Denkfabrik und Dialogforum am Starnberger See

Evangelische Akademie Tutzing wird 60

Angela Merkel hält Festrede

Tutzing (epd). Denkfabrik und eine Dialog-Plattform, die weit in Kirche und Gesellschaft ausstrahlt, ist die Evangelische Akademie Tutzing am Starnberger See. Jahr für Jahr bietet die Akademie, die vor 60 Jahren begründet wurde, rund 100 Tagungen, zu denen sich 17.000 Gäste einfinden. Zum offiziellen Geburtstagsfest an diesem Wochenende wird Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Festansprache halten.

Die Anfänge der Akademie waren in den unmittelbaren Nachkriegsjahren bescheiden und beengt. Am 15. Juni 1947 hatte der damalige bayerische Landesbischof Hans Meiser das "Evangelische Freizeitenheim Schloss Tutzing" eingeweiht. Das 500 Jahre alte Schloss wurde zunächst als dringend benötigte "Erholungsstätte für Russlandheimkehrer" genutzt. Bald kamen dann aber die ersten Fachtagungen dazu, die sich an einen ganz eng gefassten Teilnehmerkreis richteten: Landwirte, Eisenbahner des mittleren und höheren Dienstes oder Handwerker trafen sich im Tutzinger Schloss zu Freizeiten und Begegnungen.

Diese ersten Veranstaltungen liefen in einem äußerst kargen Rahmen ab. Um die Verpflegung sicherzustellen mussten die Teilnehmer Lebensmittelkarten beibringen. Bei einer Tagung des Evangelischen Presseverbandes in schon etwas kühlen Herbsttagen 1947 wurde dringend geraten, eine eigene Decke mitzubringen. Auch diese Empfehlung konnte nicht verhindern, dass sich einige Tagungsgäste eine Erkältung zuzogen, wie der erste Akademie-Direktor August Knorr notierte.

1949 wurde von der Kirchenleitung der äußere Rahmen für eine bis heute beispielhafte Akademie-Arbeit geschaffen: Die Landeskirche erwarb für 350.000 Mark das Anwesen von dem Industriellen Oetker. Öffentliche Bedeutung bekam die Akademie ab 1953 mit dem "Politischen Club". Dieses Diskussionsforum nahm zwei Mal im Jahr Grundsatzfragen von Politik und Gesellschaft auf - mit durchwegs hochkarätiger Besetzung: Die gesamte Polit-Prominenz von Adenauer bis Brandt, von Strauß bis Schily gab sich am Starnberger See ein Stelldichein.

Von diesen Tagungen, die den idyllischen Ort Tutzing durch die Polizeipräsenz regelmäßig in Ausnahmezustand versetzten, gingen entscheidende Impulse aus: Im Schloss-Ambiente formulierte etwa der SPD-Politiker Egon Bahr das Konzept eines "Wandels durch Annäherung", von dem letztlich die Überwindung des Ost-West-Konflikts ausging.

Die Akademie ist aber viel mehr als der Politische Club: Sie ist eine kleine, aber feine Universität für jedermann, die gleichermaßen Pfarrfrauen und Offizieren offen steht. Geblieben ist über die Jahrzehnte der Grundgedanke der Akademie, ein offenes Forum für Dialog und friedliche Auseinandersetzung zu sein. Im Tutzinger Schloss trafen sich Juden und Araber, Politiker der USA und Russlands, Muslime und Christen, Atom-Manager und Umweltschützer. Miteinander zu reden und zu streiten gehöre zum Profil der evangelischen Kirche, sagte der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich zum Jubiläum.

In den vergangenen Jahren nahmen Veranstaltungen zum Dialog der Religionen, zu Gentechnik und Globalisierung breiten Raum in der Akademie ein. Und angesichts der knapperen kirchlichen Finanzen hat die Akademie erfolgreich nach neuen Einnahmequellen gesucht: Seit einigen Jahren bietet sie "Ferien im Schloss" an, eine neugegründete Stiftung soll zum Erhalt des einmaligen Gebäudeensembles beitragen. Geblieben ist über die Jahrzehnte die Wertschätzung der Akademie in Kirche und Öffentlichkeit.

06. Juli 2007

Evangelische Akademie Tutzing

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