Protestantische Kirchen in Europa wollen enger zusammenrücken

Budapest/Frankfurt a.M. (epd). In Budapest beginnt an diesem Dienstag die 6. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Dazu kommen bis 18. September Vertreter von rund 100 Kirchen in der ungarischen Hauptstadt zusammen. Die Tagung soll den Zusammenhalt der protestantischen Kirchen in Europa und deren Profil stärken, erklärte die GEKE-Präsidentin, die Theologieprofessorin Elisabeth Parmentier (Straßburg).

Die Konferenz findet auf Einladung der ungarischen Kirchen statt. Die letzte Vollversammlung war 2001 in Belfast. Die GEKE ist der Dachverband von fast allen protestantischen Kirchen in Europa. Lutherische, reformierte, unierte, methodistische und vorreformatorische Kirchen wie Waldenser und Böhmische Brüder gewähren sich auf Grundlage der 1973 verabschiedeten "Leuenberger Konkordie" Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.

Mit der auf dem Leuenberg bei Basel ratifizierten Erklärung wurde zugleich eine mehr als 450-jährige Epoche der Kirchenspaltung zwischen lutherischen und reformierten Kirchen beendet. Die GEKE wirbt mit dem Leuenberger Modell für ein tragfähiges Konzept zur Ausweitung der Ökumene auf der Basis "Einheit in versöhnter Verschiedenheit". Der Vatikan hatte dem Leuenberger Konzept allerdings mehrfach ein Absage erteilt. In Budapest sollen Wege zu mehr Dialog mit der römisch-katholischen Kirche gesucht werden.

Die Leuenberger Kirchengemeinschaft wurde 2003 in Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) umbenannt, die sich über ganz Europa erstreckt. Die GEKE vereint Christen evangelischen Glaubens von Norwegen bis Griechenland und von Portugal bis Russland. Auf der Tagung soll auch eine Verständigung mit den europäischen Anglikanern und den lutherischen Kirchen in Schweden, Finnland und Island gesucht werden, die dem Dachverband bisher nicht angehören. Auch werde Kontakt mit den rasch wachsenden Pfingstkirchen gesucht, hieß es.

Bei der Tagung soll zudem über den weiteren Dialog mit den Orthodoxen beraten werden. Im Gespräch mit den Ostkirchen erhofft sich die GEKE mittelfristig die gegenseitige Anerkennung der Taufe. Mit den Baptisten werden zurzeit Gespräche über Differenzen in der Tauflehre geführt. Die Baptisten erkennen die in den meisten Kirchen praktizierte Säuglingstaufe nicht an, sie taufen nur erwachsene Gläubige. Hier soll der Gegensatz entschärft werden. Zudem stehen sozialethische Themen wie die Situation im Nahen Osten oder die wirtschaftlichen Folgen der Globalisierung auf der Tagesordnung.

11. September 2006


"Solides evangelisches Netzwerk"

In Budapest tagt von diesem Dienstag an die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa

Von Stephan Cezanne (epd)

Budapest/Frankfurt a.M. (epd). Das Ziel der Ökumene ist die Abendmahlsgemeinschaft zwischen Protestanten und Katholiken. Doch die Kirchengeschichte mahnt zur Geduld. Mehr als 450 Jahre dauerte es, bis die Spaltung zwischen lutherischen und reformierten Kirchen ein Ende fand. Die evangelischen Kirchen - darunter auch vorreformatorische Bewegungen wie Waldenser und Böhmische Brüder - gewähren einander erst seit 1973 mit einer auf dem Leuenberg bei Basel unterzeichneten Erklärung Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft.

Aus dieser Leuenberger Kirchengemeinschaft entstand 2003 die "Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa" (GEKE). Ihr gehören heute rund 105 protestantische Kirchen an. Zu ihrer sechsten Vollversammlung kommen die GEKE-Mitgliedskirchen von diesem Dienstag an bis 18. September in Budapest (Ungarn) unter dem Thema "Gemeinschaft gestalten - Evangelisches Profil in Europa" zusammen.

Die Tagung hat vor allem ein Ziel: Die Stärkung des Protestantismus auf europäischer Ebene. Dies ist anscheinend auch nötig. Auf der Ebene der EU und der europäischen Politik bleiben die Aktivitäten der Kirchen - auch der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) - weithin unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, moniert etwa der Wiener evangelische Theologieprofessor Ulrich Körtner.

Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa sei ein "solides evangelisches Netzwerk, aber noch keine Gemeinschaft, die in der Lage wäre, die Vielfalt ihrer Stimmen zu bündeln", räumt das GEKE-Präsidiumsmitglied, Thomas Wipf (Bern), ein. Der Ratspräsident des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes erwartet von der Budapester Tagung daher eine Stärkung nach innen und nach außen.

Die GEKE-Konferenz solle "deutliche Impulse für das Zusammenleben der Völker Europas" liefern, ergänzt der Theologieprofessor Michael Beintker (Münster) vom GEKE-Vorstand. Aufgabe der Tagung sei auch die Pflege einer gemeinsamen evangelischen Spiritualität.

Es bestehe auch Anlass, mit den rasch wachsenden Pfingstkirchen und anderen evangelikalen Kirchen sowie mit der römisch-katholischen Kirche Kontakt aufzunehmen, betont Wilhelm Hüffmeier. Der Leiter des GEKE-Sekretariats in Berlin hofft zudem auf eine Verständigung mit Anglikanern, lutherischen Kirchen in Schweden, Finnland und Island sowie mit den Baptisten. Der Dialog mit der Orthodoxie könne zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe führen, ist Hüffmeier optimistisch.

Die Präsidentin der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, die Straßburger Theologieprofessorin Elisabeth Parmentier, wirbt für einen selbstbewussten Protestantismus. Ziel der Dialoge mit den christlichen Kirchen sei "die Einheit der einen, heiligen christlichen Kirche zu leben". Dies sei nach reformatorischem Verständnis jedoch nicht möglich als "Rückkehr nach Rom oder nach Konstantinopel", wenn man die orthodoxen Kirchen mit einschließt.

Zur Stärkung der evangelischen Sache soll auch das Thema Bildung eine wichtige Rolle in Budapest spielen: "Die Ausstrahlung des Protestantismus wird nämlich maßgeblich von der Qualität der theologischen Ausbildung beeinflusst und mitbestimmt", betont Beintker. Aber vor allem, so Parmentier, wollen die evangelischen Kirchen in der ungarischen Hauptstadt enger zusammenrücken, um in Zukunft zu wichtigen gesellschaftlichen Themen - wie etwa Gentechnik, Sozialethik oder die ethische Beurteilung des Einsatzes militärischer Mittel etwa im Nahost-Konflikt - mit einer Stimme zu sprechen.

Einstimmigkeit, die in der römisch-katholischen Kirche durch das Amt des Papstes sicher gestellt ist, wäre allerdings unevangelisch, gibt Hüffmeier zu bedenken: "Protestantismus heißt eben auch - und das in einem sehr positiven Sinn - Vielstimmigkeit."

11. September 2006

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