Bischof Huber: Evangelische Kirche braucht Mentalitätswandel

Berlin (epd). Die evangelische Kirche braucht nach Ansicht ihres Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, einen Mentalitätswandel für ihren Erneuerungsprozess. Kirchengemeinden, Landeskirchen und der gesamte Protestantismus müssten "eine Zuwendung zu den Menschen, eine Öffnung der Fenster" einleiten, sagte der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag im Deutschlandradio Kultur.

Wichtige Elemente der kirchlichen Erneuerung sind Huber zufolge verlässliche Qualität und Konzentration auf Verkündigung: "Wir müssen an der verlässlichen Qualität kirchlichen Handelns, kirchlicher Angebote, kirchlicher Vollzüge arbeiten." Die Pfarrer müssten sich auf ihre Kernkompetenz, die Verkündigung des Evangeliums, konzentrieren. Dazu gehöre es, Glauben zu wecken, jungen Menschen Glaubenswissen zu vermitteln und Eltern zur Taufe ihrer Kinder zu bewegen.

Auch müssten die Pastoren stärker berücksichtigen, dass Menschen in einer mobilen Gesellschaft Gottesdienste zu besonderen Anlässen bevorzugten, sagte der Berliner Bischof weiter. Diese kirchlichen Angebote zu besonderen Gelegenheiten müssten verstärkt werden.

Der EKD-Ratsvorsitzende erwartet, dass sich die Zahl der evangelischen Landeskirchen durch Zusammenschlüsse in den nächsten Jahren drastisch verringert: "Wir rechnen damit, dass im Jahr 2030 nicht mehr 23 Landeskirchen existieren werden, sondern acht bis zwölf." In ihrem Impulspapier "Kirche der Freiheit" habe die EKD allerdings keine konkreten Fusionsvorschläge gemacht, dies werde in den Regionen selbst entschieden.

13. Oktober 2006


Die Agenturmeldung von DeutschlandRadio Kultur in vollem Wortlaut:

Huber: Evangelische Kirche braucht Mentalitätswandel, verlässliche Qualität und Konzentration auf die Verkündigung

Ratsvorsitzender der EKD rechnet mit drastischer Reduzierung der Landeskirchen

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat einen Mentalitätswandel im Erneuerungsprozess seiner Kirche gefordert.

Gemeinden, Landeskirchen und die gesamte Gemeinschaft des Protestantismus müssten „eine Zuwendung zu den Menschen, eine Öffnung der Fenster“ in Gang setzen, sagte Huber im Deutschlandradio Kultur. „Erst dann werden wir auch die Fähigkeit entwickeln, Menschen auf die Fragen zu antworten, die sie heute wirklich haben.“

Ingesamt sieht Huber einen Richtungswechsel  bei den Deutschen hin zu Fragen des Glaubens, der Religion, der Sinnfindung. Nach drei Jahrzehnten der Abwendung von der Kirche im Westen und der Entkirchlichung in der DDR sei dieser Richtungswechsel seit der Jahrtausendwende „ein gesicherter Trend“. So sei beispielsweise auch die Zahl der kirchlichen Trauungen von 2004 auf 2005 um zehn Prozent gestiegen.

Zur Erneuerung der Kirche gehöre, dass sie in der professionellen und ehrenamtlichen Arbeit ihre Qualität weiter entwickle. „Wir müssen an der verlässlichen Qualität kirchlichen Handelns, kirchlicher Angebote, kirchlicher Vollzüge arbeiten“, sagte Huber.

Die Pfarrer müssten sich auf ihre Kernkompetenz der Verkündigung des Evangeliums konzentrieren. „Das wird dann  Christen im Alltag ihres Lebens dazu befähigen, sich deutlicher aus ihrem Glauben heraus sozial zu engagieren. Und da brauchen wir Pfarrerinnen und Pfarrer nicht zu denken, dass wir alles machen müssten“, sagte Huber. Die Pfarrer müssten es verstehen, Glauben zu wecken, jungen Menschen Glaubenswissen zu vermitteln und Eltern zum Taufen ihrer Kinder zu bewegen. Sie müssten berücksichtigen, dass Menschen heute in der mobilen Gesellschaft eher in anlassbezogene Gottesdienste gingen. Diese Angebote zu besonderen Gelegenheiten müssten verstärkt werden. Huber forderte die evangelischen Kindertagesstätten auf, ihr religionspädagogisches Profil zu stärken und sich von Kindereinrichtungen zu Familienhäusern zu entwickeln. Das Miteinander der Generationen sei eine besondere Stärke der Kirche. So könnten auch Eltern in einen Bildungsprozess hineingezogen werden.

Huber verteidigte die vorrangige Teilnahme der christlichen Kirchen am „Bündnis für Erziehung“ von Bundesfamilienministerin von der Leyen (CDU). Die Kirchen seien neben den Kommunen die größten Träger von Kindereinrichtungen. Muslimische und jüdische Organisationen hingegen seien in diesem Bereich kaum vertreten. Huber sprach sich aber dafür aus, die Basis des Bündnisses schnell zu verbreitern. „Verantwortung für Erziehung tragen alle. Und selbstverständlich ist dabei auch der Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften, insbesondere auch mit muslimischen Organisationen, sinnvoll und angezeigt - so schwierig er auch im konkreten Fall immer durchzuführen ist“, sagte Huber.

Der EKD-Vorsitzende rechnet damit, dass sich die Zahl der evangelischen Landeskirchen durch Fusionen in den nächsten Jahren drastisch reduziert: „Wir rechnen damit, dass im Jahr 2030 nicht mehr 23 Landeskirchen existieren werden, sondern acht bis zwölf.“ Die EKD habe aber keinen Vorschlag gemacht, welche Landeskirchen zusammengehen sollten, das werde in den Regionen selbst entschieden. Derzeit verhandelten Thüringen und die Kirchenprovinz Sachsen sowie Mecklenburg und Pommern über ein Zusammengehen. Die organisatorische Verschlankung ändere aber nichts an der geistlichen Profilierung und am Engagement der Kirche.

Huber hält Fortschritte bei der Ökumene nur für möglich, wenn sich die katholische und evangelische Kirche gegenseitig als Kirchen anerkennen. Dieses habe er Papst Benedikt XVI. bei der Begegnung in Köln selbst gesagt. „Daran halte ich auch fest. Wir brauchen – gerade wenn wir in einer überzeugenden Weise näher zusammenrücken wollen, gerade wenn wir glaubhaft machen wollen, dass das, was uns verbindet, wichtiger, stärker, tragender ist als das, was uns trennt – auch eine Form, in der die Menschen um uns her sehen können: Sie respektieren sich wechselseitig als Kirche, die Unterschiede im Amt der jeweiligen Kirche eingeschlossen“, sagte Huber.

Quelle: DeutschlandRadio Kultur vom 13. Oktober 2006

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