Frauenkirche: Touristenmagnet und neues Symbol des Protestantismus

Vor einem Jahr wurde die Dresdner Frauenkirche eingeweiht

Von Marius Zippe (epd)

Dresden (epd). Am Wochenende wird sich in Dresden mancher an den letzten Oktobersonntag des vergangenen Jahres erinnert fühlen. Vielen sind die Bilder von den zehntausenden Menschen unvergesslich, die wenigstens von draußen die festliche Einweihung der Frauenkirche unbedingt miterleben wollten. Der weltweit beachtete, vor allem aus Spenden finanzierte Wiederaufbau hatte mehr als ein Jahrzehnt gedauert und rund 180 Millionen Euro gekostet.

Zum ersten Jahrestag der Einweihung wird an diesem Sonntag erneut ein vom ZDF diesmal zeitversetzt übertragener Festgottesdienst mit dem sächsischen Landesbischof Jochen Bohl gefeiert. Dazu werden wieder mehrere tausend Besucher erwartet. Nicht alle werden Platz in der Frauenkirche finden, aber darauf stellen sich die meisten Besucher sowieso schon ein. Denn bis heute ist das Interesse an dem barocken Wahrzeichen der Stadt ungebrochen. Im ersten Jahr kamen über zwei Millionen Besucher und damit viermal mehr als Dresden Einwohner hat.

Auch Bohl spricht von einer "überwältigenden Beteiligung" an Gottesdiensten, Konzerten und anderen Veranstaltungen. "Ich habe neulich gelesen, dass der Protestantismus ein neues Wahrzeichen gewonnen hat. So sehe ich das auch", sagt der Bischof. Besonders sei er erfreut darüber, dass viele Nichtchristen das Gotteshaus besuchten. Daraus ergäben sich für die Kirche große Chancen.

Die sieht die Wirtschaft ebenso. Besonders sichtbar tritt dies am benachbarten Neumarkt zu Tage. Jahrelang war auch unter Denkmalpflegern hart um die Gestaltung des im Krieg zerstörten historischen Platzes gestritten worden. Erst mit Vollendung der Frauenkirche kam die Bebauung mit teilweise historischen Anklängen richtig in Gang.

Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU) spricht sogar von einem "Bau- und Gründungsboom", der sich zu einem großen Teil auf die Frauenkirche zurückführen lasse und der sich mittlerweile auf die gesamte Innenstadt ausgeweitet habe. "Der Wiederaufbau musste offenbar erst als real erkannt werden."

Auch die Tourismuswirtschaft zeigt sich zufrieden. Bis August wurden gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres 21 Prozent mehr Übernachtungen in der Stadt gezählt. Für die Geschäftsführerin der Dresden-Werbung und Tourismus GmbH, Yvonne Kubitza, ist die Frauenkirche aber nur einer von vielen Gründen für den Anstieg. Sie verweist auch auf die Gründung der Stadt vor 800 Jahren, die Fußball-WM und die Eröffnung des Historischen Grünen Gewölbes.

Trotz des unerwartet großen Interesses an der Frauenkirche haben sich aber noch nicht alle Erwartungen erfüllt. Für das geplante Friedens- und Versöhnungszentrum sind laut Bohl noch nicht alle geplanten Schritte eingeleitet. Der Besucheransturm habe viel Kraft und Anstrengung gekostet. Er freue sich aber, dass für ein großes Jugendtreffen in zwei Jahren die Vorbereitungen schon weit vorangekommen sind, so Bohl.

Zu den Verzögerungen dürfte auch mit beigetragen haben, dass sich der Frauenkirchenpfarrer Stephan Fritz von seiner Frau trennte und auf Druck der Landeskirche seine Tätigkeit aufgeben musste. Fritz reagierte mit heftiger öffentlicher Kritik, was innerhalb der Landeskirche zu einer intensiven Diskussion über den Umgang mit geschiedenen Pfarrern führte.

In der breiten Öffentlichkeit weitaus mehr wahrgenommen wurde allerdings ein anderer Schatten, der im Nachhinein auf den strahlenden Glanz der Einweihung fällt. Denn ausgerechnet die Stadt, die mit ihrer neuen Frauenkirche zum weltweiten Symbol des Wiederaufbaus wurde und damit andernorts Nachahmer findet, läuft wegen der Planungen für eine neue Elbebrücke Gefahr, die erst 2004 erworbene Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe wieder zu verlieren.

26. Oktober 2006

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