"Handreichung" zur guten Nachbarschaft mit Muslimen erschienen

Evangelische Kirche für klare Standpunkte im christlich-islamischen Dialog

Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat für klare Standpunkte im Gespräch zwischen Christen und Muslimen geworben. Zum Dialog, der gegenseitiges Verständnis, respektvolles Miteinander und gute Nachbarschaft fördere, gebe es keine Alternative, erklärte die EKD in einem am Dienstag in Berlin vorgestellten Papier. Dazu gehöre es, Fehlentwicklungen und Konflikte bei der Integration der Muslime in Deutschland anzusprechen und nach Möglichkeiten der Entspannung zu suchen.

"Altes Denken und Trachten, welches Gewalt, Feindschaft und Hass zwischen Christentum und Islam schafft, muss endgültig der Vergangenheit angehören", wird in dem EKD-Dokument gefordert. Dies setze "selbstkritische Prozesse", die alten Feindbildern, Intoleranz und Abgrenzung entgegenwirken, bei Christen und Muslimen voraus. Mit rund drei Millionen Muslimen ist der Islam nach dem Christentum die zweitgrößte Religion in Deutschland.

Der EKD-Text trägt den Titel "Klarheit und gute Nachbarschaft" und will evangelischen Christen sowie der Öffentlichkeit Orientierung für das Zusammenleben mit Muslimen bieten. Vorbereitet wurde die 120 Seiten starke "Handreichung" von einer Arbeitsgruppe unter Leitung des langjährigen Präses der EKD-Synode, Jürgen Schmude.

Bischof Wolfgang Huber und Bundesminister a.D. Jürgen Schmude



Erstmals hatte die EKD vor sechs Jahren eine theologische Standortbestimmung zum Islam vorgelegt. Seither sei im christlich-islamischen Verhältnis viel passiert, was eine erneute Behandlung dieser Fragen nahe lege, heißt es. Erwähnt werden dabei die Terroranschläge radikalislamischer Gruppen, die Kopftuchdebatte, der Karikaturen-Streit, sowie die Debatte um den EU-Beitritt der Türkei.

Mit Hinweis auf Zweifel an der Integrationsbereitschaft stellen die Verfasser fest: "Die Mehrheit der Muslime in Deutschland ist um Integration bemüht und bejaht die Demokratie des Grundgesetzes." Dass sich viele von ihnen aus ihrem Glauben gesellschaftlich, politisch oder im interreligiösen Dialog engagierten, verdiene Respekt. Erwähnt werden jedoch auch "Abschottungstendenzen ethnischer und religiös-kultureller Gruppen" unter dem Druck islamistischer Kräfte.

Zur Religionsfreiheit heißt es in dem EKD-Text, Glaubens- und Gewissensfreiheit gelte für alle Religionen, auch Minderheiten in der islamischen Tradition. Eine Einschränkung der Freiheit der Religionsausübung für Muslime in Deutschland unter Hinweis auf die Verstöße gegen dieses Grundrecht in den Herkunftsländern sei nicht zulässig. Allerdings sollte die Verletzung der Religionsfreiheit von Christen im Gespräch mit muslimischen Verbänden thematisiert werden.

Im Hinblick auf die Verletzung religiöser Gefühle durch Kunstwerke oder provozierende Veröffentlichungen wird auf den rechtsstaatlichen Schutz verwiesen. Proteste dagegen seien möglich, Androhung oder Anwendung von Gewalt sei dabei nie zu rechtfertigen.

Als mögliche Konfliktfelder nennt das Dokument den Religionswechsel, die Stellung der Frau, sowie die religiös begründete Gewalt. Kulturelle Identitäten fänden Grenzen, wo sie in Konflikt mit den Menschenrechten gerieten, so die Verfasser. Systematische Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, so genannte Ehrenmorde, Mädchenbeschneidungen und Zwangsverheiratungen könnten in einer Demokratie nicht geduldet werden.

Für das Zusammenleben mit Muslimen im Alltag enthält der Text praktische Empfehlungen. Sie betreffen die Rolle der Familie, Generationenverhältnis, christlich-muslimische Ehen, muslimische Kinder in Kindergärten, Kopftuch im Schuldienst sowie islamischen Religionsunterricht. Auch der Moschee-Bau, Nutzung kirchlicher Räume durch Muslime sowie der Umgang mit Tod und Sterben werden erörtert.

28. November 2006

EKD-Pressemitteilung "Einladung zum Gespräch und zum Dialog"

EKD-Text 86 "Klarheit und gute Nachbarschaft - Christen und Muslime in Deutschland" als pdf-Datei (366 KB)