Kirchen rufen zu Menschlichkeit und Gerechtigkeit auf

Huber wirbt für Kinderfreundlichkeit - Lehmann gegen reines Nutzendenken

Frankfurt a.M. (epd). Die großen Kirchen in Deutschland haben an Weihnachten zu Menschlichkeit, Verständigung und Gerechtigkeit aufgerufen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Berliner Bischof Wolfgang Huber, warb für Kinder- und Familienfreundlichkeit. "Es ist Zeit für einen Mentalitätswechsel", sagte er an Heiligabend im Berliner Dom. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann wandte sich gegen reines Nutzendenken.

Bischof Huber sagte, weil Gott als Kind in der Krippe zur Welt komme, sei jedes Kind gleich wertvoll. Die Familie in all ihren Formen sei der Ort, an dem das Ja zu Kindern wachsen könne, betonte der oberste Repräsentant von 25,6 Millionen Protestanten in Deutschland. Jesus sei ärmlich geboren und aufgewachsen, doch er habe einen Ort gehabt, an dem er Liebe erfahren habe. "Es war nicht das Niemandsland, in das heute bisweilen Kinder ausgesetzt werden, um buchstäblich zu verhungern oder zu verdursten", fügte er hinzu.

Zugleich erinnerte Huber an die kriegerische Situation im Nahen Osten: "Bitterkeit, wohin man schaut." Er appellierte an die radikal-islamische Hisbollah, den drei gefangenen israelischen Soldaten wenigstens zu erlauben, ihren Eltern ein Lebenszeichen zu schicken: "Wer die Humanität ernst nimmt, sollte nicht immer auf den andern warten, sondern selbst den ersten Schritt tun."

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Lehmann, lud dazu ein, das Geheimnis von Weihnachten zu ergründen. Dass Gott in die Welt komme und Mensch werde, entziehe sich einem Nutzendenken, betonte er am ersten Weihnachtstag im Mainzer Dom: "In der Offenbarung und erst recht in der Menschwerdung Gottes erhalten wir eine Gabe, die wir nicht bestellen können."

Dabei verwies der Repräsentant von knapp 26 Millionen Katholiken in Deutschland auf menschliche Erfahrungen: "Wir freuen uns bei aller Geburtenplanung auch heute noch über ein Kind, das auf die Welt kommt." Selbstlose Hingabe mache die Kraft der menschlichen Person aus. "Hier wurzelt alle Menschlichkeit", so Lehmann.

Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann rief die Menschen dazu auf, offen für Gerechtigkeit einzutreten. "Wir werden immer wieder die Botschaft 'Friede auf Erden' der Engel weitersagen gegen alle Kriegsmaschinerie und gegen allen Rüstungswahn", sagte die Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche an Heiligabend.

Käßmann wandte sich gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche. "Wer schwach und verletzbar ist im Leben, hat den gleichen Wert vor Gott wie die imposante Schauspielerin oder der erfolgreiche Unternehmer", sagte die Bischöfin. "Wir werden uns nicht reduzieren lassen auf Einkaufsmaschinen oder Lohnempfänger."

Nach den Worten des bayerischen evangelischen Bischofs Johannes Friedrich überwindet Gott an Weihnachten die menschliche Über- und Unterordnung. Gott lasse sich dort finden, wo Menschen sich mit Glaubensfragen quälten, als Jugendliche arbeitslos seien oder wegen des qualvollen Sterbens vernachlässigter Kinder verzweifelten, sagte der evangelische Theologe in der Münchner Matthäuskirche.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, rief zur Zuversicht auf. Weihnachten habe die Kraft zur Veränderung, sagte er in der Düsseldorfer Johanneskirche und fügte hinzu: "Weihnachten ist ein Zeitenwechsel." Am Heiligen Abend sei der Bann der Dunkelheit, Verzweiflung und Resignation gebrochen. Der sächsische evangelische Bischof Jochen Bohl beklagte eine zunehmende Spaltung in Arm und Reich in Deutschland.

Der Münchner Kardinal Friedrich Wetter warnte vor einer Vermischung religiöser Anschauungen. Der feste unnachgiebige Glaube der Muslime sei eine positive Herausforderung an die Christen, in ihrem Glauben nicht zu wanken, sagte er. Der Limburger katholische Bischof Franz Kamphaus rief dazu auf, einer "neuheidnischen" Gleichgültigkeit entgegen zu treten.

Hamburgs Bischöfin Maria Jepsen ermutigte Christen, ihren Glauben offener zu bekennen. Gottes Wort sei hilfreich gegen gesellschaftliche Orientierungslosigkeit und Lähmung. Notwendig sei eine "geistliche Neugier" auf Gott. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hob die Bedeutung von Weihnachten als Fest des Friedens hervor.

26. Dezember 2006

Weitere epd-Meldungen