Huber: Für Kirchen gibt es keinen trennenden Zaun in Heiligendamm

Religionsführer aus G-8-Staaten treffen sich zu Appell gegen Armut

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat parallel zum bevorstehenden G-8-Gipfel Religionsführer aus den acht wichtigsten Industriestaaten und aus Afrika zu einem Treffen nach Köln eingeladen. Sie wollen ein gemeinsames Votum zur Armutsbekämpfung und zum Klimaschutz an die Staats- und Regierungschefs nach Heiligendamm übermitteln, kündigte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in einem epd-Gespräch an.

Zugleich unterstütze die evangelische Kirche friedliche Protestaktionen von Globalisierungsgegnern, sagte der Berliner Bischof. Die evangelische Kirche stehe auf der Seite derjenigen, die gewaltfrei ihre Solidarität mit den Armen artikulieren. Sie unterstütze Menschen, die für ethisches Wirtschaften auf dem Globus und für die Lebensbedingungen der nächsten Generationen eintreten.

"Für die Kirchen gibt es keinen trennenden Zaun von Heiligendamm", erklärte Huber. Trotz der Sicherheitsmaßnahmen dürfe es keine Abtrennung der Kommunikation zwischen dem Gipfel und seinen Kritikern geben. "Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Anliegen, die wir vorzubringen haben, wirklich auf die Beratungen der Regierungschefs Einfluss nehmen."

Huber warnte vor gewaltsamen Ausschreitungen bei den Protesten gegen den G-8-Gipfel. Im Vorfeld müsse Gewaltanwendung durch besonnene Maßnahmen verhindert werden. Dies sei ein Beitrag dazu, "dass die inhaltlichen Anliegen der Demonstranten wahrgenommen werden und nicht durch Bilder von gewaltsamen Zusammenstößen überschattet werden".

Der EKD-Ratsvorsitzende erwartet für den G-8-Gipfel eine harte Auseinandersetzung mit den USA um Fortschritte zur Begrenzung von Treibhausgasen. Es komme in Heiligendamm "nicht nur auf schöne Bilder der Eintracht an, sondern auf inhaltliche Ergebnisse". Nötig sei eine Selbstverpflichtung der G-8-Staaten zur Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid. "Eine Vertagung auf spätere Daten im Laufe dieses Jahrhunderts kann ich persönlich nicht akzeptieren", sagte Huber.

Konkrete Maßnahmen seien auch zur Bekämpfung von Armut und Elend in Afrika nötig, forderte der Bischof: "Von dem Treffen in Heiligendamm muss die klare Botschaft ausgehen, dass die G-8-Staaten diesen Kontinent nicht verloren geben, sondern wirksam für seine Zukunftschancen eintreten."

Die Situation in Afrika ist neben der Frage des Klimaschutzes auch ein Schwerpunkt des parallel zum G-8-Gipfel geplanten Treffens der Religionsführer in Köln. "Das geschieht aus einer gemeinsamen Verantwortung für das Leben, für die Würde des Menschens und für die Bewahrung der Natur", erklärte der EKD-Ratsvorsitzende.

Bischof Huber verwies darauf, dass die Kirchen in Deutschland während des G-8-Gipfels viele Gottesdienste, Andachten und auch Demonstrationen veranstalten. Außerdem treffe der G-8-Gipfel zeitlich mit dem Deutschen Evangelischen Kirchentag zusammen. Auch der Kirchentag hat als einen seiner Schwerpunkte das Thema Globalisierung.

23. Mai 2007


Interview des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, mit dem Evangelischen Pressedienst (epd):

epd: Die EKD hat ein Treffen der Religionsführer aus den G-8-Staaten angekündigt. Wer ist dabei?

Huber: Das kann man endgültig erst sagen, wenn das Ereignis stattfindet. Nach dem jetzigen Stand rechne ich damit, dass aus den G-8-Staaten Religionsführer aus dem christlichen Bereich, aus dem Islam, aus dem Judentum und dem Buddhismus dabei sein werden. Wir werden darüber hinaus wichtige Repräsentanten Afrikas begrüßen. Der Ökumenische Rat der Kirchen und die konfessionellen Weltbünde werden mit Spitzenvertretern präsent sein. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine breite Repräsentanz und zugleich einen arbeitsfähigen Kreis haben werden.

epd: Was ist das Ziel dieses Treffens?

Huber: Das Ziel dieses Treffens ist, eine gemeinsame Grundposition der Religionsvertreter aus den G-8-Staaten im Gespräch mit Vertretern Afrikas zu den wichtigsten Themen des G-8-Gipfels zu entwickeln. Dabei wollen wir Nachhaltigkeit in das Engagement der christlichen Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften zur Armutsbekämpfung bringen. Wir wollen besondere Aufmerksamkeit auf die Situation in Afrika lenken und den Themen Klimawandel und Klimaschutz den notwendigen Nachdruck verleihen. Das geschieht aus einer gemeinsamen Verantwortung für das Leben, für die Würde des Menschen und für die Bewahrung der Natur.

epd: Werden die Anliegen der Kirchen das Gehör der Mächtigen finden? Wer verwendet sich beim Gipfel für ihre Interessen?

Huber: Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Botschaft dieses Treffens den Teilnehmern des G-8-Gipfels unmittelbar zugänglich gemacht wird. Wir sind natürlich auch in der Vorbereitung des G-8-Gipfels mit der deutschen Präsidentschaft in unmittelbarem Kontakt. Als Kirchen in Deutschland werden wir während des Gipfels viele Gottesdienste, Andachten, Demonstrationen und Manifestationen haben. Außerdem trifft der G-8-Gipfel zeitlich mit dem Kölner Kirchentag zusammen. Dort sollen die Ergebnisse des Religionsführertreffens bei einer Open-Air-Veranstaltung öffentlich bekannt bemacht werden. Gleichzeitig wird dieses Abschlussdokument nach Heiligendamm und Rostock übermittelt.

epd: Auf welcher Seite des Zauns von Heiligendamm stehen die Kirchen: auf Seiten der Gipfelteilnehmer oder auf Seiten der protestierenden Kritiker der Globalisierung?

Huber: Für die Kirchen gibt es keinen trennenden Zaun von Heiligendamm. Ich respektiere die Sicherheitsbedürfnisse für die Durchführung des Gipfels. Dabei will ich mich nicht dazu äußern, ob dieses Ausmaß an Sicherheitsmaßnahmen wirklich erforderlich gewesen ist. Aber wir akzeptieren nicht die Trennung als eine Trennung der Kommunikation. Wir haben ein großes Interesse daran, dass die Anliegen, die wir vorzubringen haben, wirklich auf die Beratung der Regierungschefs Einfluss nehmen. Wir stehen zugleich auf der Seite derjenigen, die gewaltfrei und mit friedlichen Mitteln und im Bewusstsein der Komplexität der Fragestellungen deutlich ihre Solidarität mit den Armen artikulieren und für die Lebensbedingungen der nächsten Generationen sowie für ein ethisches Wirtschaften auf unserem Globus eintreten.

epd: Fürchten Sie eine Diskreditierung des friedlichen Protests durch militante Störer und Randalierer?

Huber: Die Gefahr kann man nicht von der Hand weisen, aber wir haben miteinander eine Verantwortung dafür, dass das vermieden wird. Bedachtsame und besonnene Maßnahmen, um eine solche Gewaltanwendung im Vorfeld zu verhindern, sind ein Beitrag dazu, dass die inhaltlichen Anliegen der Demonstranten wahrgenommen werden und nicht durch Bilder von gewaltsamen Zusammenstößen überschattet werden.

epd: Was sind ihre konkreten Erwartungen an den G-8-Gipfel als Beitrag zu einem globalen Ausgleich?

Huber: Meine dringliche Erwartung ist, dass die Vertreter der G-8-Staaten sehr klar machen, in welcher Weise und mit welchem Tempo sie die Milleniums-Entwicklungsziele umsetzen wollen. Es besteht ein erheblicher Nachholbedarf. Wir haben die Hälfte der Zeit bis 2015 hinter uns. Der Anteil, der noch zu leisten ist, ist größer als das, was bisher realisiert worden ist. Wir müssen genauso dringend konkrete Maßnahmen erwarten, um der Armut und dem Elend in Afrika entgegenzutreten. Von dem Treffen in Heiligendamm muss die klare Botschaft ausgehen, dass die G-8-Staaten- diesen Kontinent nicht verloren geben, sondern wirksam für seine Zukunftschancen eintreten.

epd: Was ist nötig in der Klimafrage?

Huber: Wir brauchen eine Selbstverpflichtung der G-8-Staaten hinsichtlich der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen in den Industriestaaten. Nachdem wir wissen, dass der Klimawandel zum großen Teil durch menschliches Handeln verursacht ist, müssen auch die Staaten, die an diesem menschlichen Handeln den größten Anteil haben, ihre Energie so produzieren, dass diese Staaten die größten Selbstverpflichtungen zur Reduzierung ihrer Kohlendioxid-Emissionen eingehen. Eine Vertagung auf spätere Daten im Laufe dieses Jahrhunderts kann ich persönlich nicht akzeptieren.

epd: Die Nachrichten der vergangenen Wochen waren desillusionierend: in New York platzte der UN-Klimagipfel. Können die G-8-Staaten weiter kommen als die UN angesichts der Tatsache, dass die USA Fortschritte blockieren?

Huber: Das muss eine harte Auseinandersetzung werden, der man nicht ausweichen darf. Daher kommt es beim G-8-Gipfel nicht nur auf schöne Bilder der Eintracht an, sondern auf inhaltliche Ergebnisse.

epd: Auch Russland ist beim G-8-Gipfel dabei. Am Wochenende verschärfte sich in Samara der Ton zwischen der EU und Russland. Für Kommentatoren stehen die Zeichen auf Abkühlung, manche sehen sich an den Kalten Krieg erinnert. Sehen Sie Chancen, dass diese neuen Ost-West-Spannungen in Heiligendamm überwunden werden?

Huber: Meine Hoffnung richtet sich darauf, dass es in Heiligendamm nicht um atmosphärische Fragen, sondern um gemeinsame Aufgaben geht. Es finden sich genau diejenigen Themen auf der Tagesordnung, aus denen sich zwingend ableitet, dass eine Trennung zwischen Europa, Amerika und Russland gar nicht möglich ist. Die Zugehörigkeit zu der einen Welt und die wechselseitige Abhängigkeit gerade im Energiebereich ist viel zu groß. Ich setze darauf, dass diese Einsicht die Überhand gewinnt. Eine Garantie dafür gibt es aber überhaupt nicht, das Risiko ist groß.

epd: Wie schätzen Sie das Engagement der Bundesregierung  beim G-8-Gipfel ein?

Huber: Ich schätze dieses Engagement als sehr hoch ein. Die Bundesregierung macht im Rahmen ihrer G-8-Präsidentschaft dasselbe wie bei der EU-Ratspräsidentschaft. Sie setzt alle Ressorts für diese Aufgabe ein und sieht es nicht nur als eine Aufgabe der Bundeskanzlerin an. Aber besonders die Bundeskanzlerin begleite ich bei ihren schwierigen Aufgaben mit herzlichen Segenswünschen; ich wünsche ihr Geistesgegenwart und die nötigen Einfälle, damit die Diskussion auf einen guten Weg kommt.

epd: Welchen Sinn machen aus Ihrer Sicht Gipfel, bei denen schon im Vorfeld weite Teile der Abschluss-Erklärungen ausgehandelt werden? Stimmen noch Aufwand und Nutzen überein?

Huber: Ich gehe davon aus, dass nicht alle Fragen im Vorfeld schon ausgestanden sind. Es ist ja oft so, dass gerade die schwierigsten Fragen zur Chefsache erklärt werden und zwischen den Staats- und Regierungschefs selbst ausgehandelt werden müssen. Deswegen muss man bis zum letzten Augenblick darauf hinarbeiten, dass es einen guten Schub in den Verhandlungen in Heiligendamm gibt. Es ist wichtig, dass die dort Versammelten wissen, unter welchem Erwartungsdruck sie stehen. Und deswegen nehmen wir die demokratische Verpflichtung wahr, diesen Erwartungsdruck zu vermitteln, weil die Probleme unserer Welt so drängend sind.

Das Interview führte der Chefredakteur des epd, Thomas Schiller, am 22. Mai 2007 in Berlin

Weitere epd-Meldungen