Gemeindehaus am Strand - Pfarrer in der Urlaubsseelsorge

Von Cindy Radecki (epd)

Unna/Lünen (epd). Für Pfarrer Helmut Schwalbe ist es "eine andere Form von Urlaub": Er ist in der Feriengegend, "aber Urlaub wie man es kennt mit Füße hochlegen und Abstand zum Alltag gewinnen, das ist es auch wieder nicht". Schwalbe betreut wie viele seiner Kollegen dieses Jahr Urlauber in ihren Ferienorten.

Dort übernehmen die Seelsorger oft auch die Aufgaben der Ortspfarrer wie Gottesdienste, Trauungen, Taufen oder Beerdigungen. Insgesamt rund 170 Pfarrer der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind auf diese Weise jeweils für zwei bis vier Wochen im Kurzeinsatz, etwa am Mittelmeer, an der Nordsee, im Baltikum, in den Alpen oder in Ungarn. Viele der Theologen fahren mehr als einmal zur Seelsorge ins Ausland.

So war Schwalbe, der im Alltag Pfarrer im nordrhein-westfälischen Unna ist, bereits fünf Mal auf der schwedischen Insel Gotland. Dieses Jahr fährt er erstmals nach Südtirol, in die beiden Orte Bruneck und Sexten. Doch nicht nur der Arbeitsort, sondern auch die Aufgaben in der Urlaubsseelsorge sind andere. Neben den Gottesdiensten werden unter anderem Wanderungen und Gespräche angeboten.

Im Urlaub seien viele Menschen offener, erläutert Schwalbe. Sie sprechen über Dinge, die sie ihrem Ortspfarrer nicht erzählen würden. "Es hilft den Menschen, wenn sie mit jemandem sprechen, den sie im Alltag nicht wiedersehen." Theologe Udo Kytzia, in diesem Jahr wieder auf der Ferieninsel Spiekeroog, erlebt das ähnlich. "Urlaub öffnet den Menschen die Augen für eine andere Lebensperspektive", sagt der Pfarrer aus Lünen (NRW). Sie könnten den Urlaub nutzen, um zu sich selbst zu finden. "Und dabei kann ich als Kurpfarrer natürlich helfen."

Urlauber seien offener für Themen, mit denen sie sich im Alltag nicht beschäftigten - auch für die Frage, ob der eigene Beruf ausfüllt und glücklich macht. "Die Probleme der Menschen sind im Urlaub nicht andere, aber sie finden einen anderen Zugang dazu", sagt Kytzia. Er kümmert sich schon im dritten Jahr auf der Nordseeinsel Spiekeroog um Menschen im Kururlaub. Die Andachten, Gottesdienste und Gesprächsrunden werden von ganz verschiedenen Menschen mit unterschiedlich starker Verbindung zur Kirche wahrgenommen.

Die Urlaubsseelsorge gilt zur Hälfte als Arbeitszeit, der Rest wird mit dem Jahresurlaub verrechnet. Die Mischung passt Kytzia recht gut. Als Kurpfarrer habe er Pflichten, aber auch Freiräume. Am Hauptstrand von Spiekeroog steht zum Beispiel ein ökumenischer Kirchenkorb mit vielen Informationen. Der Pfarrer steht dort für Fragen zur Verfügung, kann aber auch mal schwimmen gehen. In diesem Rahmen seien zwar kaum ernste Gespräche möglich, die Kirche sei aber auch in dieser Freizeitsituation präsent, erklärt der Seelsorger.

Die Zusammenarbeit mit den Ortspfarrern funktioniert in der Regel reibungslos. In ganz Südtirol gebe es nur zwei bis drei evangelische Pfarrer, sagt Schwalbe. Daher könnten gar nicht in allen Kirchen jeden Sonntag Gottesdienste stattfinden. Der Gottesdienst des Urlaubspfarrers sei auf diese Weise auch für die Einheimischen eine Möglichkeit, zumindest im Sommer jeden Sonntag einen Gottesdienst zu besuchen.


17. Juli 2006

 

Weitere epd-Meldungen