Eckhart von Vietinghoff - Ein Vordenker des Protestantismus geht

Hannover (epd). Die Nachricht war für die evangelische Kirche wie ein Paukenschlag: Einer der Vordenker des Protestantismus, Eckhart von Vietinghoff, geht vorzeitig in den Ruhestand. Der Jurist, der als Präsident seit 1984 das Kirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers leitet, lässt sich zum 30. April 2008 pensionieren. Am Mittwoch, knapp zwei Wochen nach seinem 63. Geburtstag am 7. Oktober, stellte Vietinghoff einen entsprechenden Antrag, dem der Kirchensenat in Hannover zustimmte. Als Kirchenbeamter kann er mit Vollendung des 63. Lebensjahres jederzeit ohne Angabe von Gründen in Pension gehen.

Eckhart von Vietinghoff gilt als eine der einflussreichsten Personen in der Kirche. Zwölf Jahre gehörte er dem obersten Leitungsgremium der Evangelischen Kirche in Deutschland an, dem Rat der EKD. In einem offenen Brief schrieb er am Mittwoch seinen Mitarbeitern, dass die Reformen der Landeskirche auf einem guten Weg seien. Deshalb sei das Frühjahr 2008 ein sinnvoller Zeitpunkt für den ohnehin anstehenden Leitungswechsel: "Ich selber werde dann mit meiner Zeit und meinen Kräften etwas verträglicher umgehen können."

Der Kirchensenat würdigte den Präsidenten in seiner Erklärung als "prägende Persönlichkeit der Landeskirche und der EKD". Vietinghoff war als Verhandler, Vermittler und Vordenker stets gefragt, wenn Probleme unlösbar schienen. In einem Interview brachte er es auf die Formel: "Raus gehen, sich dem Wind stellen, Neues versuchen, Mut zum Risiko und zum Irrtum."

Er war es, der nach der deutschen Einheit die ost- und westdeutschen Kirchen in ihrem langen, erbitterten Streit um die Militärseelsorge zu einem Konsens führte. Unter seinem Vorsitz wurde das kirchliche Medien-Engagement im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik reformiert.

Selbst die komplexen Strukturen des Protestantismus waren für ihn kein Tabu. Er schlug vor, die konfessionellen Verbände unter dem Dach der EKD zu vereinigen. "Unfrisierte Gedanken" nannte Vietinghoff seine Schrift für mehr Profil der Kirche und für eine stärkere EKD. Er brachte damit zunächst weite Teile des eigenen, lutherischen Lagers gegen sich auf, stieß aber letztlich auf große Zustimmung in den Landeskirchen.

Sich selbst bezeichnet von Vietinghoff schon einmal als ungeduldig und räumt ein, ungeheure Aversionen zu entwickeln, wenn er das Gefühl habe, vereinnahmt zu werden: "Das kann ich nicht aushalten. Und daher bin ich manchmal ein Einzelgänger." Der gebürtige Göttinger ist mit einer Richterin verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter: "Meine Familie ist mein Lebensmittelpunkt."

Nach dem Jurastudium, der Promotion und dem Referendariat ging der Sohn eines Pastors zunächst in den Staatsdienst. 1980 wurde er Oberstadtdirektor in Hildesheim. Vier Jahre später wechselte Vietinghoff ins hannoversche Kirchenamt der mit heute mehr als drei Millionen Mitgliedern größten unter den 23 evangelischen Landeskirchen. Abwerbeversuchen in die Politik widerstand er. Politisch gilt der Christdemokrat zwar als wertkonservativ, dennoch war er für seine Kirche immer ein produktiver Querdenker.

Früher als andere verschrieb er seiner Landeskirche finanziell einen "koordinierten Sinkflug", begleitet von Reformen und Anreizen zu neuen Ideen. Ihm ging es stets darum, rechtzeitig und vor allem vernünftig aktiv zu werden: "Wir müssen weg von der Orientierung auf die Tagesprobleme. Schließlich sind wir keine Karnickel, die auf die Schlange gucken und warten, wann sie nun verschlungen werden."

Eckhart von Vietinghoff tritt für eine selbstbewusste, in der Gesellschaft wirkende Kirche ein und wettert gegen protestantische Selbstbezogenheit. Die "FAZ" hat dem Nachfahren einer baltischen Adelsfamilie "wohltuende aristokratische Korrektheit" bescheinigt. Die Kirche müsse sich auf die Themen von heute einstellen, fordert Vietinghoff: "Die Bedingungen der letzten 50 Jahre sind vergangene Welten."

17. Oktober 2007

Vita Eckhart von Vietinghoff


Erklärung des Kirchensenats

Der Präsident des Landeskirchenamtes der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Dr. Eckhart von Vietinghoff, hat dem Kirchensenat heute mitgeteilt, dass er Ende April 2008, 18 Monate vor seinem 65. Geburtstag, in den Ruhestand treten möchte.

Der Kirchensenat hat diese Ankündigung mit Respekt entgegen genommen und dem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zum 30. April 2008 entsprochen. Dem Senat ist bewusst, dass das Ausscheiden von Dr. von Vietinghoff aus dem Amt des Leitenden Juristen der Landeskirche und Präsidenten des Landeskirchenamtes einen tiefen Einschnitt darstellen wird.

In den dann 24 Jahren im Dienst der Landeskirche hat Dr. von Vietinghoff seine Leitungsaufgaben mit großer Verantwortung und Umsicht wahrgenommen. Er gehört zu den prägenden Persönlichkeiten der Landeskirche und darüber hinaus der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Der Kirchensenat ist Dr. von Vietinghoff für seinen außerordentlichen Einsatz im Protestantismus zutiefst dankbar.

Hannover, 17.10.2007

Der Kirchensenat der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Weitere epd-Meldungen