Bischof Huber für Rehabilitierung der "Kriegsverräter"

Bischof Huber für Rehabilitierung der "Kriegsverräter"

Bremen/Hannover (epd). Bischof Wolfgang Huber hat sich für eine Rehabilitierung der sogenannten NS-Kriegsverräter eingesetzt. Ein solcher Beschluss des Bundestages wäre für die Opfer der NS-Militärjustiz eine wichtige Geste, schreibt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Brief an Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). Hubers Brief wurde am Mittwoch in Bremen von der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer veröffentlicht.

Zypries hatte im Juni eine pauschale Rehabilitierung angeregt. Der Begriff des "Kriegsverrates" wurde nach den Erkenntnissen des Freiburger Militärhistorikers Professor Wolfram Wette von den Nationalsozialisten konstruiert: Die Nazis verstanden darunter einen Landesverrat, der von Angehörigen der Wehrmacht während des Krieges begangen wurde. Dazu zählten NS-Militärrichter beispielsweise die Unterstützung von Widerstandsgruppen und die Solidarität mit verfolgten Juden.

Wehrmachtsgerichte haben Zypries zufolge insgesamt mehr als 20.000 Todesurteile gefällt. Der Bundestag hatte 1998 alle Unrechtsurteile der NS-Militärjustiz aufgehoben. Vier Jahre später beschloss das Parlament eine pauschale Rehabilitierung bei Tatbeständen wie Desertion oder angeblicher Feigheit. Für Urteile wegen "Kriegsverrat" gilt bis heute die Einzelfallprüfung.

Zypries sagte im Juni bei der Eröffnung einer Ausstellung zur NS-Militärjustiz, eine pauschale Aufhebung sei die angemessene Form der Rehabilitierung. Die Studie von Wolfram Wette zeige, in welchem Ausmaß auch dieser Tatbestand in den Händen willfähriger Richter zum Terrorinstrument geworden sei. Huber stimmte dem in seinem Brief zu. Er hoffe, dass Zypries mit ihrer Initiative "im Sinne der Betroffenen erfolgreich sein möge".

18. Oktober 2007


Der Brief im Wortlaut:

Rehabilitierung der wegen „Kriegsverrats" verurteilten NS-Opfer

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, liebe Frau Zypries,

der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat sich mit der Frage der Rehabilitierung der so genannten „Kriegsverräter" beschäftigt und gerne zur Kenntnis genommen, dass Sie sich in einer Rede anlässlich des Festaktes zur Eröffnung der Ausstellung „Was damals Recht war... Soldaten und Zivilisten vor den Gerichten der Wehrmacht" am 21. Juni 2007 dafür ausgesprochen haben, seitens des Gesetzgebers neu darüber zu diskutieren, ob man nicht auch die durch die Militärjustiz wahrend der Zeit des Nationalsozialismus ausgesprochenen Verurteilungen wegen Kriegsverrats pauschal aufheben sollte. Sie beziehen sich in Ihrer Ansprache dabei auf eine jungst erschienene Studie des Militärhistorikers Wolfram Wette, der darlegt, in welchem Ausmaß wahrend der NS-Zeit der Tatbestand des Kriegsverrates in den Händen willfähriger Richter zum Terrorinstrument wurde.

Seit dem Jahr 2002 sind durch einen Beschluss des Bundestages Verurteilungen wegen Fahnenflucht oder so genannter Wehrkraftzersetzung pauschal aufgehoben worden. Schon die achte Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat in diesem Sinne wahrend ihrer Tagung im November 1996 in einer Kundgebung zu den Deserteuren des Zweiten Weltkriegs erklärt: „Die erschreckend hohe Zahl von Todesurteilen wegen Desertion, Wehrkraftzersetzung und Gehorsamsverweigerung und die gnadenlose Vollstreckung der meisten dieser Urteile ist Ausdruck der beschämenden Dienstbarmachung weiter Teile der Wehrmachtsjustiz für das Terror-Regime des Nationalsozialismus." Die Synode hat den Bundestag gebeten, zu beschließen, dass die von der Wehrmachtsjustiz wahrend des Zweiten Weltkrieges verhangten Urteile wegen Desertion, Gehorsamsverweigerung oder Wehrkraftzersetzung Unrecht waren.

Angesichts der jetzt dokumentierten Erkenntnisse und in Aufnahme der Argumentation der Kundgebung der Synode der EKD begrüßt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, dass Sie öffentlich den Anstoß für eine weiterführende Debatte über eine pauschale Aufhebung auch der Verurteilungen wegen Kriegsverrats gegeben haben. Ich stimme Ihnen zu, dass ein solcher Beschluss des Deutschen Bundestages eine wichtige Geste im Sinne der Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz darstellte und hoffe, dass Ihre Initiative im Sinne der Betroffenen erfolgreich sein möge.

Zu weiterführenden Gesprächen über diese Frage bin ich gern bereit und grüße Sie mit allen guten Wünschen,

Ihr

Bischof Dr. Wolfgang Huber

Evangelische Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Kriegsdienstverweigerer

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