Politikerbibel in Berlin vorgestellt - "Suchet der Stadt Bestes"

Berlin (epd). Evangelische und katholische Kirche haben am Dienstag in Berlin die neue "Politikerbibel" vorgestellt. In dem Buch kommentieren 56 bekannte Politiker ein von ihnen ausgewähltes Bibelzitat. Unter dem Titel "Suchet der Stadt Bestes" erklären unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck in persönlichen Texten, was die ausgesuchten Bibelworte für ihr Leben und Handeln bedeuten.

"Die Bibel zwingt uns, die Augen zu öffnen", sagte der Generalsekretär der SPD und einer der Buchautoren, Hubertus Heil, bei der Vorstellung. Das Christentum sei die Grundlage der Arbeit aller Politiker. Politische Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität seien auf christliche Wurzeln zurückzuführen.

"Es gibt eine Verantwortung vor den Wählern, aber auch eine Verantwortung vor Gott", sagte Ronald Pofalla, Generalsekretär der CDU und ebenfalls als Autor im der Politikerbibel vertreten. Beide Politiker betonten die Bedeutung des christlichen Menschenbildes für die zukünftigen Grundsatzprogramme ihrer Parteien.

Herausgeber der zweiten überarbeiteten Auflage der Politikerbibel sind die Vertreter der Kirchen bei der Bundesregierung, die Prälaten Stephan Reimers (evangelisch) und Karl Jüsten (katholisch). Zu den Autoren gehören auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Ebenfalls vertreten sind Politiker von Grünen und FDP.

Ein Euro von jedem verkauften Buch kommt dem "Zentrum Lehrter Straße" in Berlin zugute. Das kirchliche Hilfszentrum der Berliner Stadtmission unterstützt Obdachlose und allein stehende Jugendliche.

Karl Jüsten, Stephan Reimers (Hg.): Suchet der Stadt Bestes. Die neue Politikerbibel. Friedrich Wittig Verlag Kiel 2006. 120 Seiten, 9,95 Euro, ISBN 3-8048-4492-8

24. Oktober 2006


"Unter den Übermütigen ist immer Streit" - Worte von Merkel, Beck und Steinmeier in der "Politikerbibel"

Von Thomas Morell (epd)

Kiel/Berlin (epd). SPD-Chef Kurt Beck schätzt gutes Essen und einen edlen Tropfen. Dass es für ihn dennoch Wichtigeres gibt, verrät er in der neuen "Politikerbibel". Zwar wisse der himmlische Vater, dass der Mensch Essen und Trinken braucht, heißt es in Becks Lieblingsvers aus dem Matthäus-Evangelium (6,33). "Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen." Für eine gerechte Entwicklung der Gesellschaft, so erläutert der bekennende Katholik, dürften Politiker nicht in den Alltagsproblemen stecken bleiben.

Mehr als 50 Politiker verschiedener Parteien haben in der neuen Politikerbibel, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, ihren Lieblingsvers aufgeschrieben und kommentiert. Sie vermittele einen "seltenen, sehr persönlichen Blick auf die Menschen" schreiben die Herausgeber, der katholische Prälat Karl Jüsten und sein evangelischer Kollege Stephan Reimers, im Vorwort.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast (Grüne) und die Generalsekretäre Ronald Pofalla (CDU) und Hubertus Heil (SPD) sowie der FDP-Abgeordnete Otto Fricke werden das 120 Seiten starke Buch am 24. Oktober in Berlin vorstellen. Von jedem verkauften Exemplar kommt ein Euro einem Berliner Hilfsprojekt für Obdachlose und Jugendliche zugute.

Die Bundestagswahl im vorigen Jahr hatte nach der Erstausgabe von 2004 jetzt eine Neuauflage notwendig gemacht. So mussten Gerhard Schröder, Manfred Stolpe, Rezzo Schlauch und Rita Süssmuth nach der politischen Bühne auch die Politikerbibel verlassen. Staatssekretär Schlauch schrieb schon damals in weiser Voraussicht das Bibelwort: "Schafft den alten Sauerteig ab" (1.Kor. 5,7).

Zu den Neulingen gehört Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Mit seinem Bibelvers "Unter den Übermütigen ist immer Streit" (Spr. 13,10) legt er den Finger in die Wunde aktueller Politik. Nur ein Politiker, der zuhören kann und sich beraten lässt, erläutert der SPD-Politiker, könne die richtigen Entscheidungen treffen. Dies gelte in besonderem Maße für die Außenpolitik.

"Prüft aber alles, und das Gute behaltet" (1.Th.5,21) ist dagegen für einen Generalsekretär wie Pofalla recht gewagt ausgesucht. Schließlich ist es seine Aufgabe, die eigene Partei auch unter ungünstigsten Bedingungen im besten Licht darzustellen. Wer Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) Böses unterstellt, wird seinen Bibelvers vor allem als Drohung begreifen: "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!" (Matt.7,12)

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wird mit ihrem Bibelvers auch eine weitere Verschiebung der Gesundheitsreform verkraften: "Ein jegliches hat seine Zeit. Und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde." (Pred.3,1). Was Angela Merkel in der Erstauflage schrieb, als sie nur CDU-Vorsitzende war, gilt für sie als Kanzlerin umso mehr: "Nun aber bleiben Glauben, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen" (1.Kor.13,13).

Die Handschriften der Spitzenpolitiker sind auch für Laien aufschlussreich. Steinmeier verrät vor allem Dynamik, Merkel eher Gradlinigkeit. Staatsministerin Hildegard Müller (CDU) zeigt traditionelle Schönschrift, während Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) da noch etwas üben müssten.

Besonders interessant ist die Schrift von FDP-Chef Guido Westerwelle, der sein "g" oder "y" so weit nach unten zieht, dass damit die nächste Zeile überschrieben wird. Welche Charaktereigenschaften hier offenbar werden, wäre eine spannende Frage an die Graphologen.

24. Oktober 2006

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