EKD-Ratsvorsitzender mit Bundesverdienstorden ausgezeichnet

Bundespräsident lobt Ehrenamt: Fast jeder dritte Deutsche engagiert

Bundesverdienstorden an 50 Personen - Bischof Huber ausgezeichnet

Berlin (epd). Bundespräsident Horst Köhler hat die Bedeutung des Ehrenamts für die Gesellschaft hervorgehoben. Fast jeder dritte Deutsche sei engagiert, sagte das Staatsoberhaupt am Donnerstag bei der Verleihung von Bundesverdienstorden in Berlin. 50 Personen wurden für ihren Einsatz für das Gemeinwohl ausgezeichnet.

Die persönliche Verleihung durch den Bundespräsidenten in Schloss Bellevue erfolgte anlässlich des Tags der Deutschen Einheit. Unter den Geehrten sind der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, und der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Josef Sayer, sowie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, Astronaut Thomas Reiter und die langjährige Vorsitzende der Welthungerhilfe, Ingeborg Schäuble.

Die Zahl der für das Gemeinwohl engagierten Bürgerinnen und Bürger nehme stetig zu, sagte Köhler. Dies sei eine gute Nachricht, die zeige, "dass es in unserem Land viel Bereitschaft zum Engagement und viel Bürgersinn gibt". Er lobte die neuen Träger des Bundesverdienstordens als ein Abbild einer lebendigen Bürgergesellschaft, "die unser Land trägt". Dadurch werde Deutschland liebens- und lebenswert, sagte Köhler.

Bischof Huber sei einer der führenden Theologen Deutschlands, hieß es in der Begründung seiner Auszeichnung. Schon als Wissenschaftler und Kirchentagspräsident habe er wichtige Diskussionen angestoßen. Als Berliner Bischof und Vorsitzender des EKD-Rates vertrete er mit Nachdruck die Interessen der evangelischen Christen. In aktuellen Debatten beziehe Huber unmissverständlich Position und verleihe der evangelischen Kirche Profil und Gesicht.

Der höchste Repräsentant der rund 25 Millionen Protestanten in Deutschland erhielt am Donnerstag die dritthöchste Stufe des Bundesverdienstordens, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Seine eigene Auszeichnung sei zugleich eine Anerkennung für das gesellschaftliche Wirken der evangelischen Kirche, sagte der Berliner Bischof dem epd. Die Ehrung erfolge im gegenseitigen Wissen um die Unabhängigkeit von Staat und Kirche.

Huber zufolge hat sich die frühere Haltung von Bischöfen geändert, staatliche Auszeichnungen nicht anzunehmen, seit im Kreis der leitenden Geistlichen in der EKD dieses Thema intensiv beraten worden sei. Den Ausschlag habe ein Appell des früheren Bundespräsidenten und engagierten Protestanten Johannes Rau gegeben. Der EKD-Ratsvorsitzende verwies darauf, dass auch sein Amtsvorgänger Manfred Kock, und der Berliner Altbischof Albrecht Schönherr Träger des Bundesverdienstordens seien.

04. Oktober 2007


Rede von Bundespräsident Horst Köhler am 04. Oktober bei der Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit

Gestern haben wir den Tag der Deutschen Einheit begangen. Dieser Tag erinnert uns an die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes vor 17 Jahren. Er erinnert uns an die Menschen, die sich in der DDR gegen staatliche Unterdrückung und Bevormundung zur Wehr setzten und die mit ihrem mutigen Eintreten für die Freiheit Deutschlands Einheit möglich gemacht haben. Der 3. Oktober erinnert uns an den Weg, den Deutsche aus Ost und West seit 1990 gemeinsam gegangen sind, und er erinnert uns auch daran, wie viel noch zu tun ist, um die innere Einheit Deutschlands zu vollenden.

"Wir sind das Volk!" - So lautete im Herbst 1989 die Parole der friedlichen Revolution im Osten Deutschlands. Diese einfache Wahrheit, ausgerufen von hunderttausenden von Menschen, erschütterte den Machtanspruch der Herrschenden in der DDR. "Wir sind das Volk!" - Dieser Satz war Ausdruck von Freiheitsstreben, Selbstbewusstsein und Bürgersinn. Ohne diese Tugenden wäre es nicht zur Wende in der DDR gekommen. Und ohne diese Tugenden kommt keine freiheitliche Gesellschaft aus.

Auch Sie, meine Damen und Herren, haben in vorbildlicher Weise Bürgersinn bewiesen. Auf ganz unterschiedlichen Gebieten haben Sie sich um unser Land und das Gemeinwohl verdient gemacht. Dafür danke ich Ihnen heute mit der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Untersuchungen zeigen: Fast jeder dritte Deutsche ist ehrenamtlich engagiert. Und die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, nimmt stetig zu. Das ist eine gute Nachricht, zeigt sie doch, dass es in unserem Land viel Bereitschaft zum Engagement und viel Bürgersinn gibt. Sie alle hier sind ein Abbild dieser lebendigen Bürgergesellschaft, die unser Land prägt und - mehr noch: die es lebens- und liebenswert macht.

Viele von Ihnen sind im Sozialbereich aktiv: Sie kümmern sich um diejenigen, die sich aus eigener Kraft nicht helfen können - um Kranke, Behinderte und Kinder. Sie unterstützen ältere Menschen bei der Gestaltung eines selbstbestimmten Lebens und zeigen, wie gelebte Solidarität zwischen den Generationen aussieht. Sie gehen auf Zuwanderer und auf Menschen am Rande unserer Gesellschaft zu und geben so ein klares Signal: Sie gehören dazu, wir alle gehören zusammen.

Zum Kreis derjenigen, die ich heute ehren darf, gehören auch engagierte Umweltschützer, die sich für die Bewahrung der Natur einsetzen und bei jungen Menschen das Bewusstsein für den unersetzlichen Wert unserer natürlichen Lebensgrundlagen wecken.

Ich bin dankbar dafür, dass heute Frauen und Männer unter uns sind, die im Dritten Reich und in der DDR verfolgt wurden und die ihre Erfahrungen mit den düsteren Seiten der deutschen Geschichte an die junge Generation weitergeben. Sie leisten so einen wichtigen Beitrag für unser freiheitliches und demokratisches Gemeinwesen.

Ich begrüße in unserem Kreis Künstler und Wissenschaftler, die mit ihrem Werk dazu beitragen, dass wir Menschen uns und unsere Welt besser verstehen.

Ich freue mich, dass es für immer mehr Unternehmer eine Selbstverständlichkeit geworden ist, neben ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen - als Mäzene und Stifter, durch Freistellung von Mitarbeitern für gemeinnützige Projekte - oder die mit Ausbildungsplätzen über den eigenen Bedarf hinaus jungen Menschen eine Perspektive geben.

Viele von Ihnen überwinden mit Ihrer Arbeit Grenzen. Zum Beispiel tragen Sie als Entwicklungshelfer dazu bei, die Lebensbedingungen der Menschen in den ärmsten Ländern zu verbessern und die Not in Kriegs- und Katastrophengebieten zu lindern. Oder Sie setzen sich für die Völkerverständigung ein und tragen so zu dem Bewusstsein bei, dass wir alle in einer Welt leben, für die wir gemeinsam Verantwortung tragen. Tiefen Respekt habe ich vor denjenigen, die die schwere Aufgabe der Pflege schwer kranker und sterbender Menschen auf sich nehmen. Ich weiß, dass der Einsatz für andere manche von Ihnen auch an persönliche Grenzen geführt hat - an die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Möglichkeiten und oft auch an die des eigenen Könnens. Es macht Ihre Größe aus, dass Sie sich nicht entmutigen lassen.

Dem französischen Schriftsteller Antoine de Saint Exupéry verdanken wir nicht nur die wunderbare Geschichte vom "Kleinen Prinzen", sondern auch einige Weisheiten über das menschliche Miteinander. Eine davon lautet: "Eine Gemeinschaft ist nicht die Summe von Interessen, sondern die Summe an Hingabe." Ihr Engagement, meine Damen und Herren, ist der beste Beweis dafür, dass diese Tugend in unserem Land lebendig ist.

Hingabe bedeutet: Mehr tun, als man eigentlich tun muss. Sich einer Aufgabe widmen, ohne auf die Uhr zu schauen oder gar nach Zuständigkeiten zu fragen. Persönliche Interessen zurückstellen, wenn man dadurch seinen Mitmenschen helfen oder etwas für das Gemeinwohl tun kann. Die eigenen Gaben als Aufgabe und das eigene Vermögen als Verpflichtung begreifen.

Hingabe ist nicht gleichbedeutend mit Selbstlosigkeit. Im Gegenteil: Wer sich engagiert, handelt oft ausgesprochen selbstbewusst, weil er etwas verändern und bewegen will. Gewiss: Eigenverantwortung der Bürger kann den Staat in vielen Fällen nicht ersetzen. Aber ebenso wahr ist auch, dass wir die großen Herausforderungen, vor denen unser Land heute steht - etwa im Bildungsbereich, bei der Integration von Zuwanderern oder bei der Sorge für die wachsende Zahl älterer Menschen - ohne den Einsatz engagierter Bürgerinnen und Bürger nicht lösen können.

Der Staat kann Bürgersinn und Engagement nicht verordnen. Aber er kann sie fördern: Durch gute Rahmenbedingungen und durch eine Kultur der Anerkennung. Der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, den ich Ihnen nun verleihen darf, ist ein solches Zeichen des Dankes und der Anerkennung.

Ich weiß, dass manche von Ihnen dieser Auszeichnung mit Freude, möglicherweise aber auch mit einer gewissen Unsicherheit entgegen sehen: Vielleicht fragen Sie sich, warum gerade Sie diese Ehrung erhalten sollen, und ob es nicht andere Menschen gibt, die das genauso verdient hätten. Diese Bedenken ehren Sie, aber wahr ist auch: Der Orden ist eine Würdigung Ihrer Leistungen und Verdienste, auf die Sie mit Recht stolz sein dürfen. Der Orden ehrt Sie; er ehrt das, was Sie tun; und er ehrt auch die Menschen, die sich in ähnlicher Weise engagieren wie Sie. Und schließlich soll er ein Ansporn für andere sein, Ihrem guten Beispiel zu folgen.

Sie haben also allen Grund, sich über diese Auszeichnung zu freuen und sie selbstbewusst zu tragen. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement.

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