Ethikrat-Mitglied Barth zieht gute Bilanz des scheidenden Gremiums

Berlin (epd). Der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Hermann Barth, hat anlässlich der letzten Sitzung des Nationalen Ethikrats eine positive Bilanz gezogen. Die Mischung aus "exzellenten Fachleuten aus unterschiedlichsten Disziplinen" habe zum Erfolg des Gremiums beigetragen, sagte Barth, der seit 2004 Mitglied des Ethikrats ist, dem epd in Berlin.

Am Dienstagnachmittag sollte der 24-köpfige Nationale Ethikrat von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verabschiedet werden. Er soll vom Deutschen Ethikrat abgelöst werden, der je zur Hälfte von Bundesregierung und Bundestag benannt wird.

Die Pluralität des Gremiums, das sich in seinen Stellungnahmen oft nicht auf eine gemeinsame Linie einigte, habe der guten Resonanz nicht im Wege gestanden, so Barth: "Das Nebeneinander mehrerer Positionen ist durchaus kein Nachteil - es kommt darauf an zu überzeugen und zur ethischen Meinungsbildung beizutragen."

Politischer Druck sei auf den 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingerichteten Rat nicht ausgeübt worden, so Barth weiter. Bestimmte aktuelle Themen wie die Debatte zur Selbstbestimmung am Lebensende und zur Stammzellforschung hätten sich jedoch natürlich aufgedrängt.

Einen "unwillentlichen, aber unvermeidlichen Nachteil" des neuen wie alten Ethikrats sieht Barth in der Beschränkung der Themen auf bioethische Fragen, die sich unmittelbar auf den Menschen beziehen. Themen wie die gentechnische Veränderung von Nutzpflanzen und -tieren, das Artensterben oder der Klimawandel blieben so außen vor: "Dadurch entsteht unbeabsichtigt der Eindruck, die ethischen Fragen fangen erst an, wenn es um den Menschen geht."

Den künftigen Deutschen Ethikrat rät Barth, den Kontakt zu vergleichbaren Gremien in anderen Ländern noch zu intensivieren: "Bioethik lässt sich nicht ohne den Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus betreiben." Wie schon der bisherige Ethikrat sei auch das neue Gremium kein "Obergutachter", sondern eines unter vielen Gremien.

Für sich persönlich hob der EKD-Kirchenamtspräsident hervor, der Rat habe dazu beigetragen, "Respekt vor abweichenden Auffassungen zu lernen". Zugleich sei er eine "Bewährungsprobe für die Überzeugungskraft der eigenen Argumente" gewesen. Dies sei wohl für jedes Ratsmitglied ein enormer Gewinn.

11. September 2007


Komplizierte Antworten auf die schweren Fragen des Lebens

Der Nationale Ethikrat wird offiziell verabschiedet

Von Ann Kathrin Sost (epd)

Berlin (epd). Es war ein umstrittenes Gremium, das kein leichtes Erbe hinterlässt: Am Dienstag beendete der Nationale Ethikrat nach sechs Jahren offiziell seine Arbeit. Die 24 Wissenschaftler, Kirchenvertreter und Alt-Politiker, 2001 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) berufen, weichen dem neuen Deutschen Ethikrat, dessen Mitglieder freilich noch benannt werden müssen.

Die letzte Stellungnahme war typisch für den Sachverständigenrat, den Kritiker bei seiner Berufung als "Abnickgremium der Bundesregierung" abtaten. Schröder hatte sich damals vermutlich tatsächlich einen Rat gewünscht, der die Debatte in bioethischen Fragen wie der Gentechnik in eine forschungsfreundlichere Richtung treibt.

Doch so einfach machte der Ethikrat es niemandem: Als er sich zuletzt mit dem Thema Stammzellen befasste, sprach sich mit 14 Mitgliedern eine nicht eben überwältigende Mehrheit für eine Liberalisierung aus. Neun stimmten dagegen, einer wählte einen ganz anderen Weg und plädierte für eine einmalige Stichtagsverschiebung. Wie die meisten der anderen Stellungnahmen des mit 2,14 Millionen Euro jährlich finanzierten Rates war das Ergebnis ein umfassendes Papier, das sich nicht als schnelle Argumentationshilfe im Parlaments-Alltag eignete.

Mitunter traf der Ethikrat auch kontroverse Entscheidungen: Etwa mit seiner Stellungnahme zu Organspenden im April dieses Jahres. Da schlug das Gremium vor, die Entnahme von Organen nach dem Tod gesetzlich zu erlauben, wenn der Verstorbene sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. Der Vorstoß wurde von Politikern aller Fraktionen kritisiert.

Ethikrats-Mitglied Hermann Barth, der Kirchenamtspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, zieht eine positive Bilanz. Das "Nebeneinander von Positionen" habe womöglich mehr Wirkung gezeigt als ein mühselig im Kompromiss gefundener einheitlicher Standpunkt. Das Gremium sei eben kein "Obergutachter", sondern diene der ethischen Meinungsbildung.

René Röspel, den früheren Vorsitzenden der parlamentarischen "Konkurrenz" zum Ethikrat - der bis Herbst 2005 bestehenden Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" - sieht das etwas anders. Das Gremium habe ja auch die Aufgabe gehabt, die Politik zu beraten, unterstreicht er: "Der Rat hat eine reiche Palette an Themen bearbeitet, aber es stellt sich doch die Frage nach der Verwertbarkeit", so der SPD-Politiker. Einige der bis ins Kleinste aufgeteilten Voten seien "nicht mehr handhabbar" gewesen. Eine Beteiligung des Parlaments an dem Gremium hätte für mehr Praxisnähe gesorgt, meint Röspel - eine Kritik, die viele Abgeordnete an dem Gremium hatten.

Der neue Ethikrat erhält zumindest einen neunköpfigen parlamentarischen Beirat, der auf Drängen vieler Abgeordneter als Kompromiss eingerichtet wurde und einen gewissen Einfluss ausüben soll. Wie bald der Deutsche Ethikrat jedoch arbeitsfähig ist, steht noch dahin: Anders als sein Vorgänger steht er seit dem 1. August zwar auf einer gesetzlichen Grundlage. Doch noch haben Bundestag und Bundesregierung, die je zur Hälfte die 26 neuen Mitglieder bestimmen, kein Gremium berufen.

Im Bundestag kursieren zwar schon Namen, Entscheidungen gibt es aber noch nicht. Die CSU plädierte nach Medienberichten für den katholischen Weihbischof Anton Losinger, der bereits im Nationalen Ethikrat sitzt. Die CDU soll unter anderem den Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Jörg Hinrich Hacker, ins Spiel gebracht haben. Die FDP will offenbar den Hamburger Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel im Gremium haben. In der SPD wird die Fraktions-Liste derzeit mit Vorschlägen aus den SPD-Ministerien abgeglichen. Im Spätherbst sei der neue Rat funktionsfähig, schätzt Röspel.

11. September 2007

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