Denkmalpflege-Forum: Warnung vor Aufgabe von Kirchen

Theologe: "Signal des Rückzugs"

Pastor gegen Umwandlung in Moschee

Berlin (epd). Der Evangelische Kirchbautag hat Politik, Wirtschaft und Bürger aufgefordert, sich finanziell am Erhalt von Kirchen zu beteiligen. Die gesamte Gesellschaft habe eine Mitverantwortung für das christliche Kulturerbe, erklärte der Präsident des Verbandes und frühere Hauptpastor am Hamburger Michel, Helge Adolphsen, auf dem 3. Denkmalpflege-Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung am Montagabend. Thema war die Umwidmung von Kirchenbauten. "Intensive Nutzung ist der beste Schutz vor Verfall und Entwidmung", so Adolphsen.

Grundsätzlich sollten keine Kirchen aufgegeben werden, betonte der Theologe. Die Aufgabe von Kirchen sei ein "Signal des Rückzugs". Kirchen preiszugeben "bedeutet immer die Preisgabe sehr persönlicher Beziehungen von Menschen zu ihrer Tauf-, Konfirmations-, Trau-, Beerdigungs- und Gottesdienstkirche, der sie religiös und emotional tief verbunden sind", so Adolphsen laut vorab verbreitetem Redemanuskript. Es bedeute zugleich die Aufgabe der öffentlichen Präsenz von Kirche und die Aufgabe sichtbarer Religion.

Angemessen für eine stärkere öffentliche Nutzung von Kirchen seien kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte oder Ausstellungen. Es gebe hier aber auch Grenzen: "Partys, Modenschauen mit Damendessous, Gala-Dinner, Techno-Nächte, Jugendweihen sind Formen einer unverträglichen und unerträglichen Nutzung." Dazu gehöre auch die Umwandlung in ein Fitness-Studio, eine Disco, Teppichlager oder Autowerkstatt, so der Kirchbau-Experte. Missdeutbare Veranstaltungen fügten der der Kirche schweren Schaden zu und erweckten den Eindruck, dass die Kirche sich selbst nicht ernst nehme oder ihre Identität aufgebe.

Erfahrungen in den siebziger Jahren in Holland seien ein warnendes Beispiel. Dort habe die Aufgabe von Kirchen zu einem deutlichen Rückgang der Gemeindeglieder geführt, so Adolphsen. Er machte zudem deutlich, dass die Umwandlung in eine Moschee von evangelischer und katholischer Seite gemeinsam abgelehnt werde. "So lange in islamischen Ländern keine christlichen Kirchen gebaut werden dürfen, sollten wir zurückhaltend sein." Dagegen sei es zu begrüßen, wenn eine Kirche in eine Synagoge umgewandelt wird. "Im jüdischen Glauben haben wir Christen unsere Wurzeln."

Vor dem Verkauf von Kirchen sollten Mitarbeiterwohnungen, Pfarrhäuser und Gemeindehäuser aufgegeben und mit dem Erlös Kirchen erhalten und unterhalten werden. Die evangelische Kirche habe mit ihren Kirchengebäuden ein hohes Gut übernommen. "Sie sind vielleicht der größte kulturelle Reichtum in unseren Händen." Der Evangelische Kirchbautag berät die Gemeinden unter anderem bei Fragen zur Kirchenarchitektur und der kirchlichen Kunst sowie bei Fragen von Nutzung und Nutzungsänderung von Kirchen.

29. August 2006

VELKD-Veröffentlichung zur Entwidmung von Kirchengebäuden


CSU-Politikerin: Staat soll Kirchen beim Denkmalschutz helfen

Berlin (epd). Für mehr staatliche Hilfe zum Erhalt der kirchlichen Kulturdenkmäler hat Renate Blank, Präsidiumsmitglied des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, aufgerufen. Wenn Deutschland sein christliches Kulturerbe bewahren wolle, müsse sich das Gemeinwesen zu konkreter Unterstützung entschließen, sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete am Dienstag auf dem 3. Denkmalpflege-Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Dies dulde keinen Aufschub. Thema der Tagung ist die Umwidmung von Kirchen.

Die Kulturkompetenz einer Nation sei für ihr zivilisiertes Überleben mindestens ebenso wichtig wie eine funktionierende Volkswirtschaft, fügte Blank hinzu: "Ich halte es für dringend geboten, dass in Kultur- und Gesellschaftspolitik mehr Gespür dafür erwacht, welch wichtigen kulturellen Faktor das kirchliche Kulturengagement für unser Land darstellt." Die Kirchen leisteten einen Beitrag für das "kulturelle Gedächtnis" Europas, von dem nicht nur praktizierende Kirchgänger, sondern alle Mitglieder der Gesellschaft profitierten.

Für die Finanzierung für ihr Kulturgut müssten die Kirchen mittlerweile zum größten Teil aus eigener Kraft aufkommen. Die Ursachen für das Leerstehen von Kirchengebäuden und Defizite bei der Instandsetzung liegen nach Ansicht der CSU-Politikerin auf mehreren Ebenen: "Weniger Priester, weniger Gläubige und weniger Kirchensteuergeld zwingen die Bistümer und Landeskirchen zur Verkleinerung der Gemeinden, der Kirchenstandorte, des sakralen und profanen Gebäudebestandes."

Mit den zu erwartenden demographischen Veränderungen werde sich das Problem der Kirchen, ihren umfangreichen Immobilienbestand zu unterhalten, vermutlich weiter verschärfen, so Blank. Doch Kirchengebäude hätten eine hohe Relevanz für die Stadtentwicklung. Das gesellschaftliche Engagement der Kirchen trage maßgeblich zur sozialen Stabilisierung von ganzen Stadtteilen bei. Blank: "An dem Erhalt und einer städtebaulich verträglichen Weiternutzung von Kirchengebäuden besteht daher ein öffentliches Interesse."

29. August 2006


Was tun mit scheinbar überflüssigen Kirchen? - Debatte über neue Nutzung von Gotteshäusern

Von Stephan Cezanne (epd)

Frankfurt a.M. (epd). In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gibt es über 21.000 Kirchen. Vor allem in Ostdeutschland sind viele von unwiderruflicher Zerstörung bedroht, wenn nicht schnelle Hilfe kommt. Den Renovierungsbedarf für alle Kirchen schätzt die EKD auf etwa sechs Milliarden Euro. Die Gemeinden können diese Baulast nicht mehr tragen. Neben den zurückgehenden Finanzen stellt auch die abnehmende Zahl der Kirchenmitglieder die Notwendigkeit der ein oder andere Kirchen in Frage - beides für die EKD die größte Herausforderung in den kommenden Jahrzehnten.

Auch auf katholischer Seite besteht ein akuter Handlungsbedarf. Die Deutsche Bischofskonferenz rechnet damit, dass in den nächsten zehn Jahren etwa 700 ihrer insgesamt rund 24.500 Kirchengebäude nicht mehr für Gottesdienste genutzt werden. Zwischen 1990 und 2004 sei in rund 1,7 Prozent der katholischen Kirchen in den deutschen Bistümern die liturgische Nutzung beendet worden, heißt es in einer aktuellen Statistik. Mit rund 1,3 Prozent verblieb der größte Teil im Eigentum der Kirche. Der Rest wurde verkauft oder abgerissen.

"Was also tun mit den scheinbar überflüssigen Kirchen? Sie entwidmen und anderen Zwecken zuführen?" Dies fragt der Präsident des Evangelischen Kirchbautages, Helge Adolphsen, auf dem bis diesen Mittwoch tagenden Denkmalpflege-Forum der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin. Adolphsen, früherer Hamburger Hauptpastor am Michel, warnt eindringlich davor, Kirchen aufzugeben. Dies sei ein "Signal des Rückzugs".  Eine Kirche, die ihre Kirchengebäude aufgebe, gebe auch ihre Geschichte und ein Stück gemeinsamer Kultur auf, sagt Adolphsen: "Denn Kirchen überdauern."

Für die Finanzierung aber müssten die Kirchen größtenteils aus eigener Kraft aufkommen, beklagt die Bundestagsabgeordnete Renate Blank (CSU), Präsidiumsmitglied des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz. Problematisch sei zugleich das Missverhältnis von Zuschuss und Steuerlast. Die kirchliche Denkmalpflege habe in Form von Umsatzsteuer auf Arbeiten von Fachbetrieben in den vergangenen Jahrzehnten die Steuereinnahmen des Staates gesteigert  und zwar um ein Vielfaches dessen, was sie als Subventionen in Anspruch nehmen konnte. Blank plädiert daher für mehr staatliche Hilfe zum Erhalt der kirchlichen Kulturdenkmäler.

Bei Geldnot sollten zuerst Pfarrhäuser und Gemeindehäuser aufgegeben und mit dem Erlös Kirchen erhalten und unterhalten werden, schlägt  Adolphsen vor. Ein gutes Beispiel dafür sei die St.-Nikolai-Kirche in Kiel am Alten Markt: "Gemeindehaus und Pfarrhaus wurden verkauft, der Pastor hat sein Amtszimmer in der Kirche, in der ehemaligen Sakristei sitzt die Sekretärin. Eine Küche wurde verdeckt eingebaut und ein Anbau als Gemeinderaum fertiggestellt. Die Kirche wurde zum erkennbaren Zentralbau und ort der Gemeinde." Adolphsen tritt auch für eine starke öffentliche Nutzung von Kirchen durch Konzerte oder Ausstellungen ein.

Für den Fall, dass alles nicht mehr hilft, hat die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschland (VELKD) bereits ein Ritual für den Abschied von einem Kirchengebäude entwickelt. Abendmahlskelche, Leuchter, Kerzen und Taufschale werden dabei symbolisch hinausgetragen. Die Kirche wird abgeschlossen, die Entwidmung besiegelt. Er hoffe, so der Leitende VELKD-Bischof, der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich, "dass die liturgische Hilfe für diesen Fall nur sehr selten benötigt wird."

29. August 2006

VELKD-Veröffentlichung zur Entwidmung von Kirchengebäuden

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