Ein Bett für müde Jakobspilger

Erstes evangelisches Pilgerzentrum Deutschlands wird im Allgäu eröffnet

Scheidegg (epd). Blasen an den Zehen, knurrender Magen und durchnässte Kleidung, die Jakobspilger kennen viele Leiden. Wenn am Ende einer Etappe nur noch die kräftige Brotzeit oder ein Kopfkissen die Gedanken beherrschen, steht da in Scheidegg im Westallgäu das Pilgerzentrum. Kein luxuriöses Hotel, sondern eine komfortable Herberge, in der der müde Wanderer ein Bett findet. Am Sonntag (21. Oktober) wird das erste evangelische Pilgerzentrum Deutschlands eröffnet.

Es ist ein Baustein in einem weit verzweigten europäischen Plan. Joachim Rühl wirkt daran mit: Bei der Stadt Augsburg für ländliche Entwicklung zuständig, hat er vor acht Jahren einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der vor der eigenen Haustür die historischen Routen der Pilger zum Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela wiederentdeckt. Das Vorhaben wird von der EU gefördert.

Pilger seien eine spezielle Art von Touristen, so Rühl. "Das sind heute Menschen, die sich bewusst auf den Weg machen, um ihr Leben zu entschleunigen". Rühl hat auch die Kirchen um Mithilfe bei seinem Projekt gebeten, um "das Zentrale des Pilgerns, das Spirituelle" zu berücksichtigen.

Der Jakobuspilgerweg Bayerisch-Schwaben ist mittlerweile von Oettingen bis Lindau beschildert. Es existiert ein ausführlicher Pilgerführer, manches Gasthaus hat sich auf Pilger spezialisiert. Rühl ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Regionen wichtig. Eine internationale Arbeitsgruppe aus Schweizern, Österreichern, Deutschen und Franzosen traf sich kürzlich zu einer Tagung im Allgäu.

Der Kemptner evangelische Dekan Hans Gerhard Maser bezeichnete bei dieser Tagung Pilgerwege als Wege mit "Ausstrahlung", die mit Sehnsüchten, Hoffnungen, Gebeten und Tränen gepflastert seien. Er warnte die Kirchen davor, diese Wege zu vereinnahmen. "Wir sollten sie vor religiöser Überhitzung schützen", sagte er. Dezente Hinweise, offene Kirchen oder "Orte, wo der, der will, gesegnet werden kann", sind seine Ratschläge.

Das Pilgerzentrum Scheidegg soll so ein Ort sein. Acht Betten gibt es dort, Duschen, einen Raum, in dem die Pilger frühstücken können. Herbergsmutter ist die erfahrene Jakobspilgerin, Ilse Pfau. Sie und andere werden im neuen Zentrum Vorträge und Seminare zum Thema Spiritualität und Pilgern halten.

Für ein "geistliches Angebot" für Einheimische, Kurgäste und Pilger will die Gemeinde hier sorgen, so Pfarrerin Ingrid Ossig. Die Gemeinde Scheidegg hat mit dem Neubau nicht nur die Herberge, sondern auch ein lang ersehntes Gemeindehaus bekommen. 540.000 Euro hat der Bau gekostet, aus dem europäischen Entwicklungsprogramm "Leader+" bekommt die Allgäuer Gemeinde 184.000 Euro.

18. Oktober 2007

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