Kirchen in Thüringen und Hessen eröffnen Elisabethjahr

Eisenach/Kassel (epd). Die Kirchen in Thüringen und Hessen eröffnen an diesem Wochenende das Gedenkjahr zum 800. Geburtstag der Thüringer Landgräfin Elisabeth (1207-1231). Elisabeth lebte nach dem Tod von Landgraf Ludwig IV. ab 1228 in Marburg, das damals zur Landgrafschaft Thüringen gehörte. Bereits vier Jahre nach ihrem frühen Tod wurde Elisabeth von Papst Gregor IX. heilig gesprochen.

Thüringens Landesbischof Christoph Kähler würdigte am Donnerstag das beispiellose soziale Engagement Elisabeths. Sie seine "eine junge Frau voller Facetten" gewesen, "naiv, politisch, emanzipiert, erotisch, fromm, fanatisch". Die evangelische Landeskirche Thüringens eröffnet das Elisabethjahr am Sonntag mit einem Gottesdienst in der Eisenacher Georgenkirche. Anschließend soll mit den erstmals vergebenen Förderpreisen von insgesamt 10.000 Euro für kirchliche Sozialprojekte an ihr wohltätiges Wirken erinnert werden.

In Erfurt wird am Sonntag der Nikolaiturm mit den ältesten erhaltenen Elisabethmalereien in Thüringen wieder für die kirchliche Nutzung freigegeben. Die Fragmente der mittelalterlichen Malereien wurden bereits 1978 entdeckt, aber erst in den vergangenen Jahren umfassend saniert. Für das katholische Bistum Erfurt beginnt das Elisabethjahr am Samstag mit einem Gottesdienst im Mariendom der Landeshauptstadt. Dabei soll zugleich der "Elisabethweg" einer Heiligenfigur durch das Bistum eröffnet werden.

Bereits von diesem Freitag an wird in Eisenach und in Kassel die Wanderausstellung "Krone, Brot und Rosen" gezeigt. Die Dokumentation der evangelischen Kirchen in Hessen zeichnet auf 30 Text- und Bildtafeln Elisabeths adlige Herkunft und ihren Lebensweg ebenso nach wie ihr soziales Engagement. Dargestellt werden ferner die Heiligsprechung und die Verehrung Elisabeths von der vorreformatorischen Zeit bis in die Gegenwart.

Die ungarische Königstochter kam entsprechend einer Heiratsabsprache zwischen beiden Adelshäusern als Vierjährige an den Thüringer Landgrafenhof und wurde 1221 mit Ludwig IV. verheiratet. Nach dessen Tod auf einem Kreuzzug in Italien 1227 sagte sie sich von ihrer Familie los. Unter maßgeblichem Einfluss ihres geistlichen Vormunds Konrad von Marburg gründete sie 1228 in Marburg ein Spital, das sie bis zu ihrem Tod 1231 leitete.

Zum Jubiläum im nächsten Jahr haben evangelische und katholische Theologen für den 31. Januar in Jena zu einem Studientag eingeladen. Auf dem "Dies academicus" soll "das christlich Verbindende und Verbindliche" von Heiligkeit und Heiligenverehrung in den beiden großen Konfessionen untersucht werden, sagte der Neutestamentler Hermut (rpt. Hermut) Löhr in Jena. Zudem sind am 12. und 13. Mai ein Thüringer Regionalkirchentag in Eisenach sowie vom 7. Juli bis 19. November die Landesausstellung "Elisabeth von Thüringen - Eine europäische Heilige" auf der Wartburg vorgesehen.

16. November 2006


Von der Königstochter zur Aussteigerin

Gedenkjahr erinnert an die vor 800 Jahren geborene Thüringer Landgräfin Elisabeth

Von Thomas Bickelhaupt (epd)

Eisenach (epd). Der Thüringer Wartburgstadt Eisenach steht 2007 ein Ansturm von Touristen ins Haus. Denn das Bundesland begeht das Gedenkjahr zum 800. Geburtstag der Landgräfin Elisabeth (1207-1231). Und darum ist der "europäischen Heiligen" nicht nur eine Landesausstellung auf der Wartburg gewidmet. Auch der "Thüringen-Tag" steht ganz im Zeichen dieses Jubiläums. Und selbst das Landestheater will aus diesem Anlass ein Musical produzieren.

Die evangelische Kirche eröffnet das Gedenkjahr bereits am 19. November. 2007 findet in Eisenach der erste Regionalkirchentag Thüringens außerhalb von Erfurt statt.

Damit erweist sich die Landgräfin einmal mehr als eine der populärsten Gestalten der Kirchengeschichte. Mit der Heiligenverehrung der vergangenen Jahrhunderte geriet jedoch ihr tatsächlicher Lebensweg zusehends aus dem Blick. Er begann für sie als ungarische Königstochter und endete als Nonne und Krankenpflegerin fern der Heimat im Alter von nur 24 Jahren.

Die Verheiratung der ungarischen Prinzessin mit dem Fürstensohn am Eisenacher Landgrafenhof sollte beiden Adelshäusern Einfluss und Ansehen vom Thüringer Wald bis zum heutigen nördlichen Kroatien sichern. Vorangegangenen Heiratsabsprachen folgte 1211 die Übergabe der erst vierjährigen Prinzessin. Doch anders als geplant wurde die junge Adlige in Thüringen zu einer entschiedenen Aussteigerin. Ihre Radikalität war für die damalige Zeit ohne Beispiel.

Das Kind sei "in Gold, Silber und Seide gewickelt und in einer silbernen Wiege liegend" überreicht worden, berichtete Elisabeths erster Chronist, der Erfurter Dominikaner Dietrich von Apolda. Die Thüringer Hofdamen registrierten bei Elisabeth schon im zarten Kindesalter eine große Empfänglichkeit für Religiöses. Häufig soll sie vom Spielen weg unvermittelt in die Kirche gerannt sein. Später kam angeblich ein ausgeprägter Gebetseifer hinzu.

Als Landgräfin an der Seite von Ludwig IV. war die 14-Jährige ab 1221 gleichberechtigte Mitregentin. Dabei half sie regelmäßig Armen und Bedürftigen. Während Ludwig ihr Tun ausdrücklich billigte, ging die Hofgesellschaft auf Distanz. So wurde es für Elisabeth am Landgrafenhof nach dem Tode Ludwigs auf einem Kreuzzug 1227 einsam. Höfischen Plänen zu einer erneuten standesgemäßen Hochzeit widersetzte sie sich mit der Drohung, sich zu verstümmeln und die Nase abzuschneiden.

Als sie sich am Karfreitag 1228 in Eisenach öffentlich von ihrer Familie und allem irdischen Glanz lossagte, stand sie bereits unter dem Einfluss des Ketzerinquisitors Konrad von Marburg. Der fanatische Prediger hatte die junge Landgräfin wiederholt in der Radikalität ihres Ausbruchs aus adligen Konventionen bestärkt. Offenbar war es aber auch die 20-Jährige selbst, die eine solche Autorität suchte, um ihre Idee eines unbedingten Lebens nach dem Evangelium umzusetzen.

Unter Konrads Anleitung verwirklichte sie ab 1228 in ihrem Marburger Spital das Ideal von der Hingabe an den Nächsten bis zur Selbstaufgabe und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Nach ihrem Tod 1231 wurde das Grab für zahllose Pilger zur letzten Hoffnung auf ein heilsames Wunder.

In den 700 Zeugenaussagen für die Heiligsprechung sind für Wunderheilungen mehr als 160 Beispiele aufgeführt: Lahme konnten wieder gehen und Blinde wieder sehen, Besessene wurden geheilt, Auswüchse am Kopf eines Mädchens verschwanden. Für die Medizingeschichte zeigen die Protokolle anschaulich die damalige Verbreitung bestimmter Krankheiten.

Bereits vier Jahre nach ihrem Tod wurde Elisabeth heilig gesprochen. Bald rankten sich um ihr Leben zahlreiche Legenden. Darin wird von einem Engel berichtet, der Elisabeth ein Kleid bringt. Zudem soll sie die Seele ihrer Mutter aus dem Fegefeuer befreit haben. Nach der populären "Legende vom Rosenwunder" schließlich haben sich Speisen in Blumen verwandelt, als Elisabeth auf dem unerlaubten Weg zu den Armen von Hofbeamten kontrolliert wurde.

Gerade dieses soziale Engagement hatte die irdische Elisabeth - Legende hin oder her - bereits für ihre Zeitgenossen zum Inbegriff einer Samariterin werden lassen. Mit dem Gedenkjahr wollen Kirchen und andere Veranstalter genau daran wieder erinnern.

Das Elisabethjahr der Evangelischen Kirchen im Internet

16. November 2006


Eine Königstochter als Krankenpflegerin

Die vor 800 Jahren geborene Elisabeth fasziniert die Menschen noch heute

Von Stefanie Walter (epd)

Marburg (epd). Sie war eine Königstochter, die in Wohlstand und Sorglosigkeit leben konnte. Doch statt ihr Adligen-Dasein zu genießen, pflegte Elisabeth von Thüringen (1207-1231) an Lepra oder Krätze erkrankte Menschen. Sie war eine herausragende Persönlichkeit ihrer Zeit. Deshalb wird im kommenden Jahr, zu ihrem 800. Geburtstag, mit vielen Veranstaltungen an die "deutsche Nationalheilige" des Mittelalters erinnert.

Elisabeths Zuwendung zu den Armen und Kranken und ihr Verzicht auf weltlichen Wohlstand fasziniert die Menschen seit Jahrhunderten. "Ihr Leben ist vorbildlich bis heute", bestätigt der Marburger Historiker Andreas Meyer. Schon in der Grundschule lernten Kinder im Religionsunterricht ihr Leben und Wirken kennen.

Die ungarische Königstochter kam mit vier Jahren nach Thüringen auf die Wartburg. Mit 14 wurde sie verheiratet. 1227 starb ihr Ehemann Ludwig auf einem Kreuzzug. Elisabeth verließ mit ihren drei Kindern die Wartburg und ging nach Marburg. Dort gründete sie ein Hospital, in dem sie sich Armen und Kranken widmete. 1231, mit 24 Jahren, starb sie vermutlich an "Auszehrung".

Wegen dieser "Selbstauszehrung" will der Theologe und Elisabethforscher Lothar Vogel ihr Leben auch "nicht ungebrochen" als Ideal sehen. "Was heute als Magersucht bezeichnet wird, war im Mittelalter ein Ideal", erklärt der Professor an der Waldenser-Fakultät in Rom. "Wenn man Elisabeth heute als vorbildlich hinstellt, muss man auch diese Problematik sehen."

Auch war ihre Hinwendung zu den Armen nicht so außergewöhnlich, wie es heute scheint. "Einige Leute besannen sich damals auf das christliche Ideal, Arme zu fördern", weiß Meyer. "Elisabeths Verhalten lag durchaus im Trend", sekundiert Vogel.

Im 11. und 12. Jahrhundert habe es eine Armutsbewegung gegeben. Städte entstanden, es bildeten sich soziale Schichten. Die Wirtschaft blühte auf, die Kreuzzüge brachten Geld und Beute nach Europa. Zugleich habe sich die Wahrnehmung entfaltet, dass das Leben der Menschen nicht dem entspricht, "was Jesus Christus uns aufgetragen hat".

Für den Professor aus Rom steht etwas anderes im Vordergrund: "Elisabeth ist in Selbstständigkeit ihren Weg gegangen." Anders als viele Frauen des Mittelalters, die ein geistliches Leben wählten, habe sie sich nicht als Nonne in ein Kloster zurückgezogen. "Elisabeth lebte eine neue, weibliche Form des geistlichen Lebens außerhalb von Klostermauern."

Die thüringische Landgräfin war in ihrer Zeit so bedeutend, dass der Papst sie schon vier Jahre nach ihrem Tod heilig sprach. Pilger kamen zum Grab, Erzählungen über Wunder machten die Runde. Die Pilgerbewegung ebbte allerdings schnell ab, sie blieb "ein regionales Phänomen".

Über dem Grab entstand ab 1235 die Elisabethkirche. Der Leichnam selbst wurde, wie häufig bei Heiligen, zerteilt und über ganz Europa verteilt. In Wien befinden sich heute vermutlich der Schädel und zwei Schienbeine, in Stockholm ein weiteres Kopfreliquiar. Da der hessische Landgraf Philipp als Protestant die Heiligenverehrung ablehnte, ließ er 1539 die letzten sterblichen Überreste Elisabeths aus der Kirche entfernen. Nur der goldene Schrein ist noch immer in der Sakristei zu bewundern.

Das Gedenkjahr in Hessen beginnt bereits an diesem Freitag in Kassel. Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, und der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker eröffnen die von den beiden Landeskirchen und ihren Diakonischen Werken erarbeitete Wanderausstellung "Krone, Brot und Rosen".

16. November 2006

Internetauftritt der Evangelischen Kirchen und Diakonischen Werke in Hessen zum Elisabethjahr

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