Europäische Kirchen für zügige Verabschiedung einer EU-Verfassung

Brüssel (epd). Die protestantischen, orthodoxen und anglikanischen Kirchen Europas haben an die Bundesregierung appelliert, während ihres EU-Ratsvorsitzes 2007 den Verfassungsprozess voranzubringen. Eine Europäische Union mit einem Verfassungstext sei besser als ein Europa ohne ein solches Dokument, sagte Rüdiger Noll, stellvertretender Generalsekretär des ökumenischen Dachverbandes Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), am Dienstag in Brüssel.

Die Kirchen hätten bereits viel in den Prozess investiert, indem sie sich an der Debatte um das Wertefundament Europas intensiv beteiligt hätten, unterstrich er. Die KEK begrüßt unter anderem, dass die Europäische Grundrechtecharta in den Verfassungstext integriert ist, womit sie rechtsverbindlich wird. Sie ist außerdem zufrieden mit der Möglichkeit eines europäischen Bürgerbegehrens und der Stärkung des Europäischen Parlaments. Sicher gebe es Verbesserungsmöglichkeiten, etwa hinsichtlich militärischer Aspekte, so Noll. Die KEK betrachte es jedoch als vorrangig, dass es überhaupt zu einer Einigung auf einen Verfassungstext komme.

Der ökumenische Dachverband hält in Brüssel bis diesen Mittwoch eine Konferenz zum Thema "Werte - Religion - Identität" ab, an der mehr 100 Vertreter aus den Kirchen Europas sowie aus den europäischen Institutionen teilnehmen. Anlass ist auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Januar 2007 beginnt.

Die Bundesregierung hat die Wiederbelebung des Verfassungsprozesses zu einem ihrer wichtigsten Vorhaben erklärt. Gemeinsam mit der EU-Kommission hat sie alle Interessierten eingeladen, sich an einer breit angelegten Debatte über die Werte und Aufgaben Europas zu beteiligen. Die Verfassung wurde bisher von 16 Staaten ratifiziert; Frankreich und die Niederlande hatten sie allerdings Anfang 2005 per Volksabstimmung zurückgewiesen.

Der Präsident der KEK, Jean-Arnold de Clermont aus Frankreich, erklärte zum Auftakt der Konferenz, auch die Franzosen seien zur Kooperation aufgerufen. "Wir blicken bisher viel nach innen und wenig über die Grenzen hinweg", unterstrich er. Frankreich, das die EU-Ratspräsidentschaft 2008 übernimmt, müsse sich gemeinsam mit Deutschland für die Zukunft Europas einsetzen.

Jukka Paarma, Erzbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Finnland, bekräftigte, die EU dürfe nicht als reine Wirtschaftsgemeinschaft verstanden werden. Europa beruhe auf Werten wie Frieden, Gerechtigkeit, Verantwortung, Gleichheit sowie religiöse und kulturelle Vielfalt.

Harri Syväsalmi, Berater für Kultur bei der amtierenden finnischen EU-Ratspräsidentschaft, ging auf die Frage künftiger EU-Erweiterungen ein. Beitrittsverhandlungen seien ergebnisoffen, sagte er mit Blick auf die derzeit laufenden Türkei-Gespräche. Sie müssten jedoch nach offenen und transparenten Kriterien erfolgen. "Die Kriterien dürfen nicht geändert werden, je nachdem, wer Kandidat ist", betonte er.

13. Dezember 2006

Weitere epd-Meldungen