Unterschiede müssen nicht trennen

In seinem neuen Buch wirbt Bischof Wolfgang Huber für sein Konzept der "Ökumene der Profile"

Von Stephan Cezanne und Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Von Krise sprach der "Ökumene-Minister" des Vatikan, als er kürzlich die Gefahr eines neuen Gegeneinanders der Kirchen beklagte. Die Messlatte des Konsenses werde höher gelegt, Profilierung und Abgrenzung griffen Platz und träten an die Stelle von Annäherung, sorgte sich Kurienkardinal Walter Kasper. In dem neuen Buch, mit dem der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, eine Positionsbestimmung aus evangelischer Sicht zur Ökumene vornimmt, dürfte er für seine Besorgnis wenig Anhaltspunkte finden.

"Das Gemeinsame zwischen den christlichen Kirchen zu stärken, bleibt die erste ökumenische Aufgabe", bekräftigt Bischof Huber in der Publikation "Im Geist der Freiheit - für eine Ökumene der Profile". Seit Donnerstag ist das Buch im katholischen Herder-Verlag erhältlich. Darin stellt Huber abermals klar, dass der Formel von der Ökumene der Profile keineswegs das Motiv der Abgrenzung zu Grunde liege. Vielmehr verdeutliche sie, dass die ökumenischen Partner mit den bleibenden Unterschieden leben lernten und trotz der Besinnung auf die eigenen Wurzeln trennende Auswirkungen zu überwinden suchten.

Die notwendige Profilierung könne die ökumenischen Gemeinsamkeiten leicht in den Schatten stellen, räumt Huber ein. Doch dies müsse nicht zwangsläufig als ökumenischer Rückschritt interpretiert werden. "Dem entgegenzuwirken ist gerade der Sinn der Rede von einer Ökumene der Profile." Eine Ökumene der Profile stelle sich der Frage, wie eine Ökumene gelingen kann, in welche die Kirchen sowohl ihre Gemeinsamkeiten als auch ihr unterscheidendes Profil einbringen.

Die Kirchen dürften sich die bleibenden Unterschiede nicht gegenseitig vorwerfen, sondern müssten sie verstehen lernen. Huber: "Deswegen gilt für eine Ökumene der Profile: Evangelisch aus gutem Grund und römisch-katholisch aus gutem Grund und deswegen gemeinsam christlich aus gutem Grund." Der EKD-Ratsvorsitzende hat das Stichwort von der "Ökumene der Profile" erstmals bei der Begegnung mit Papst Benedikt XVI. beim Weltjugendtag in Köln 2005 geprägt. Das Buch ist auch eine kritische Auseinandersetzung mit Äußerungen Benedikts zum Thema Glaube und Vernunft.

Wie der renommierte evangelische Theologieprofessor Eberhard Jüngel plädiert Huber für einen ökumenischen Dialog mit Mut und auf "gleicher Augenhöhe". Die Geschichte der Reformationskirchen habe zur gleichen Zeit begonnen wie diejenige der katholischen und orthodoxen Kirchen: Die protestantischen Grundtexte stehen in der Bibel. Die frühesten Zusammenfassungen des evangelischen Glaubens sind die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse. "Die Geschichte der frühen wie der mittelalterlichen Christenheit ist auch unsere Geschichte."

Die römisch-katholische Kirche in der heutigen Gestalt gebe es streng genommen erst seit Mitte des 16. Jahrhunderts seit dem Tridentinischen Konzil der Jahre 1545 bis 1563, erinnert Huber. Die römisch-katholische Kirchen sei folglich als "Zwillingsschwester der reformatorischen Kirchen" zu verstehen. Beide hätten je auf ihre Weise den Versuch unternommen, "auf die in ihrer Entstehung eng mit der Reformation verbundene moderne Welt geistlich zu reagieren".

Trotz seines Aufrufs für mehr Einheit in der Christenheit benennt Huber deutlich die bis heute bestehenden Hindernisse für mehr Gemeinsamkeit der Kirchen. Einer dieser Differenzen ist das unterschiedliche Verständnis der Ordination von Geistlichen. Ein nicht unwesentliche Rolle spiele dabei auch die Tatsache, dass in den evangelischen Kirchen Frauen ordiniert werden und kirchliche Leitungsämter wahrnehmen. Eine Rückkehr zu einem nur Männern vorbehaltenen kirchlichen Amt ist Huber zufolge für die reformatorischen Kirchen "schlechterdings undenkbar".

Fortschritte bei der Ökumene, wie die wechselseitige Anerkennung der Taufe, gingen mit Rückschritten einher, wie etwa der evangelische Ausstieg aus der Revision der katholischen Einheitsübersetzung der Bibel. Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 zwischen Vatikan und Lutheranern und die Abwertung der evangelischen Kirchen durch Rom als "Gemeinschaften", sowie Differenzpunkte im Verständnis kirchlicher Ämter listet Huber als weitere Beispiele für das wechselvolle Ökumene-Klima auf.

Beide Kirchen sähen sich gerade in Europa vor gemeinsamen Aufgaben, wirbt Huber für eine Fortführung des ökumenischen Gesprächs: Gottesbezug in der EU-Verfassung, Religionsfreiheit, Haltung zur Globalisierung, Würde des Menschen und Gerechtigkeit nennt er als Beispiele.

Den Begriff Ökumene will der Ratsvorsitzende dem Miteinander der Kirchen vorbehalten wissen. Das Bekenntnis zu dem einen Gott, das zum Beispiel Christen und Muslime verbindet, könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie mit diesem Bekenntnis unterschiedliche Gottesvorstellungen verbinden. Huber: "Das Bekenntnis zu dem einen Gott ist gerade kein gemeinsames Bekenntnis." Dies sei bei ökumenisch verbundenen Kirchen anders.

Buchhinweis: Wolfgang Huber, "Im Geist der Freiheit - Für eine Ökumene der Profile", Kart., 190 Seiten, EUR 7,90/ EUR [A] 8,20/ SFr 14.60, ISBN 978-3-451-05867, Herder spektrum 2007. (05838/24.5.2007)

24. Mai 2007

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