Steht bald eine Frau an der Spitze der Diakonie?

Drei Kandidaten stehen für das bundesweite Präsidentenamt zur Wahl

Von Markus Jantzer (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Seit bald vier Monaten ist beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) das höchste Amt unbesetzt. Nach dem Rücktritt von Präsident Jürgen Gohde (58) am 21. Juni zeichnet sich nun eine Entscheidung über seine Nachfolge ab. Am Wochenende schlug der EKD-Rat in Hannover für die Wahlversammlung der Diakonischen Konferenz am 19. Oktober in Berlin drei Kandidaten vor. Sie sind allesamt Theologen.

Der Wahl werden sich stellen: Annegrethe Stoltenberg (56), Vorsitzende des Diakonischen Werkes in Hamburg und Bundesvorsitzende der Diakonischen Konferenz, Johannes Stockmeier (58), Hauptgeschäftsführer der Diakonie Baden, sowie der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Stetten (Württemberg), Klaus-Dieter Kottnik (54). Der Rat der EKD folgte damit den Vorschlägen des Diakonischen Rates, das Aufsichtsgremium der Bundesdiakonie. Die endgültige Entscheidung liegt nun bei der Diakonischen Konferenz.

Die außerordentliche Neuwahl wurde notwendig, weil der Diakonische Rat am 21. Juni dem damaligen Präsidenten Gohde unmissverständlich zu erkennen gegeben hatte, dass er ihn nicht mehr für den richtigen Mann im Spitzenamt hält. Dieser zog die Konsequenzen und trat am selben Tag nach zwölf Amtsjahren zurück. Auslöser des Zerwürfnisses war ein Streit um Gohdes Position zur Arbeitsmarktreform Hartz IV. Er hatte sich in einem Schreiben an die Bundesregierung und an Bundestagsabgeordnete für Leistungskürzungen bei Langzeitarbeitslosen ausgesprochen und damit in der Diakonie einen Sturm der Entrüstung ausgelöst.

Annegrethe Stoltenberg, seit 2000 Diakoniechefin in Hamburg und seit 2001 Bundesvorsitzende der Diakonischen Konferenz, hatte als eine der ersten diakonischen Spitzenvertreter öffentlich ihren Unmut über die umstrittene Äußerung Gohdes zu Hartz IV bekundet. Dies sei "nicht die Position der Diakonie", sagte sie. Ihre Anhänger loben ihren "Mut, Kante zu zeigen".

Stoltenberg hat auf verschiedenen Feldern berufliche Erfahrungen gesammelt. Sie ist ausgebildete Lehrerin für Deutsch und Politik und hat elf Jahre als Pädagogin gearbeitet. Zwei Jahre nach dem Abschluss des Theologiestudiums leitete sie von 1990 bis 2000 die Bildungsabteilung im EKD-Kirchenamt in Hannover.

Neben Stoltenberg bietet sich Klaus-Dieter Kottnik, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten in Kernen (Remstal) der Diakonischen Konferenz als Nachfolger von Jürgen Gohde an. Der Pfarrer leitet das Unternehmen mit rund 2.500 Beschäftigten seit 1991. Auf Bundesebene ist er seit 2002 Vorsitzender des Bundesverbandes evangelische Behindertenhilfe. Seit 2005 ist er außerdem Mitglied des Diakonischen Rates.

Johannes Stockmeier, der dritte Kandidat, ist seit 1998 Hauptgeschäftsführer des Diakonischen Werks Baden. Zuvor war er zehn Jahre lang Dekan des Kirchenbezirks Konstanz. In dieser Funktion vereinigte er durch organisatorische Veränderungen die drei Diakonischen Werke seines Kirchenbezirks. Stockmeier ist seit 2000 auf Bundesebene Mitglied im Diakonischen Rat.

Auf den neuen Präsidenten der Diakonie kommen vor allem zwei Aufgaben zu: Er soll die Organisationsreform des diakonischen Spitzenverbandes vorantreiben. Die Ziele sind dabei mehr Effizienz und mehr Mitsprachemöglichkeiten für die Landes- und Fachverbände der Diakonie. Die Spitze der EKD um ihren Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, hält außerdem eine engere Kooperation zwischen der EKD und dem Diakonischen Werk für notwendig. Mit einem engeren Bezug zur Kirche ist die Erwartung verbunden, dass die evangelischen Wohlfahrtsverbände und -einrichtungen ihr christliches Profil im Wettbewerb schärfen. Bundesweit beschäftigt die Diakonie in ihren 27.500 Sozialunternehmen rund 450.000 Mitarbeiter.

10. Oktober 2006

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