Pastorin tauft mit nassen Füßen

Im Sommer zieht es Tauffamilien an Flüsse, Seen und ans Meer

Von Karen Miether (epd)

Lüneburg (epd). Pastorin Claudia Jürgens hat ihren Talar ausgezogen und steigt im kurzen Leinenkleid in die Ilmenau bei Lüneburg. "Der Talar saugt sich sonst voll", sagt die 32-Jährige, die bis zu den Waden im Wasser steht. Auch Dörte Meyer-Sievert bekommt nasse Füße. Sie hält ihren Sohn Lars Bennet im Arm, den die Pastorin gleich mit Flusswasser taufen wird. Im Sommer zieht es immer häufiger Taufgesellschaften an die freie Luft, an Flüsse, Seen, das Meer oder gar ins Freibad.

Jürgens steht in der Ilmenau, schöpft das Wasser mit der Hand und benetzt dreimal die Stirn von Lars Bennet. "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." Später tauft die evangelische Pastorin noch 13 weitere Kinder. Die Ilmenau ist im Sommer nur hüfttief. Doch auch in großen Gewässern wird getauft.

So sind in Fliegenberg bei Hamburg erst vor kurzem elf Kinder und Erwachsene mit Pastor Christoph Herbold zu ihrer Taufe in die Elbe gestiegen. Hochkonjunktur haben die Gottesdienste, zu denen die Urlauberseelsorgerin Sigrun König an die Ostsee bei Laboe einlädt. "In diesem Sommer gibt es 48 Täuflinge", erzählt sie. "Am Strand ist die Hemmschwelle niedriger. Die Menschen, von denen manche jahrelang in keiner Kirche waren, müssen hier keine Mauern überwinden."

In der freien Natur erscheine die Feier vielen lockerer, sagt Pastor Matthias Freiknecht, der im niedersächsischen Hohne bei Celle im Kinderbecken eines Freibades getauft hat. Auch an diesem ungewöhnlichen Ort muss der Gottesdienst würdig gestaltet sein, findet er. So ist am Beckenrand ein geschmückter Altar aufgebaut. Das Wasser ist nicht gechlort, und während der Taufe bleibt das Becken auch bei Hitze für Badegäste gesperrt.

Viele Flusstaufen nehmen Bezug auf die biblische Überlieferung, nach der Johannes der Täufer Jesus im Jordan getauft hat. Auch die ersten Christen tauften in Flüssen und an Quellen. Aber mit welchem Wasser getauft werde, spiele eigentlich keine Rolle, sagt der Göttinger Theologie-Professor Jan Hermelink: "Es geht um das Zeichen."

Das Wasser symbolisiere zum einen das Reinigen von Sünden, erläutert der evangelische Theologe. Zum anderen stehe es für die Erfahrung des Untertauchens und des Sterbens. "Es ist außerdem ein Zeichen für das Leben", sagt er. Die Taufe verdeutliche damit die Verbindung zu Christus, seinem Tod und seiner Auferstehung.

Am Strom, der durch seine Gemeinde fließt, sei davon etwas spürbar, sagt Elbpastor Christoph Herbold. Die Elbe, Hochwasser und Flut spielten eine große Rolle für den Ort Fliegenberg, der hinter einem acht Meter hohem Deich liegt. Das Wasser habe die Menschen geprägt. Das sei ein Grund dafür, einmal im Jahr ein Tauffest am Fluss zu feiern.

Claudia Jürgens predigt an der Ilmenau über den Halt, den Gott geben könne. Feuerwehrleute haben Bänke für die vielen Besucher an die Bucht getragen. Mächtige Eichen spenden Schatten. Dörte Meyer-Sievert verbindet positive Erinnerungen mit dem Fluss in ihrem Heimatort: "Als Kind habe ich hier gebadet." Jetzt steht in der Taufurkunde ihres Sohnes Lars Bennet "Taufe an der Ilmenau".


19. Juli 2006

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