Visionen deutscher Bischöfinnen und Bischöfe: So wird Kirche 2020 sein

idea-Logo „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geists empfangen“, zitiert die Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Margot Käßmann, die Apostelgeschichte des Neuen Testaments (1,8) im Blick auf ihre Zukunftshoffnung für die Kirche und fährt in dem jüngst erschienenen Sammelband „Zukunft wagen! Träume und Visionen deutscher Bischöfinnen und Bischöfe“ (herausgegeben von Udo Hahn und Marlies Mügge, Gütersloher Verlagshaus) fort: „Verlassen wir uns auf diese Kraft. Lassen wir das Wirken des Heiligen Geistes zu. Pfingstwunder sind möglich. Ja, wir glauben daran. Und dürfen daran mitarbeiten.“

Dieser Band, in dem die meisten evangelischen Kirchenleiter und einige katholische Bischöfe von ihren Träumen und Visionen für eine Kirche im Jahr 2020 berichten, ist ein beredtes Zeugnis gegen die Resignation und Mutlosigkeit, die in den zurückliegenden Jahren beide großen Volkskirchen angesichts der zurückgehenden Mitgliederzahlen und Kirchensteuern erfasst hatte. Die großkirchliche Depression scheint vorbei zu sein. Vor allem die evangelische Kirche beschäftigt sich zunehmend mit der Zukunft. Dies fasst der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Eberhard Cherdron, so zusammen: „Hoffnung ist angezeigt, nicht Resignation.“

Volkskirche bleibt

Einig sind sich die meisten Kirchenführer, dass die Kirche auch in Zukunft Volkskirche bleiben wird. Allerdings wird sich evangelisches Christsein in der Kirche, so der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, „bewusster vollziehen und selbstbewusster darstellen“. Für den Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, Hermann Beste, wird die Kirche der Zukunft sowohl eine Betreuungs- als auch eine Beteiligungskirche sein.

Christoph Kähler, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, nennt als seine Vision von der Kirche in der Zukunft, dass sie, auch wenn sie nicht mehr das Volk als Ganzes umfasst, „dennoch für das Ganze betet, nachdenkt und handelt.“ Er möchte eine „offene und öffentlichkeitswirksame, eine einladende und Heimat gebende Kirche“ fördern, „damit Gottes barmherziges und kritisches Wort ausgerichtet werden kann an alle Menschen“.

Sein Kollege Hans-Jürgen Abromeit, Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche, wünscht sich vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der DDR eine „Gemeindekirche“ und blickt optimistisch in die Zukunft: „Nach einer längeren Zeit der gesellschaftlichen Marginalisierung wird auch unsere Kirche wieder als relevant erfahren werden, wenn es ihr gelingt, sich in unsere Kultur als kommunikativ und Gemeinschaft stiftend, Nächstenliebe praktizierend, nicht behördenförmig, sondern personal zugewandt, authentisch, als Expertin für ewiges Leben zu profilieren.“

Hinwendung zur Religion nützt der Kirche

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, zeigt sich überzeugt, dass die Hinwendung des Menschen zum Religiösen der Kirche nutzen wird. In Situationen der Ratlosigkeit und der Trauer suchten die Menschen die Zuflucht in der Sprache des Glaubens. Die Kirche werde wieder als Raum für die „Begegnung mit dem Heiligen“ wahrgenommen: „Kirchenräume haben eine starke spirituelle Kraft. Sie legen einen heiligen, heilenden Verband um die Seele des Menschen, damit sie sich erholen kann.“

Zurückhaltend gibt sich Axel Noack, der Bischof der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen: „Manchmal habe ich den leisen Verdacht, in unserer Kirche kümmern wir uns viel zu viel um das, was einmal sein könnte, sein sollte oder sein müsste und viel zu wenig um das, was eigentlich ist und worauf unsere Hoffnung beruht und gründet.“ Keinen Grund, verzagt in die Zukunft zu sehen, sieht Jochen Bohl, der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, „denn zur Hoffnung sind wir berufen“. Die Kirche sei angewiesen auf Menschen, die bereit seien, für den Auftrag der Kirche Verantwortung zu übernehmen.

Überholte Grabenkämpfe

Alfred Buß, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, geht davon aus, dass die missionarischen, diakonischen, seelsorgerlichen, gesellschaftspolitischen und ökumenischen Aufgaben der Kirchen zunehmen. Viele theologische und geistliche Grabenkämpfe gehörten der Vergangenheit an. Die Atmosphäre sei nicht euphorisch, aber selbstbewusst: „Aus einer Spiritualität, die den christlichen Glauben Menschen in unterschiedlichen Lebenskulturen nahe bringt, entwickeln sich überzeugende Formen von Gottesdiensten und Gemeindearbeit.“

Sein rheinischer Kollege Nikolaus Schneider hofft, dass die Kirche die „gegenwärtige Zagheit“ überwindet, ihre biblische Zukunftshoffnung wieder entdeckt und in den Formen ihres Zusammenlebens „die Offenheit, den Mut und die Zuversicht entwickelt, die Voraussetzung für souveränes und wirkungsmächtiges Handeln sind“. Und Frank Otfried July, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sieht die Kirche gefragt, „Präsenz in der Gesellschaft zu zeigen, um im Alltag für die Einzelnen greifbar und erlebbar zu sein – als Ort des Glaubens“.

Gemeinsam mit katholischen Gemeinden

Louis-Ferdinand von Zobeltitz, Schriftführer des Kirchenausschusses der Bremischen evangelischen Kirche, sieht in Zukunft evangelische und katholische Gemeinden eng zusammenarbeiten. Gemeinsame Aktionen und Gottesdienste der Basis würden die Lehrgespräche auf kirchenleitender Ebene „unter heilsamen Druck“ setzen: „In 15 Jahren wird man nicht mehr begründen müssen, warum man dies oder jenes in ökumenischer Verantwortung tut, sondern warum man es nicht tut.“ (idea)

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