Gedenkgottesdienst für verunglückte Motorradfahrer im Berliner Dom

Berlin (epd). "Hey Schwester, mach mal ein hübsches Bild von uns", ruft Norbert Feier. Der 27-Jährige trägt am linken Ohr und in der rechten Augenbraue einen silbernen Ring. In seiner schwarzen Motorradkluft hat er sich an diesem Sonntag gemeinsam mit 50 Spandauer Motorradfreaks auf den hinteren Bänken im Berliner Dom niedergelassen und lächelt in Richtung Digitalkamera.

Die hat Anja Uhlenhaupt gezückt. Die 40-jährige zweifache Mutter - ebenfalls in schwarzer Lederkluft - ist extra aus Braunschweig angereist, wo sie seit 20 Jahren zur Arbeitsgemeinschaft christlicher Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer gehört. Da darf ein Erinnerungsfoto vom Gottesdienst mit den 2.000 Bikern in der mächtigen Berliner Kuppelkirche nicht fehlen.

Anlass ist die 33. Mahn- und Gedenkfahrt für die im zurückliegenden Jahr tödlich verunglückten Biker in Berlin und Brandenburg. Veranstalter sind der "Ring Berliner Motorradclubs", die Gruppe "Christ und Motorrad-Berlin" und die "Arbeitsgemeinschaft christlicher Motorradfahrer". Ein zehn Kilometer langer Korso mit mehr als 1.500 Motorrädern führt quer durch die Bundeshauptstadt.

Auch zwei Brüder aus dem Landkreis Dahme-Spreewald sind darunter. Für einen der beiden soll es seine letzte Fahrt sein. Auf der Strahlauer Allee in Berlin-Friedrichshain, schon auf der Heimfahrt, verunglückt der 30-Jährige tödlich. Zu dieser Zeit sind die 2.000 Biker im Berliner Dom zum Gedenkgottesdienst beisammen.

In dem wilhelminischen Gotteshaus ist längst nicht für alle Platz. Heinz Ringhand ist darum mit seiner Freundin direkt zum Dom gefahren. "Weil ich mir rechtzeitig einen Platz in der Kirche sichern will", sagt er. Seit 13 Jahre ist er dabei.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist ihm wichtig. Und die Erinnerung an die verunglückten Motorradfahrer. Dann hat er es plötzlich eilig. Denn die ersten vom Korso haben unten ihre Maschinen abgestellt und laufen unter Glockengeläut mit den Motorradhelmen unter dem Arm die Stufen zum Dom hinauf.

Norbert Feier ist zum ersten Mal dabei. "Vor zwei Monaten hab ich mich mit meiner Suzuki GS 750 hingelegt. Da wird man schon mal nachdenklich, dass es noch etwas über uns geben muss", sagt der kräftige junge Mann. Sein verschmitztes Gesicht wird nachdenklich. Mit der Kirche, sagt er, hat er sonst eigentlich nicht viel am Hut.

Im Gottesdienst erinnert Pfarrer Bernd Schade, der Beauftragte der evangelischen Kirche für die Arbeit mit Motorradfahrerinnen und Motorradfahrern, an die 52 tödlich verunglückten Biker in Berlin und Brandenburg. Dass in diesen Minuten der 30-jährige junge Mann aus Dahme-Spreewald in einer Berliner Klinik seinen Verletzungen erliegt, erfährt der Seelsorger erst später.

Vorn am Altar unter der großen Kuppel sind Motorradhelme zu einem großen Kreuz mit Rosen zusammengelegt. Bei den 19 in Berlin getöteten Bikern habe nur ein Drittel den Unfall selbst verschuldet, sagt Schade. Er fordert mehr Verkehrsschulung im schulischen Unterricht, aber auch Verzicht auf Gewalt bei der Lösung von Konflikten.

Und er fordert "mehr Achtung voreinander, damit nicht der Tod die Vorfahrt hat". Dann werden die Namen der im letzten Jahr tödlich verunglückten Fahrerinnen und Fahrer verlesen. Die jüngste war 16, der älteste 62 Jahre alt.

09. Oktober 2006

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