Hilfsorganisationen: Geplantes Zuwanderungsrecht "rückwärtsgewandt"

Berlin (epd). Ein Bündnis von Menschenrechtsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden hat die geplanten Änderungen am Zuwanderungsrecht als "rückwärtsgewandt" und "integrationshemmend" kritisiert. Mit dem Gesetzentwurf drohe ein "Ausländerabwehrrecht", sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, am Mittwoch in Berlin. Das Bündnis forderte die Bundesregierung auf, den Entwurf nicht anzunehmen und zur erneuten Bearbeitung an das Bundesinnenministerium zurückzuweisen.

Dem Aufruf schlossen sich neben Pro Asyl unter anderem das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Deutsche Caritasverband, amnesty international und der Bundesverband Arbeiterwohlfahrt an.

Mit dem Gesetzentwurf sollen elf EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt werden. Dies geschehe aber nur mangelhaft oder unvollständig, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Zugleich werde der Entwurf für Verschärfungen des Asylrechts missbraucht. Burkhardt sprach von einem "abgekartetem Spiel". Die große Koalition versuche "klammheimlich" Sachen durchzusetzen, ohne dass die Öffentlichkeit das bemerke.

Als Beispiel nannte der Pro Asyl-Geschäftsführer einen fehlenden Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge. Laut EU-Recht müssten Menschen, die vor "willkürlicher Gewalt" im Rahmen bewaffneter Konflikte nach Deutschland geflohen sind, einen Abschiebeschutz erhalten. Im Gesetzentwurf fehle aber der Begriff "willkürliche Gewalt".

Die Betroffenen sollen keinen individuellen Schutz einklagen können, sondern seien auf Abschiebungsstopps der Bundesländer angewiesen, so Burkhardt. Weil die Bundesländer aber auf Abschiebung drängten, drohe Tausenden die erzwungene Rückkehr in Kriegsgebiete.

Elke Tießler-Marenda vom Deutschen Caritasverband bezeichnete überdies die Gesetzespläne zum Familiennachzug als "mit großer Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig". So sollten ausländische Ehepartner von Migranten und Deutschen künftig vor der Einreise einfache Deutschkenntnisse nachweisen. In vielen Gebieten sei es aber nicht möglich, diese Sprache zu lernen. Dadurch drohe eine dauerhafte Trennung der Ehepartner. Das widerspreche dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie, so Tießler-Marenda.

Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte indes den Gesetzentwurf. Die Bundesregierung beschließe eine "kleine Bleiberechtsregelung", nehme dafür aber die Verfassungswidrigkeit beim Familiennachzug in Kauf und beende praktisch die Einbürgerung, erklärte der Verband in Berlin. Innerhalb der Türkischen Gemeinde mehrten sich deshalb die Fragen, "ob eine weitere Arbeit im Integrationsprozess Sinn mache".

Die große Koalition hatte sich in der Nacht zum Dienstag auf ein Bleiberecht für geduldete Flüchtlinge geeinigt. Damit soll der Weg für den gesamten Gesetzentwurf zu Änderungen im Ausländerrecht frei sein. Mit einer Verabschiedung im Bundeskabinett wird noch vor Ostern gerechnet.

14. März 2007