EKD-Rundfunkbeauftragter verteidigt Terminverschiebung von "WUT" in der ARD

idea-Logo Angriffe auf den Jugendschutz sind schwer erträglich

Hamburg (eb). Als schwer erträglich bezeichnete der Rundfunkbeauftragte des Rates der EKD, Pfarrer Bernd Merz (Hamburg), die Diskussionen um die Sendeplatzverschiebung des ARD- Fernsehfilms „Wut“. Sowohl die Darstellungen in Teilen der Printpresse, die Äußerungen mancher Politiker, aber auch von Mitarbeitern innerhalb der ARD lassen „mich zwar nicht wütend, aber doch sehr nachdenklich darüber werden, wie ernst der Jugendschutz im Zweifelsfall genommen wird“, so Merz. Der „in jeder Hinsicht außerordentlich gelungene Film mit hervorragender Besetzung“ ist ein wichtiger Beitrag in der momentanen Debatte um Integration und das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religionen. „Dafür bin ich dem Regisseur Zülü Aladag ganz persönlich dankbar“, so Merz.

Das dürfe aber nicht darüber hinwegsehen lassen, dass obwohl der Film nicht viele explizite Gewaltszenen enthält, diese aber sehr extrem sind. Diese Szenen, zu der vor allem auch die Selbstjustiz am Ende gehöre, „geben dem Film ein Klima, in dem es keine Hoffnung, keine Lösung, nur Gewalt und Gegengewalt gibt.“

Hier würde ein Leben beschrieben, „wie es in manchen Bereichen unserer Gesellschaft tatsächlich ist, aber einem 12 Jahre alten Kind, das allein um 20.15 Uhr vor dem Fernseher sitzt, nicht gezeigt werden kann und darf.“. Denn es seien ja nicht nur die 16-18jährigen, von denen hier geredet würde, so Merz. Die ARD habe ihre präzisen Jugendschutzbestimmungen nach manchen Tatort-Diskussionen endlich angewendet und hier handele es sich um Bestimmungen zum Schutz von Heranwachsenden, nicht zum Schutz von Erwachsenen, „die aus political correctness Problemthemen des Miteinanders verschiedener Kulturen jahrelang unterdrückt haben und nun lautstark die andere Richtung einschlagen.“ Die Inhalte des Jugendschutzes seien nicht teilbar, weder in privat und öffentlich.-rechtlich, noch in Trash-Movie und dringend nötige Filme für die gesellschaftliche Diskussion. Außerdem habe die ‚Endemol-Philosophie’ „Streite laut darüber, bevor Du sendest“ hier auf unbeabsichtigte Weise ja auch funktioniert, was die Beachtung und den Marktanteil des Films anging.“

Man sollte die ARD kritisieren, wo sie es verdient habe, so der EKD-Rundfunkbeauftragte. Aber hier hat sie es nicht verdient, mit der Absetzung der Idomeneo-Oper in einen Topf geworfen zu werden.

13. Oktober 2006


EKD stützt ARD: Verschiebung von „Wut“ war richtig

Rundfunkbeauftragter: Film über türkischen Jugendbandenführer kann Kinder gefährden

H a m b u r g (idea) – Rückendeckung für die umstrittene Verschiebung des Fernsehfilms „Wut“ über einen türkischen Jugendbandenführer ins Spätabendprogramm hat die ARD vom Rundfunkbeauftragten der EKD und der evangelischen Freikirchen, Pfarrer Bernd Merz (Hamburg), erhalten. Er hält die Maßnahme, die in Teilen der Medien und der ARD kritisiert wurde, aus Gründen des Jugendschutzes für richtig. In dem WDR-Film von Regisseur Zülü Aladag gerät eine deutsche Familie des gehobenen Bürgertums in Konflikt mit einem Jungen aus einer türkischen Familie. Der Streit spitzt sich zu, bis der Vater, der gerade zum Professor ernannt worden ist, den Jungen umbringt. Ursprünglich sollte der Film am 27. September um 20.15 Uhr in der ARD laufen; die Ausstrahlung wurde dann auf 22 Uhr am 29. September verschoben. Merz betont in einer Presseerklärung, dass er den Film für außerordentlich gelungen ansieht.

Medien verdrängen Ausländergewalt

In der Vergangenheit hätten die Medien aus „Politischer Korrektheit“ das Thema der Gewalttäter unter ausländischen Jugendlichen verdrängt. „Wut“ zeige die Probleme der Integration realistisch. Der Professor sei gegenüber den türkischen Mitbürgern voller Wohlwollen, aber nicht bereit, sich ernsthaft mit ihnen zu beschäftigen. Merz: „Diese Haltung des Wegsehens funktioniert nicht. Das demonstriert der Film eindrucksvoll.“ Gleichwohl sei der Streifen wegen der wenigen, aber extremen Gewaltszenen nicht geeignet für Kinder, die um 20.15 Uhr noch vor dem Fernseher sitzen. Als Beispiel schildert Merz das Filmende: Der türkische Junge Can setzt dem Sohn des Professors eine Klinge an den Hals. Wenn sich der Vater nicht erschießt, wird er dem Jungen die Kehle durchschneiden. Der Vater drückt ab, die Pistole war nicht geladen, der Vater verliert daraufhin die Kontrolle über sich und bringt Can um. Laut Merz ist diese Szene ist nicht nur gewalttätig, sondern sie enthalte auch die Möglichkeit, dass Selbstjustiz und Mord als Konfliktlösung empfohlen werde, selbst wenn der Professor seine Tat anschließend bereue. Der Film signalisiere: Es gibt keine Lösung außer Gewalt und Gegengewalt.

Konsequenter Jugendschutz

Seit Jahren setzt sich laut Merz die evangelische Rundfunkarbeit für einen konsequenten Jugendschutz ein. Dazu gehöre, dass zu einer Zeit, zu der Kinder und Jugendliche noch fernsehen, nicht Filme laufen dürfen, die zur sozial-ethischen Desorientierung führen können. In der jüngeren Vergangenheit habe es genügend Fälle gegeben, die - zum Beispiel beim „Tatort“ – in dieser Hinsicht schädlich gewesen seien. Merz: „Jetzt ist die ARD anscheinend zur Einsicht gekommen und entwickelt Sensibilität. Das begrüße ich sehr.“ „Wut“ dürfe aber kein Einzelfall bleiben. Erhöhte Sensibilität müsse auch an andere Produktionen des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens angelegt werden.

14. Oktober 2006

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