Lebenskunst in Liedern - Neue Bücher über den Dichter Paul Gerhardt

Von Renate Kortheuer-Schüring (epd)

Frankfurt a.M. (epd). In wenigen Monaten beginnt das Paul-Gerhardt-Jahr 2007, das an den 400. Geburtstag des wohl bedeutendsten protestantischen Liederdichters erinnert. Mit dem kulturellen und kommerziellen Trubel des Mozartjahres wird es sich nicht messen können, doch sind bereits in diesem Herbst etliche Publikationen zu Paul Gerhardt zu erwarten. Der Pfarrer schuf so eingängige Lieder wie "Geh aus mein Herz", "Nun ruhen alle Wälder" oder "Ich steh an deiner Krippen hier". Auf der Frankfurter Buchmesse vom 4. bis 8. Oktober werden die meisten Neuerscheinungen über Paul Gerhardt vorgestellt.

Vertont von Johann Sebastian Bach und dem Berliner Kantor und Freund des Dichters, Johann Crüger, wurden viele der Liedtexte Gerhardts kulturelles Allgemeingut - manche sind bis in die Gegenwart hinein so volkstümlich verbreitet wie die Grimmschen Märchen. Über das Leben des am 12. März 1607 in Gräfenhainichen bei Wittenberg geborenen Theologen ist indes nur wenig bekannt.

Christian Bunners, einer der besten Kenner Paul Gerhardts, hatte bereits 1993/94 die historischen Fakten zu Lebensweg, Werk und Wirkung akribisch zusammengetragen. Sein jetzt neu überarbeitetes und ergänztes Buch "Paul Gerhardt" ist eine Fundgrube für jeden, der sich gründlich und wissenschaftlich fundiert informieren will (Vandenhoeck und Ruprecht, 2006).

Andere Autoren haben ihren jeweils besonderen Zugang zu dem Zeitgenossen des Barockdichters Martin Opitz gesucht. "Skizzen zu Paul Gerhardt" heißt etwa der Untertitel von Frank Paulis vor kurzem im Wichern-Verlag erschienenem Bändchen "Im Himmel ist ein schönes Haus". Pauli nähert sich Gerhardt, indem er verschiedene Facetten von dessen Leben, Zeit und Dichtung anschaulich macht und dabei einen "Mentalitätswechsel" zwischen der geistigen Welt des 17. und des 21. Jahrhunderts zu überbrücken sucht.

Mitteldeutsche Orte wie Grimma, Wittenberg, Berlin, Mittenwalde, Lübben, wo Paul Gerhardt lernte, arbeitete und dichtete, nimmt der Autor ebenso in den Blick die damaligen Lebensumstände: Ein kleiner Exkurs zur "Tulpomanie" reicher Bürger dieser Zeit lässt die Gerhardt-Liedzeile "Narzissen und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide" neu aufleuchten - mit ihrer ganzen Freude an der Schöpfung und ihrer leisen Kritik an weltlicher Prachtentfaltung.

Als "Meister christlicher Lebenskunst" schildert Reinhard Deichgräber Paul Gerhardt. Er deutet die 26 Lieder, die auch im Evangelischen Gesangbuch abgedruckt sind, als hilfreiche Texte zur Lebensbewältigung. Generationen nutzten diese Lieder in den vergangenen Jahrhunderten tagtäglich zur "Erbauung", indem sie sie gelesen, gesungen oder gebetet haben. Deichgräber entdeckt die Spiritualität der sprachlich einfachen und zugleich tief berührenden Gerhardtlieder für den Alltag von heute neu.

Unter dem Titel "Nichts nimmt mir meinen Mut" (Vandenhoeck & Ruprecht, 2006) entwickelt der Autor aus den Liedtexten die christliche Tugend des Gottvertrauens. Um "Bitten", "Loslassen", "Freude suchen" geht es dabei, aber auch um das "Trotzen", eine Einübung in Autonomie und christlichen Widerstand gegen alles, was Menschen kleinmacht verletzt oder gar vernichtet. "Ist Gott für mich, so trete / gleich alles wider mich": ein Lied, das laut Deichgräber die "Trotzkraft" stärkt.

Ähnliches versucht der Pfarrer Reinhard Ellsel, der seine Predigten zu Gerhardt-Texten im Luther-Verlag veröffentlichte ("Du kommst und machst mich groß"). In Vorbereitung ist zudem ein essayistisch angelegter Band von Petra Bahr beim Herder Verlag, der neben der Biografie auch die Wirkungsgeschichte Gerhardts berücksichtigen wird. Das Buch soll im November herauskommen.

Die Liedtexte von Paul Gerhardt selbst erscheinen zur Buchmesse in einer neuen bibliophilen Ausgabe: Für die Edition chrismon hat Reinhard Mawick die schöne Gerhardt-Textsammlung "Geh aus mein Herz. Sämtliche deutsche Lieder" herausgegeben, schön bebildert von Egbart Herfurth (Faber und Faber). Mit "kindlicher" und ungewohnter Perspektive öffnen die Illustrationen Herfurths den Blick auf die oftmals altvertrauten Liedtexte noch einmal neu. Sie erinnern ein wenig an den "Kleinen Prinzen" von Saint-Exupéry, in dem der sprichwörtliche Satz fällt: "Man sieht nur mit dem Herzen gut". Paul Gerhardt dürfte er gut gefallen haben.

Literaturhinweise:

Petra Bahr: Paul Gerhardt - "Geh aus mein Herz". Leben und Wirkung. Herder Verlag, 160 Seiten, 8,90 Euro.

Christian Bunners: Paul Gerhardt. Weg - Werk - Wirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, 320 Seiten, 29,90 Euro.

Reinhard Deichgräber: Nichts nimmt mir meinen Mut. Paul Gerhardt als Meister christlicher Lebenskunst. Vandenhoeck & Ruprecht, 160 Seiten, 14,90 Euro.

Reinhard Ellsel: Du kommst und machst mich groß. Predigten zu Liedern von Paul Gerhardt. Luther-Verlag, 135 Seiten, 15,90 Euro

Frank Pauli: Im Himmel ist ein schönes Haus. Skizzen zu Paul Gerhardt. Wichern-Verlag, 120 Seiten, 9 Euro.

Paul Gerhardt/Egbert Herfurth: Geh aus mein Herz. Sämtliche deutsche Lieder. Edition chrismon (Hrsg. Reinhard Mawick). Faber und Faber, 320 Seiten, 35 Euro (mit 100 farbigen Illustrationen)

26. September 2006

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