Erinnerung als Quelle der Versöhnung

Kirchen haben einen grenzüberschreitenden ökumenischen "Versöhnungsweg" eingerichtet

Von Alexander Lang (epd)

Kehl/Straßburg (epd). Jahrhundertelang bekämpften sich die "Erbfeinde" bis aufs Blut. Versöhnung schien unmöglich. Zu tief waren die Wunden, die sich Deutsche und Franzosen in zahlreichen Kriegen geschlagen hatten. Doch nach den Katastrophen der beiden Weltkriege haben sich die Menschen beiderseits des Rheins endlich auf den Weg gemacht. Schritt für Schritt bewegen sie sich aufeinander zu.

Die evangelischen und katholischen Kirchen von Straßburg und Kehl fördern die Aussöhnung zwischen den lange verfeindeten Nationen mit einem besonderen Projekt: Anlässlich der ersten grenzüberschreitenden Gartenschau zwischen der alten badischen Grenz- und Festungsstadt Kehl und der Europametropole Straßburg im Jahr 2004 richteten sie einen ökumenischen "Weg der Versöhnung" ein.

Rund vier Kilometer lang ist die Strecke entlang des Rheinufers, auf der elf Stätten der Erinnerung und des Gedenkens das wohl dunkelste Kapitel der deutsch-französischen Geschichte thematisieren: die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Auch die noch junge Geschichte der Versöhnung und des Friedens zwischen beiden Völkern wird dokumentiert. "Die Menschen von Kehl und Straßburg betrachten den Fluss nicht mehr als trennende Grenze", sagt der katholische Ruhestandspfarrer Alban Meier, Mitinitiator des "Versöhnungswegs". "Das war vor einigen Jahren noch undenkbar."

Die Kirchen auf beiden Seiten des Rheins sehen es als ihre vorrangige Aufgabe an, Deutsche und Franzosen zu versöhnen, sagt sein evangelischer Kollege, der pfälzische Binnenschiffer-Seelsorger Heino Pönitz. Seit rund 15 Jahren kooperieren sie in einer grenzüberschreitenden ökumenischen Arbeitsgruppe. "Ohne Erinnerung an die dunklen Seiten der Geschichte gibt es keine Versöhnung und keinen Frieden", glaubt Pönitz.

Heute wächst die Region Kehl-Straßburg immer mehr zusammen. Die im Jahr 2003 von der deutschen und der französischen Regierung beschlossene Gründung eines "Eurodistrikts Straßburg-Ortenau" soll den Anstoß für die Entwicklung einer europäischen Metropole mit rund einer Million Einwohnern geben. Trotz aller Fortschritte bestehen noch immer Vorurteile zwischen den Menschen, berichtet Meier. "Auch das Sprachproblem nimmt zu."

Deshalb haben die Bürger Kehls und Straßburgs Brücken zueinander geschlagen. Die 1960 erbaute Europabrücke und die neue "Passerelle des deux Rives", die einzige Rheinbrücke zwischen Deutschland und Frankreich für Fußgänger und Radfahrer, verbinden nicht nur die beiden Städte. Sie sind auch Ausgangs- und Endpunkt des "Versöhnungswegs", der sich durch das Naherholungsgebiet der "Garten der zwei Ufer" windet.

Am badischen Rheinufer lädt ein biblischer Garten als ein Ort des Friedens und der Erholung zum Verweilen ein. 17 Stelen aus Buntsandstein stellen Themen des Alten und des Neuen Testaments dar, vom verloren gegangenen Paradies bis zur Verheißung des neuen Jerusalem. Die meisten Stätten der Erinnerung finden sich auf französischer Seite. "Die Verdrängung der Geschichte ist auf deutscher Seite wohl stärker", nennt Pfarrer Pönitz den Grund. Zahlreiche Gedenksteine erinnern an elsässische Widerstandskämpfer, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Auch die Jugendherbergen beiderseits des Rheins sind als eigene Stationen ausgewiesen. Sie könnten dazu beitragen, dass sich junge Menschen besser kennen lernen und verstehen, ist Pfarrer Meier überzeugt. Auch wenn sich Deutsche und Franzosen näher gekommen sind: Der Weg zu einer friedlicheren Welt ist noch weit, sagt er. "Versöhnung bleibt immer eine Aufgabe."

Eine Broschüre über den "Versöhnungsweg" ist bei der ökumenischen grenzüberschreitenden Arbeitsgruppe der Straßburger und Kehler Kirchen kostenlos unter Telefon: 07851-74040 oder beim Verkehrsamt Kehl, Telefon: 07851/88-226, erhältlich. Führungen bietet Pfarrer Alban Meier an, Telefon: 07851/484456.

14. August 2006

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