Militärseelsorgevertrag: Garant kirchlicher Unabhängigkeit

Der Militärseelsorgevertrag wurde vor 50 Jahren unterzeichnet

Frankfurt a.M. (epd). Der Militärseelsorgevertrag von 1957 zwischen der Bundesrepublik und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) regelt die evangelische Seelsorge in der Bundeswehr. Das Dokument wurde am 22. Februar 1957 in Bonn von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und dem damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Otto Dibelius unterzeichnet. Außerdem trägt es die Unterschriften des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß (CSU) und des Präsidenten der Kirchenkanzlei, Heinz Brunotte.

Der Unterzeichnung vorausgegangen waren seit 1950 inoffizielle Gespräche und seit Dezember 1955 offizielle Verhandlungen zwischen Kirche und Bundesregierung. Nach den Erfahrungen mit dem Missbrauch der Militärseelsorge in den beiden Weltkriegen verständigten sich Kirche und Staat erstmals in der deutschen Geschichte darauf, dass die Militärgeistlichen in ihrer kirchlichen Arbeit frei von staatlicher Einflussnahme sein sollen. Der Staat sorgt laut Vertrag für den organisatorischen Rahmen der Militärseelsorge und trägt deren Kosten.

Die Unabhängigkeit der Militärseelsorger ist die wichtigste Lehre aus der Geschichte und vor allem aus der Zeit der Wehrmacht, als die Militärseelsorge als wichtiges Instrument zur Schlagkraft der Truppe angesehen wurde. Sowohl aus der Sicht der Kirche als auch des Staates hat sich die vertragliche Regelung von 1957 bewährt. Rechtsgrundlage für die Arbeit der katholischen Militärseelsorger in der Bundeswehr ist das Reichskonkordat von 1933.

Die Militärpfarrer werden für sechs bis acht Jahre berufen und sind während ihrer Amtszeit Bundesbeamte auf Zeit. Mit der Rückkehr der Pfarrer in ihre Landeskirchen wird eine möglichst enge Verbindung zwischen Militärseelsorge und Landeskirchen angestrebt. Derzeit betreuen rund 120 evangelische Militärpfarrer und -dekane die protestantischen Soldaten, deren Anteil in der Bundeswehr bei rund 30 Prozent liegt.

Die kirchliche Leitung der evangelischen Militärseelsorge liegt in den Händen eines Militärbischofs, der von der Kirche berufen wird. Als ersten evangelischen Militärbischof berief der Rat der EKD bereits im Januar 1956 Hermann Kunst, den damaligen Bevollmächtigten der EKD am Sitz der Bundesregierung. Ihm folgten Sigo Lehming (1972-1985), Heinz-Georg Binder (1985-1994) und Hartmut Löwe (1994-2003). Seit 2003 steht der oldenburgische Landesbischof Peter Krug - wie seine Vorgänger als nebenamtlicher Militärbischof - an der Spitze der evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr.

In der DDR gab es keine Militärseelsorge. Im März 1957 lehnte DDR-Verteidigungsminister Willi Stoph Verhandlungen mit der EKD über eine kirchliche Tätigkeit in der Nationalen Volksarmee ab. Die EKD wurde von der DDR-Führung als "NATO-Kirche" diffamiert. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands waren die ostdeutschen Landeskirchen zunächst nicht bereit, den Militärseelsorgevertrag ohne Anpassungen zu übernehmen. Ihre Vorbehalte galten unter anderem dem Beamtenstatus der Militärpfarrer, befürchtet wurde eine zu große Nähe zum Staat.

Der frühere Militärbischof Löwe erinnerte sich: "Die Einwände der östlichen Kirchen waren aus ihrer Geschichte heraus verständlich. Militärpfarrer als Staatsbeamte erschienen ihnen als ein Restposten der früheren Allianz von Thron und Altar." So wurde als Übergangslösung eine Rahmenvereinbarung über die Soldatenseelsorge in den neuen Bundesländern geschlossen. Diese war von 1996 bis Ende 2003 in Kraft. Seit Anfang 2004 gilt der Militärseelsorgevertrag als gemeinsamer rechtlicher Rahmen für ganz Deutschland.

20. Februar 2007


Pfarrer in Uniform

Evangelische Kirche blickt zurück auf 50 Jahre Seelsorge in der Bundeswehr

Von Jürgen Prause (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Die Schulterklappen verraten es: Kein militärisches Dienstgradabzeichen prangt dort, sondern ein Kreuz. Militärpfarrer tragen zwar bei Übungen und Auslandseinsätzen einen Bundeswehr-Tarnanzug. Sie sind aber "Zivilisten in Uniform". Als Ansprechpartner außerhalb der militärischen Hierarchie haben sie ein Ohr für die Sorgen und Nöte der Soldaten. Grundlage für die Arbeit der rund 120 protestantischen Militärgeistlichen in der Bundeswehr ist der Militärseelsorgevertrag von 1957.

Bundesregierung und evangelische Kirche erinnern am Donnerstag mit einem Festakt auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn an die Unterzeichnung des Dokuments vor 50 Jahren. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, werden die Festansprachen halten.

Der Militärseelsorgevertrag garantiert - einmalig in der deutschen Geschichte - die Unabhängigkeit der kirchlichen Arbeit in der Bundeswehr von staatlichem Einfluss. Zugleich sorgt der Staat für den organisatorischen Rahmen und trägt die Kosten der Militärseelsorge. Diese Konstruktion habe sich "außerordentlich bewährt", sagt der evangelische Militärgeneraldekan Peter Brandt. Der Vertrag sichere das kirchliche Profil und die Eigenständigkeit der Militärseelsorge. Die Unabhängigkeit der Pfarrer werde von den Soldaten sehr geschätzt.

Militärbischof Peter Krug, der seit 2003 an der Spitze der evangelischen Militärseelsorge steht, charakterisiert die Stellung der Militärpfarrer mit einem Vergleich aus dem Fußball. Sie hätten eine "Libero-Funktion", seien niemanden verantwortlich außer ihrem Gewissen und ihrem Glauben, zudem verschwiegen und glaubwürdig. Aufgabe der Seelsorger sei es nicht, die Moral der Truppe zu stärken, sondern die Moral des einzelnen Menschen, stellt Krug klar.

Als die ersten evangelischen Militärgeistlichen einige Monate vor Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrages ihre Arbeit aufnahmen, steckte die Bundeswehr noch in den Kinderschuhen. Im Mai 1955 - zehn Jahre nach Kriegsende - war die Bundesrepublik der NATO beigetreten. Im November 1955 erhielten in einer Bonner Kaserne die ersten 101 Offiziere und Unteroffiziere ihre Ernennungsurkunden. Der Aufbau der Streitkräfte gestaltete sich schwierig: anfangs fehlte es an Waffen, Uniformen und Kasernen.

Die Aufstellung der Bundeswehr war von heftigen Kontroversen in Politik und Gesellschaft begleitet. Auch in der evangelischen Kirche wurde erbittert über die Wiederaufrüstung gestritten. Die Notwendigkeit einer Militärseelsorge war angesichts der Erfahrungen aus der Vergangenheit umstritten. Die EKD-Synode stimmte dem Militärseelsorgevertrag nach kontroverser Diskussion im März 1957 zu.

Mit der Entscheidung habe sich die evangelische Kirche zu ihrer seelsorgerischen Verpflichtung gegenüber dem einzelnen Soldaten wie auch zu ihrer politischen Mitverantwortung für die Institution Bundeswehr bekannt, kommentierte der Ex-Bundeswehrgeneral und spätere Friedensforscher Wolf Graf von Baudissin (1907-1993).

Die Rolle der Militärseelsorger hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Militärgeneraldekan Brandt, Dienstvorgesetzter der Militärpfarrer, spricht von einer "Individualisierung der Betreuung". Der einzelne Soldat stehe heute viel stärker im Zentrum als in den Anfangsjahren der Bundeswehr. Vor allem bei den zunehmenden Auslandseinsätzen gebe es eine intensive Nähe zwischen Pfarrern und Soldaten. Seit 1992 begleiten Militärseelsorger die Truppe bei den oft gefährlichen Einsätzen "out of area", in den Militärcamps in Afghanistan oder auf dem Balkan entsteht eine "Gemeinde auf Zeit".

In der DDR gab es keine Militärseelsorge. Zu einer schweren Belastungsprobe für den Militärseelsorgevertrag kam es nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Die ostdeutschen Landeskirchen waren nach 1990 zunächst nicht bereit, den Vertrag und die westdeutsche Praxis der Militärseelsorge zu übernehmen. Die Vorbehalte richteten sich gegen eine befürchtete zu große Staatsnähe und den Beamtenstatus der Militärpfarrer. Erst nach einer Übergangsregelung konnte der Militärseelsorgevertrag Anfang 2004 auch in den neuen Bundesländern in Kraft treten.

20. Februar 2007

Militärseelsorge in der Bundeswehr