Mord werfe grelles Licht auf Lage der Christen in der Türkei

Berlin/Istanbul (epd). Einen Tag nach dem Mord an drei Mitarbeitern eines Bibel-Verlags in der osttürkischen Stadt Malatya haben sich Politiker und Kirchen in Deutschland besorgt über die mangelnde Akzeptanz religiöser Minderheiten in der Türkei gezeigt. Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder warf dem Land am Donnerstag Christenfeindlichkeit vor. Der Berliner Bischof Wolfgang Huber forderte von den türkischen Behörden, das Verbrechen restlos aufzuklären.

Bei dem Überfall auf den christlichen Zirve-Verlag waren drei Mitarbeiter, darunter ein Deutscher, brutal ermordet worden. Vier Verdächtige gestanden türkischen Zeitungsberichten zufolge die Tat. Bei dem Deutschen handele es sich um einen 45 Jahre alten Mann, der in der Türkei eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis als Lehrer gehabt habe, sagte ein Außenamtssprecher dem epd. In türkischen Medien wurde berichtet, es handele sich bei dem getöteten Deutschen um den Übersetzer Tilman G., der seit mehreren Jahren in Malatya lebte.

CDU/CSU-Fraktionschef Kauder erklärte: "Immer wieder werden Christen in der Türkei Opfer von Gewalt." Er fordere daher, "den geistigen Nährboden trockenzulegen, auf dem Gewalttaten wie diese gedeihen". Neben islamistischer Propaganda zähle dazu auch der türkische Nationalismus. Die Kirchenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach, verurteilte die Tat als "Akt der Barbarei".

Der SPD-Europaabgeordnete Vural Öger forderte die türkische Regierung auf, mehr gegen den zunehmenden fundamentalistischen Nationalismus zu tun. Dass Christen "subversiver Umtriebe" bezichtigt würden, dürfte in einem Staat nicht erlaubt sein, der Religionsfreiheit praktizieren und Mitglied der EU werden wolle. Der FDP-Kirchenbeauftragte Hans-Michael Goldmann sagte, nach wie vor gebe es in der Türkei große Probleme mit der Akzeptanz von kulturellen und religiösen Minderheiten. Die SPD-Islambeauftragte Lale Akgün forderte die türkische Regierung auf, Missionierung nicht mehr als Problem darzustellen. "Für mich ist das freie Meinungsäußerung", sagte sie im Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Besorgt über die Sicherheit der Christen in der Türkei äußerte sich der Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinde in Istanbul, Holger Nollmann. Erstmals habe sich ein gewalttätiger Anschlag gezielt gegen eine türkisch-protestantische Gemeinde gerichtet, sagte er in einem epd-Gespräch. "Es sind Menschen deshalb ermordet worden, weil sie Christen sind", so Nollmann. "Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, dass das zunimmt."

Vor der Berliner Landessynode sagte Bischof Huber, es werfe ein grelles Licht auf die Lage der christlichen Minderheit in der Türkei, dass die Verbreitung der Heiligen Schrift mit einer Mordtat beantwortet werde. Das Geschehen in Malatya zeige, wie eng Religionsfreiheit und Überwindung von Gewalt zusammenhingen. Bis heute werde den Kirchen in der Türkei ein verlässlicher Rechtsstatus verweigert: "Seit Jahrzehnten müssen sie um ihr Eigentum, das Recht auf Ausbildung ihrer Geistlichen, ja ihre Existenz kämpfen", so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Der Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime, Ayyub Axel Köhler, betonte, Taten wie diese dürften niemals geduldet werden. "Es gibt keine religiöse Rechtfertigung für solche Überfalle", sagte er. Die Türkische Gemeinde in Deutschland forderte die Türkei auf, gesellschaftliche Verantwortung für die Taten zu übernehmen und offen über den Umgang mit Minderheiten und Andersdenkenden zu sprechen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker kritisierte eine "zunehmend antichristliche Entwicklung" in dem Land.


20. April 2007

Weitere epd-Meldungen