Deutscher Pfarrer: Gefahr für Christen in Türkei nimmt zu

Istanbul/Kairo(epd). Nach der Ermordung von christlichen Mitarbeitern eines Bibelverlages hat sich der deutsche Pfarrer in Istanbul, Holger Nollmann, besorgt über die Sicherheit der Christen in der Türkei geäußert. Erstmals habe sich ein gewalttätiger Anschlag gezielt gegen eine türkisch-protestantische Gemeinde gerichtet, sagte Nollmann am Donnerstag in Kairo in einem epd-Gespräch. "Es sind Menschen deshalb ermordet worden, weil sie Christen sind", so der Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinde in Istanbul. "Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, dass das zunimmt."

Im osttürkischen Malatya waren am Mittwoch bei einem Überfall drei Mitarbeiter eines Bibel-Verlags getötet worden. Nollmann warnte zugleich davor, den Mord als Beweis für zunehmenden islamistischen Terror zu sehen. "Was da passiert ist, hat damit nichts zu tun", betonte er. Verantwortlich für die blutigen Morde sei eine türkisch-nationalistische Gruppe, "die von einer extremer Einheitsideologie erfasst" sei. Dazu gehöre zwar auch, dass jeder Türke Moslem sein solle. "Kern der Bewegung ist aber nicht die Religion, im Kern steht die türkische Nation", betonte der westfälische Pfarrer.

Die deutsche evangelische Gemeinde in Istanbul sei bislang von Drohungen und Angriffen verschont geblieben. "Wir werden als ausländische Organistation wahrgenommen, die sich an Ausländer richtet", erläuterte der Theologe. Er hoffe, dass das auch so bleibe. Die deutsche Gemeinde in Istanbul zählt rund 200 Gemeindemitglieder.

Die Türkei befindet sich nach Einschätzung des Pfarrers in einem Prozess der Identitätssuche. Es sei derzeit nicht absehbar, ob sich die nationalistischen oder liberalen Kräfte durchsetzten, sagte Nollmann. So werde anlässlich der Morde an den protestantischen Christen in den großen Zeitungen offen darüber diskutiert, ob die türkische Gesellschaft nicht auch Christen und Missonare aushalten müsse. Nollmann warb deshalb dafür, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt fortzusetzen: "Die Gespräche stärken die liberalen Kräfte in der Türkei."


19. April 2007

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