Boom im Osten - Evangelische Schulen eine echte Alternative

Von Nicole Kiesewetter (epd)

Berlin/Greifswald (epd). "Wir trinken auf unseren Jüngsten - Alles Gute zum 50.", steht auf der Karikatur, auf der Lehrer ihrem jüngsten Kollegen zum Geburtstag zuprosten. Doch was auf den ersten Blick übertrieben wirkt, ist an vielen deutschen Schulen Realität: Das Kollegium ist überaltert. Und das ist nicht das einzige Problem, mit dem sich das deutsche Bildungswesen in den letzten Jahren herumschlagen muss: Das Niveau sei gesunken, die Motivation von Kindern und Lehrern lasse nach, wird in regelmäßigen Abständen bemängelt.

Für viele Eltern scheint da eine Schule in freier Trägerschaft die bessere Alternative zu sein, gerade in Ostdeutschland. In Mecklenburg-Vorpommern etwa wurden seit 1990 knapp 40 evangelische Schulen eröffnet. Entsprechend jung sind dort natürlich die Lehrer. Und auch Sachsen mit bereits doppelt so vielen Schulen verzeichnete seit 2004 einen nochmaligen Zuwachs von 20 Prozent. Die Nachfrage ist also groß und die Wartezeit beträgt mancherorts sogar mehrere Jahre.

"Mit kirchlichen Schulen verbindet sich die Hoffnung auf bessere Bildung und individuellere Förderung", sieht der Bildungsdezernent der mitteldeutschen Kirchenföderation, Christhard Wagner, als Ursache für den Boom. Auch in den neuen Bundesländern, wo kirchliche Bindungen während der DDR-Zeit vielfach verloren gegangen sind, seien sie für Eltern auf der Suche nach reformpädagogischen Konzepten "eine echte Alternative" zum staatlichen Schulsystem. Auch wenn im Schnitt nur rund die Hälfte von ihnen einer Kirche angehöre.

Eine Alternative hatte auch Familie Kurowski gesucht, die vor einigen Jahren aus Westdeutschland in ein kleines Dorf nahe Greifswald zog. Sie entschied sich bei ihrem Sohn Philipp bewusst für die evangelische Martinschule der Hansestadt. "Wir schwimmen immer noch bei der Frage, was wohl die Werte der DDR-Gesellschaft waren", gibt Mutter Katharina zu. Bei der Martinschule wisse sie, "dort werden Werte vermittelt, die auch unsere sind. Das gibt mir unglaubliche Sicherheit".

Eine Sicherheit, die sich Familie Kurowski 150 Euro jeden Monat kosten lässt. Ein relativ geringer Betrag im Vergleich zu anderen Privatschulen, der aber dennoch allemal reicht, um die Alternative "Evangelische Schule" für viele Familien von vornherein auszuschließen.

"Die evangelischen Bildungseinrichtungen sind keine Schulen für Besserverdienende", widerspricht allerdings Eckart Schwerin, Geschäftsführer der Schulstiftung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Schulgeld sei an vielen Schulen sozial gestaffelt und wer es nicht zahlen könne, werde durch Fördervereine unterstützt. Dennoch kam erst jüngst eine von der EKD in Auftrag gegebene Studie zu dem Ergebnis, dass auch bei den evangelischen Schulen die Bildung der Eltern über die Schulkarriere der Kinder entscheide.

Das dürfe nicht sein, mahnte der bayrische Landesbischof Johannes Friedrich beim Bundeskongress Evangelischer Schulen 2006 in Berlin und forderte zu selbstkritischen Fragen auf. Bildungsnahes Milieu dürfe kein Auswahlkriterium sein, betonte er und appellierte, Schulen künftig besonders für leistungsschwächere Jungen und Mädchen zu gründen, die an staatlichen Schulen eine geringere Chance als andere hätten.

Dem sozialen Anliegen der Kirche würde dies sicher entsprechen. Doch die verstärkte Gründung von Haupt- und Gesamtschulen käme ihr noch teurer. Denn dort würden die Elternbeiträge sicher weit geringer als etwa in Gymnasien ausfallen, für die die Kirche jetzt schon je nach Schätzung zwischen 15 und 30 Prozent der Kosten selbst aufbringen muss. Und obwohl den Kultusministern die freien Schulen billiger kommen, legen sie denen noch zusätzliche Hürden auf. Denn staatliche Zuschüsse gibt es frühestens ab dem dritten Jahr des Bestehens.

Kein Wunder, dass viele freie Träger und Elterninitiativen daher gerade im finanzschwachen Ostdeutschland massive Probleme haben. Bei den derzeit bundesweit rund 200 Waldorfschulen etwa steht nicht einmal jede zehnte in den neuen Bundesländern. Bei den über 1.000 evangelischen Schulen ist es immerhin jede vierte, unter den allgemeinbildenden sogar jede dritte.

20. August 2007

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