EKD-Synode: Reiche sollen stärker zur Bekämpfung der Armut beitragen

Göring-Eckardt warnt vor Spaltung der Gesellschaft

Würzburg (epd). Zur Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit sollen nach den Vorstellungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Reiche und Vermögende stärker herangezogen werden. "Reichtum muss in Wohlstand für alle umgesetzt werden", heißt es in dem Entwurf einer Entschließung, mit dem sich die EKD-Synode am Montag in Würzburg befasste. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warnte bei der Vorstellung des Textes vor einer dauerhaften Spaltung der Gesellschaft. Es dürfe nicht hingenommen werden, dass sich die Gesellschaft in die "Produktiven" und die "Überflüssigen" aufteile.

Göring-Eckardt, die auch Mitglied der Synode ist, verwies auf den wachsenden Anteil der Armen in Deutschland. 17 Prozent der Bevölkerung seien von Armut bedroht. Die soziale Ausgrenzung der Betroffenen verfestige sich und sei inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagte die Grünen-Politikerin, die den Vorbereitungsausschuss für die Ausarbeitung des Textes geleitet hatte. Die "Kundgebung" soll im Laufe der bis Donnerstag dauernden Tagung von den 120 Mitgliedern des Kirchenparlaments verabschiedet werden.

Die Bundestagsvizepräsidentin unterstrich, dass die Möglichkeiten zur Bekämpfung der Armut in Deutschland vorhanden seien: "Wir leben in einem reichen Land, noch nie besaßen Menschen in Deutschland derart große Vermögen." Allerdings seien diese äußerst ungleich verteilt, und die Schere zwischen Armen und Reichen klaffe immer weiter auseinander. Zugleich stellte Göring-Eckardt klar: "Reichtum ist nichts Verwerfliches, die Frage ist nur, wie die Gesellschaft damit umgeht." Möglichkeiten zu einem stärkeren Beitrag der Reichen zum Wohl der Gesellschaft sieht sie in einer Änderung des Steuerrechts.

In der Aussprache zum Schwerpunktthema gab es deutliche Kritik an Vorschlägen zur Umverteilung und Schaffung eines zweiten Arbeitsmarktes. Damit würde sich der hoch verschuldete Staat ruinieren, warnte der Publizist und Präsident der Evangelischen Akademie zu Berlin, Robert Leicht.

Der Diakonie-Experte Uwe Becker hatte zuvor eine stärkere steuerliche Belastung von Hochverdienern zur Finanzierung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarkts gefordert. Bislang fehle es am politischen Mut dafür, sagte der Vorstandssprecher des Diakonischen Werkes im Rheinland.

Der evangelische Theologieprofessor Richard Schröder widersprach Vorstellungen, durch stärkere Belastung der Reichen lasse sich die Armut beseitigen. Dabei handele es sich um eine "Schatzkisten-Ökonomie". Vor allem in Ostdeutschland fehle es an wirtschaftlicher Dynamik. "Man muss die Kuh auch füttern, die man melken will", zitierte Schröder den einstigen SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller.

Der sächsische Landesbischof Jochen Bohl nannte es ein "Versagen des Sozialstaates", dass ein wachsender Teil der Bevölkerung in verfestigter Armut lebe. Trotz gestiegener Aufwendungen für den Sozialbereich habe sich das Phänomen verschärft.

Die EKD-Synode mit dem Schwerpunktthema "Gerechtigkeit erhöht ein Volk - Armut und Reichtum" war am Sonntag eröffnet worden. Zum Auftakt der Tagung hatte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber Armut als skandalös bezeichnet. Mit Blick auf die "Unterschicht"-Debatte warnte er davor, zwischen Menschen erster und zweiter Klasse zu unterscheiden und die gleiche Würde aller Menschen zu missachten.

06. November 2006

Texte zum Schwerpunkthema "Gerechtigkeit erhöht ein Volk - Armut und Reichtum"

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