Diakonie-Experte fordert Kurswechsel in der Steuerpolitik

Würzburg (epd). Der Diakonie-Experte Uwe Becker hat einen Kurswechsel in der Steuerpolitik zur Finanzierung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes gefordert. Bislang fehle es am politischen Mut für einen solche Weichenstellung, kritisierte der Vorstandssprecher des Diakonischen Werkes im Rheinland am Montag vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Würzburg. Wenn die Debatte über eine weitere steuerliche Belastung von Hochverdienern verweigert werde, dann blende dies den Zusammenhang zwischen Steueraufkommen und dem Ausmaß öffentlicher Armut aus.

Das EKD-Kirchenparlament nahm am Montag die Beratungen über das Schwerpunktthema Armut und Reichtum auf. Für mangelnde Arbeitsmarktintegration, die wiederum stark mit Armut zusammenhänge, seien strukturelle Probleme die Hauptursache, sagte Becker. "Wenn etwa sieben Millionen Erwerbssuchenden, von denen gut vier Millionen als Arbeitslose registriert sind, knapp 600.000 offene Stellen gegenüberstehen, dann ist diese Lücke nicht allein bildungspolitisch zu schließen." Auch in den nächsten Jahren werde es bei einer hohen Sockelarbeitslosigkeit bleiben, sagte der rheinische Diakoniechef. Umso dringlicher sei die soziale Integration und die Armutsprävention jenseits des regulären Arbeitsmarktes.

Becker nannte die Entwicklung der Kinderarmut alarmierend. Jedes siebte Kind in Deutschland sei auf Sozialhilfe angewiesen. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die Kürzung der Bezugsdauer und die Pauschalierung des Arbeitslosengeldes II bestimmten die "erschreckende Bilanz der Kinderarmut".

Der Diakonie-Vorstand warnte davor, die Erklärung der Armut bei den Opfern zu suchen. Diakoniemitarbeiter könnten von dem Schaden berichten, den das Klima der Stigmatisierung von Arbeitslosen unter dem Schlagwort "Missbrauchsdebatte" bei Kindern und Jugendlichen auslöse. Auch dies sei eine Form von Armut, nämlich der "Verarmung der öffentlich politischen Kultur", so Becker.

06. November 2006

EKD-Pressemitteilung "Defizite am Arbeitsmarkt verursachen Armut"

Das Referat von Uwe Becker

Weitere Berichte von der Tagung der EKD-Synode in Würzburg


Göring-Eckardt warnt vor Spaltung der Gesellschaft

EKD-Synode diskutiert über Armut und Reichtum

Würzburg (epd). Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) hat vor einer dauerhaften Spaltung der Gesellschaft gewarnt. Es dürfe nicht hingenommen werden, dass sich die Gesellschaft in die "Produktiven" und die "Überflüssigen" aufteile, sagte die Grünen-Politikerin am Montag vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Würzburg. Sie legte dem Kirchenparlament den Entwurf einer Entschließung zum Schwerpunktthema Armut und Reichtum vor.

Ein Vorbereitungsausschuss unter Leitung Göring-Eckardts, die auch der Synode angehört, hatte den Entwurf der "Kundgebung" ausgearbeitet. Diese soll im Laufe der bis Donnerstag dauernden Tagung von den 120 Mitgliedern der Synode verabschiedet werden. In dem Papier heißt es, die Armut müsse entschlossener bekämpft werden. Zugleich müsse der vorhandene Reichtum in der Gesellschaft stärker in die Pflicht genommen werden.

Göring-Eckardt verwies darauf, dass 17 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht seien. Die soziale Ausgrenzung der Betroffenen verfestige sich und sei inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch gut Ausgebildete seien von Ausgrenzung betroffen. Zugleich sei Deutschland ein reiches Land. "Die Möglichkeit, Armut zu bekämpfen, ist also eigentlich so groß wie nie", sagte die Bundestagsvizepräsidentin.

Der Diakonie-Experte Uwe Becker forderte vor der Synode eine stärkere steuerliche Belastung von Hochverdienern zur Finanzierung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes. Bislang fehle es am politischen Mut dafür, sagte der Vorstandssprecher des Diakonischen Werkes im Rheinland. Auch in den nächsten Jahren werde es bei einer hohen Sockelarbeitslosigkeit bleiben. Umso dringlicher sei die soziale Integration und die Armutsprävention jenseits des regulären Arbeitsmarktes.

Die EKD-Synode war am Sonntag eröffnet worden. Das diesjährige Schwerpunktthema lautet "Gerechtigkeit erhöht ein Volk - Armut und Reichtum". Zum Auftakt der Tagung hatte der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber Armut als skandalös bezeichnet. Mit Blick auf die "Unterschicht"-Debatte warnte er davor, zwischen Menschen erster und zweiter Klasse zu unterscheiden und die gleiche Würde aller Menschen zu missachten.

06. November 2006

EKD-Pressemitteilung "Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich nicht hinnehmen"

Die Einbringungsrede von Katrin Göring-Eckhardt

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