Seelsorge zwischen Manege und Jahrmarktbude

Pfarrer Horst Heinrich betreut Zirkusleute und Schausteller im Südwesten

Von Alexander Lang (epd)

Haßloch (epd). Die Welt der Zirkusleute und Schausteller: Der Duft von Sägespänen, artistische Glanzleistungen, rasante Achterbahnen, immer lächelnde Clowns. "Das ist alles nur Romantik", winkt Horst Heinrich ab, "die Wirklichkeit ist für die Menschen oft sehr hart." Rund 200 Tage im Jahr ist der evangelische Pfarrer im deutschen Südwesten auf der Straße unterwegs, trifft die "fahrenden Leute", wenn das Licht in der Manege erloschen und die Fahrgeschäfte und Jahrmarktbuden geschlossen sind.

"Die Existenzängste und der Konkurrenzdruck sind für Zirkusleute und Schausteller stärker geworden", berichtet der 57-jährige Zirkus- und Schaustellerseelsorger bei einem Zwischenstopp im pfälzischen Freizeitpark "Holiday Park" in Haßloch. Ein ökumenischer Abendgottesdienst mit seinem katholischen Amtskollegen auf einer Zeltbühne steht auf dem Programm. Zuvor schaut der Pfarrer bei den Artisten und dem Personal des Freizeitparks auf ein paar Worte vorbei.

Oft haben seine Gemeindemitglieder, die im Unterhaltungs- und Freizeitgewerbe arbeiten, nichts zu lachen, berichtet der bärtige Mann mit dem Knopf im Ohr, der manchmal als Freizeit-Clown auftritt. Seit dreieinhalb Jahren ist der Pfarrer aus dem württembergischen Balingen einer von drei Mitarbeitern der "Circus- und Schaustellerseelsorge" der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zwei weitere landeskirchliche Beauftragte gibt es in Hessen, insgesamt werden bundesweit rund 23.000 Artisten und Schausteller seelsorgerlich betreut.

Weil bei vielen Bürgern das Geld für den Freizeitspaß nicht mehr so locker sitze, kämpften viele Zirkusse und Schaustellerbetriebe ums wirtschaftliche Überleben, berichtet der frühere Militärpfarrer Heinrich. Auch das ständige "Auf Achse sein" fordere seinen Tribut bei den Menschen, die ein starkes Gemeinschaftsgefühl verbinde: Immer mehr Kinder und Jugendliche versuchten aus dem engen Lebens- und Arbeitsfeld ihrer Familienverbände auszubrechen. Auch führe das Reiseleben im engen Wohnwagen oft zu Problemen in der Schule und im Miteinander.

Die meisten Zirkusleute und Schausteller haben die Kirche gerne bei sich zu Gast, erzählen Heinrich und sein katholischer Kollege Martin Fuchs. Mit einigen Mitarbeitern betreut er rund 75.000 katholische Gemeindeglieder in ganz Deutschland. Für die Menschen unterwegs spiele der Glaube eine wichtige Rolle, betonen die Pfarrer. Er gebe Halt in einer Welt, in der Artisten und Schausteller noch immer ausgrenzt und angefeindet würden. "Natürlich schmerzen Sprüche wie 'Häng die Wäsche weg, der Zirkus kommt'", sagt Heinrich.

Seine Klientel sei meist nicht an eine Kirchengemeinde gebunden. Enge Terminpläne mit Volksfesten und Tourneen machten dies für die meisten Zirkusleute und Schausteller unmöglich. Ausdruck ihrer Religiosität sei vielmehr "das Bewusstsein, dass Gott mit den Menschen unterwegs ist", sagt Heinrich. Von der Kirche erwarteten sie neben dem seelsorgerlichen Gespräch vor allem eine Begleitung an den Lebenswenden: Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen.

Der Dienst der Zirkuspfarrer ist innerkirchlich umstritten, erzählt Heinrich. "Wir sind die bunten Vögel." Hin und wieder gebe es Anfeindungen von Pfarrerskollegen, die ihr Unverständnis darüber äußerten, "dass man sich um diese Leute kümmert". Doch gerade bei Zirkusleuten und Schaustellern könne die Kirche ihren Anspruch erfüllen, Menschen auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Auf dem Kirmesplatz erreiche die Kirche mehr Menschen als im Gottesdienst. "Diese Chance wird unterschätzt."


27. Juli 2006