Von der Suppenküche zur Reisebegleitung

Erster Internationaler Tag der Bahnhofsmission am 21. April 2007

Von Sabine Damaschke (epd)

Dortmund/Freiburg (epd). Wenn Marianne Heine in der blauen Weste der Bahnhofsmission durch den Dortmunder Hauptbahnhof eilt, nicken ihr viele Reisende freundlich zu. Kein Wunder, denn so mancher stand schon vor der Tür ihres Büros auf Gleis 5. "Viele kommen, wenn ihnen Gepäck gestohlen wurde, wenn sie Hilfe beim Umsteigen brauchen oder sich einfach aussprechen wollen", erzählt die 72-jährige Mitarbeiterin.

Oft kocht sie erst mal einen Kaffee, denn "Kaffee trinken verbindet". Danach überlegt sie gemeinsam mit den Reisenden, wie sie ihnen helfen kann. Sie hört sich den Kummer an, telefoniert mit Verwandten, Behörden und Hilfsorganisationen, begleitet die Reisenden zum Zug, macht hungrigen Passagieren auch schon mal ein Butterbrot. Seit 13 Jahren ist sie zwei Mal in der Woche ehrenamtlich im Einsatz. "Bis ich 75 Jahre alt bin, mache ich weiter", erklärt die Dortmunderin resolut. Sie ist die Älteste im 30-köpfigen Team. Die jüngste Mitarbeiterin ist 20 Jahre alt.

An Nachwuchsmangel leidet die Bahnhofsmission in Deutschland nicht. Rund 1.900 Ehrenamtliche arbeiten an den von der Caritas und Diakonie getragenen Einrichtungen in 100 Bahnhöfen. Zum "Internationalen Tag der Bahnhofsmission" am Samstag soll ihr Engagement gewürdigt werden. "Jeder zählt. Ehrenamt in der Bahnhofsmission" lautet das Motto, unter dem sich Teams an 29 Bahnhöfen in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Frankreich den Passagieren vorstellen. Mit Info-Ständen, Spielen und Spendenläufen will die Bahnhofsmission auf ihr mehr als hundert Jahre währendes Engagement aufmerksam machen.

"Für unsere Arbeit interessieren sich vor allem jüngere Leute", erklärt Bundesgeschäftsführerin Eva Ziebertz in Freiburg. Das soziale Engagement komme bei künftigen Arbeitgebern in der Regel gut an. "Außerdem haben wir an den Bahnhöfen viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun." Seit Einführung des Projekts "Kids on Tour" sei die Reisebegleitung von Kindern einer der Schwerpunkte des Hilfsangebots der Bahnhofsmission.

"Vom Image der 'Suppenküche für Obdachlose' haben wir uns schon länger verabschiedet", betont die stellvertretenden Leiterin der Dortmunder Bahnhofsmission, Swetlana Berg. Das Büro stehe allen offen, ob es Reisende seien, die Hilfe brauchten oder Menschen in sozialen Notlagen. "Zu essen gibt es bei uns nur dann etwas, wenn die Suppenküchen geschlossen haben." Die Arbeit der Missionsmitarbeiter bestehe darin, Menschen in Not aufzufangen und ihnen den Weg zu entsprechenden Hilfsorganisationen zu weisen. Im vergangenen Jahr hätten sie allein in Dortmund 23.000 Menschen auf diese Weise unterstützt, bundesweit seien es über fünf Millionen gewesen.

"Wir haben dabei zunehmend mit Mädchen und jungen Frauen zu tun", berichtet Swetlana Berg. Minderjährige, die aus Heimen oder ihren Familien ausgerissen sind, Frauen, die Schutz vor prügelnden Ehemännern suchen oder nach einer warmen Mahlzeit für ihre Kinder fragen. "Wir spüren hier sehr deutlich, dass die Armut in Deutschland zugenommen hat", betont die Missionsmitarbeiterin.

Mit ihrem Engagement für junge Frauen knüpft die Dortmunder Bahnhofsmission an ihre Anfänge vor 107 Jahren an. Vom Verein "Frauenerwerb - Frauenbildung" gegründet, wollte sie vor allem den auf der Suche nach Arbeit "hier ankommenden alleinreisenden Mädchen und Frauen mit Rath und That" beiseite stehen und sie "vor dem vielfach zweifelhaften Treiben der Gesindevermiether" schützen.

Als die Kirchen die Arbeit übernahmen, kamen auch andere Hilfsbedürftige in den Blick. Voraussetzung für eine Unterstützung war allerdings der Beweis der Frömmigkeit durch ein Gebet. "Diese Zeiten sind zum Glück vorbei", erzählt Marianne Heine. "Heute passiert es uns eher, dass verzweifelte Menschen uns bitten, mit ihnen oder für sie zu beten."


18. April 2007

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