friedensethik. Darin reagiert sie auf neue globale Friedensgefährdungen seit 1989. Zu diesen Bedrohungen gehören aus Sicht der EKD der Zerfall staatlicher Autorität, der internationale Terrorismus sowie weltweite sozioökonomische Probleme wie Armut, Hunger und Umweltzerstörung.

Das Dokument, das von der mit Theologen, Rechts- und Politikwissenschaftlern sowie Politikern besetzten Kammer für Öffentliche Verantwortung erarbeitet wurde, hat der Rat der EKD einstimmig gebilligt. Im Vorwort schreibt EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber: "Wer aus dem Frieden Gottes lebt, tritt für den Frieden in der Welt ein." Das Leitbild des gerechten Friedens setze den Ausbau der internationalen Rechtsordnung voraus. Einer Wiederbelebung der "Lehre vom gerechten Krieg" erteilt der Berliner Bischof eine Absage. Die Anwendung militärischer Gewalt müsse an strenge ethische und völkerrechtliche Bedingungen geknüpft werden.

"Friede erschöpft sich nicht in der Abwesenheit von Gewalt, sondern hat ein Zusammenleben in Gerechtigkeit zum Ziel", erläutern die Autoren das Leitbild des gerechten Friedens. Deshalb müssten sich Friedensprozesse auf Gewaltvermeidung, Förderung von Freiheit und kultureller Vielfalt sowie Abbau von Not richten.

Als vorrangige Friedensaufgaben nennt die Denkschrift die Stärkung der Autorität der Vereinten Nationen und eine wirksamere Rolle der EU als "Friedensmacht" durch Nutzung ihrer diplomatischen Chancen und zivilen Fähigkeiten. Zudem wird ein Abbau von Waffenpotenzialen durch Rüstungskontrolle und ein Ausbau ziviler Konfliktbearbeitung befürwortet. Dabei komme Friedens-, Freiwilligen- und Entwicklungsdiensten eine besondere Bedeutung zu.

Zur Rolle der Bundeswehr heißt es, deren Ausrichtung auf eine Armee im Einsatz werfe ernste Fragen auf. Zwar seien die gestiegenen Erwartungen an Deutschland offenkundig. Aber ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept, in das sich militärische Mittel und die Teilnahme an Militäraktionen einfügten, sei bisher nicht erkennbar. Gewarnt wird in diesem Zusammenhang auch vor einer "Zwei-Klassen-Bundeswehr" aus "Kämpfern und Aufbauhelfern".

Eine Abkehr vollzieht das neue EKD-Dokument im Hinblick auf die Heidelberger Thesen, mit denen die EKD im Kalten Krieg auf das atomare Wettrüsten reagiert hatte, und stellt fest: "Aus Sicht evangelischer Friedensethik kann die Drohung mit Nuklearwaffen heute nicht mehr als Mittel legitimer Selbstverteidigung betrachtet werden." Umstritten ist unter den Autoren allerdings, welche politischen Folgerungen aus dieser Position abzuleiten seien. Während die einen für vollständige nukleare Abrüstung eintreten, sehen andere die Abschreckung als bleibend gültiges Prinzip.

Im biblisch-theologischen Teil machen die Autoren deutlich, was die Christen und die Kirche zum Frieden beitragen können. "Im Namen des christlichen Glaubens dürfen weder heilige Kriege noch Bellizismus propagiert werden", wird argumentiert. Der Friedensbeitrag der Religionen bestehe darin, jeglicher religiösen Legitimierung von Kriegen oder Terrorismus entgegenzutreten. Friedensethische Aufgaben für sich sieht die EKD in Bildung und Erziehung zum Frieden, Schärfung und Schutz des Gewissens sowie Förderung von Versöhnung und Vergangenheitsaufarbeitung.

24. Oktober 2007

EKD-Pressemitteilung zur Friedensdenkschrift

Weitere Informationen zur Friedensdenkschrift

Hinweis: Am 2. November erscheint die Denkschrift als Taschenbuch beim Gütersloher Verlagshaus zum Preis von 5,95 Euro


Huber: EKD-Friedensdenkschrift gibt klare Orientierung

Berlin (epd). Der EKD-Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber hat die neue Friedensdenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland als ein Dokument bezeichnet, "das klare Orientierung gibt". Die Positionen der evangelischen Kirche orientierten sich auch angesichts neuer Herausforderungen klar an der Leitidee des gerechten Friedens, betonte Huber bei der Vorstellung der Schrift "Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen" am Mittwoch in Berlin,

Auch der internationale Terrorismus, der heute zu den großen Friedensgefährdungen zähle, rechtfertige keine Wiederbelebung der Lehre vom gerechten Krieg, sagte Huber. Wer Frieden wolle, müsse Frieden vorbereiten und nicht Krieg. Die Denkschrift vertrete einfache Grundsätze und Maximen.

Absoluten Vorrang habe die friedliche Konfliktlösung. Jeder militärische Einsatz markiere im Grunde das Scheitern ziviler Konfliktlösungsbemühungen, sagte Huber. Die Drohung mit Atomwaffen sei heute nicht mehr zu rechtfertigen. Gerechter Friede in einer globalisierten Welt brauche den Einsatz starker internationaler Organisationen. Huber sagte, er erwarte, dass sich die evangelische Militärseelsorge die Leitideen der Schrift zu eigen mache.

Der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD, Wilfried Härle, hob den realistisch nüchternen Ton der Denkschrift hervor. Es sei gelungen, den Anteil unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Handelns zu würdigen. Als ein Beispiel nannte Härle die Zusammenwirken von Militär und zivilen Organisationen etwa in Afghanistan. Aufbauhelfer und Soldaten seien aufeinander angewiesen.

Die Friedensdenkschrift warnt gleichwohl vor einer Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Ausland. Härle sagte, die begonnenen Einsätze müssten zu einem guten Ende geführt werden, aber Deutschland solle sich nach Ansicht der EKD nicht in immer mehr Konflikte hineinbegeben, für die die Bundeswehr zum Teil auch noch nicht ausreichend präpariert sei. Die Denkschrift betone zudem, wie zentral die Stärkung der Vereinten Nationen oder auch der EU sei. Wo internationale Vereinbarungen unterlaufen würden, gefährde dies den Frieden.

Zuletzt hatte die EKD 1981 eine Friedensdenkschrift veröffentlicht. Mit der neuen Schrift bestimmt sie ihre Position nach dem Ende des Kalten Krieges und angesichts aktueller Herausforderungen neu. Die Schrift wurde von der Kammer für öffentliche Verantwortung im Auftrag des Rates der EKD erarbeitet. Der Rat hat sie einstimmig gebilligt. Sie erscheint Anfang November in Buchform.

24. Oktober 2007

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