Zukunftskongress der EKD in Wittenberg

EKD-Zukunftskongress in Wittenberg berät Fortgang des Reformprozesses

Frankfurt a.M. (epd). Auf einem Zukunftskongress wollen ab Donnerstag Repräsentanten des deutschen Protestantismus in Wittenberg darüber beraten, wie es mit den Reformen in der evangelischen Kirche weitergehen soll. Grundlage des Kongresses vom 25. bis 27. Januar sind die Reformvorschläge aus dem Impulspapier "Kirche der Freiheit", das die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im vergangenen Sommer vorgelegt hat. Angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und abnehmender Finanzkraft werden darin weit reichende Veränderungen für alle kirchlichen Ebenen empfohlen.

Bei dem Kongress handele es sich nicht um ein Beschlussgremium oder eine Synode, heißt es in der EKD. Zu der Tagung in der Lutherstadt werden 300 Teilnehmer erwartet, darunter Vertreter aller 23 Landeskirchen. In Wittenberg hatte Martin Luther (1483-1546) im Jahr 1517 mit seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel die Reformation ausgelöst. Den Hauptvortrag des Zukunftskongresses hält der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber (Berlin). Grußworte sprechen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Kardinal Karl Lehmann (Mainz) als Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sowie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU).

Auf dem Wittenberger Kongress sollen die Anregungen des Impulspapiers von Repräsentanten der Kirchenleitungen und kirchlichen Reformkräften diskutiert und weitere Reformschritte entwickelt werden. Neben Hauptvortrag und Plenumsdiskussion sind zwölf thematische Foren vorgesehen. Zu einzelnen Aspekten des Reformprozesses werden der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski, die RBB-Intendantin Dagmar Reim sowie Präses Jan-Geert Heetderks von der Evangelischen Kirche der Niederlande Stellung nehmen.

22. Januar 2007


Evangelische Kirche debattiert Reformkonzepte

Von Rainer Clos (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Für den Zukunftskongress, auf dem Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Fortgang des im vergangenen Jahr angestoßenen Reformprozesses erörtern will, ist der Andrang groß. Repräsentanten aller Kirchenleitungen und Vertreter kirchlicher Reforminitiativen wollen vom 25. bis 27. Januar darüber diskutieren, wie sich der deutsche Protestantismus für die Zukunft rüstet und welche Reformanstöße konkret fortgeführt werden können.

Den Kapazitäten in Wittenberg angepasst musste die Zahl der Teilnehmer auf etwa 300 begrenzt bleiben. Der Tagungsort hat Symbolgehalt. Steht doch das einst kursächsische Wittenberg, wo 1517 der Thesenanschlag Martin Luthers erfolgte, für den Beginn der Reformation. Hinzu kommt, dass es regionale Reformbemühungen in Mitteldeutschland schon länger gibt. Die Kirchenprovinz Sachsen, zu der Wittenberg gehört, und die Thüringer Landeskirche bilden seit 2004 die "Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland". Ins Stocken geraten sind dagegen die Fusionspläne der Nachbarkirchen.

Dem deutschen Protestantismus stehen in Ost und West radikale Veränderungen bevor. Spätestens das Impulspapier "Kirche der Freiheit" machte den Handlungsbedarf für alle erkennbar. Spricht es doch klar aus, was passiert, wenn nichts passiert. Mit "weiter so" würde die Mitgliederzahl von heute 25,6 auf 17 Millionen im Jahr 2030 zurückgehen. Das Kirchensteuer-Aufkommen würde sich halbieren.

Deshalb wirbt das EKD-Papier für zukunftsgerichtete Antworten und formuliert ehrgeizige Reformziele: die Zahl der Gottesdienstbesucher soll von derzeit vier Prozent auf zehn Prozent gesteigert werden, mehr evangelische Taufen, Trauungen und Beerdigungen werden erwartet. Die Zahl der örtlichen Kirchengemeinden und der Pfarrer soll zurückgehen, die Angebote anderer Gemeindeformen ausgeweitet werden.

Konstruktiv-kritische Reaktionen erfuhr das Papier aus den Landeskirchen, im EKD-Kirchenparlament und aus der Wissenschaft. Den meisten Widerspruch erntete die öffentlich stark wahrgenommene Empfehlung, die Zahl der Landeskirchen von derzeit 23 auf acht bis zwölf mit vergleichbaren Größen zu verringern. Doch die Reform des kirchlichen Föderalismus wird in EKD-Kreisen als "nicht kriegsentscheidend" bewertet.

Umstritten ist weiter die Anregung, über Qualität von Gottesdiensten und kirchlicher Amtshandlungen wie Taufe, Trauung und Bestattung nachzudenken. Die Forderung nach qualitativen Maßstäben stößt beim Pfarrerstand auf Widerspruch. Doch es gibt auch Beifall.

Der Münchner Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf findet, eine Volkskirche müsse vor allem eine gute Gottesdienstkultur pflegen: "Sie ist zuständig für guten Gottesdienst, für gute Beerdigungen, gute Taufen, gute Predigten." Ähnlich argumentiert Johann Hinrich Claussen, Propst in Hamburg. Es gebe eine "neue Lust" am Gottesdienst. Bei jüngeren Theologen beobachtet er ein großes Bedürfnis, darüber zu diskutieren, was gute pastorale Arbeit ausmache.

Mitunter hämische Kritik erfuhr das Papier wegen der Übertragung ökonomischer Begriffe auf kirchliches Leben, wenn von "Marktverlust", "Taufquote" oder "Benchmarking" die Rede ist. Diese Einwände kontert der ARD-Börsenspezialist Frank Lehmann: Die Kirche muss ihr Profil schärfen, mit ihrer wichtigen gesellschaftlichen Rolle erkennbarer werden und die Ausgaben kürzen.

Einen zweite, korrigierte Fassung des Impulspapiers werde es in Wittenberg nicht geben, wird in der EKD versichert. Vielmehr soll der Kongress die ausgelösten Diskussionen bündeln und konkrete Schritte für den weiteren Reformprozess sichtbar machen.

22. Januar 2007

EKD-Zukunftskongress "Kirche der Freiheit"

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