Religion zwischen Diplomatie und Abgrenzung

Welt-Religionsgipfel in Moskau beendet

Bekenntnis zu Dialog und Zusammenarbeit

Von Karsten Packeiser (epd)

Moskau (epd). Eine Hand voll strenggläubiger Großmütterchen hatte vor dem Moskauer "Präsident"-Hotel Psalme gesungen, um das Schlimmste zu verhindern. In fundamentalistisch-orthodoxen Kreisen war das Gerücht umgegangen, der am Mittwoch zu Ende gegangene Weltreligions-Gipfel in der russischen Hauptstadt könnte mit der Verkündung eines einheitlichen Glaubens enden. Doch daran dachten Teilnehmer und Organisatoren vom Moskauer Patriarchat nicht einmal im Traum.

Drei Tage lang hatten geistliche Würdenträger aus knapp 50 Ländern der Erde über Terrorismus, eine faire Wirtschaftsordnung, Bildung und Glaubensfreiheit diskutiert. Schiitische Mullahs waren der Einladung nach Russland ebenso gefolgt wie buddhistische Lamas und protestantische Bischöfe. Am Ende der Arbeit verabschiedeten die Teilnehmer eine Abschlusserklärung für die G-8-Staats- und Regierungschefs, in der sie sich für eine gerechtere Welt einsetzen.

Auf Details wird in dem dreiseitigen, extrem allgemein gehaltenen Papier vollständig verzichtet. "Dabei hatten wir sehr darauf gehofft, dass das Recht aller Nationen auf die Nutzung der Atomenergie und die Anreicherung von Uran in das Abschlussdokument eingeht", bedauerte der iranische Ajatollah Mohammad Ali Tashiri.

Auch eine echte Diskussion über die Erklärung gab es nicht. Die Kirchenführer aus aller Welt trugen in Moskau lediglich nacheinander ihre Statements vor. Zu mehr hätte die vorhandene Zeit ohnehin nicht gereicht. "Vielleicht entspricht diese Form der Arbeit aber auch eher den russischen Traditionen", spekulierte eine westliche Teilnehmerin.

Formal wurde der Moskauer Gipfel vom "Interreligiösen Rat Russlands" organisiert. Doch die maßgebliche Gastgeberrolle fiel dem Moskauer Patriarchat zu. Während unter den geladenen orthodoxen Gästen Streitigkeiten über die Sitzordnung im Tagungssaal ausbrachen, konnte Kirchenoberhaupt Alexij II. seinen Führungsanspruch innerhalb der orthodoxen Welt unterstreichen - vor allem gegenüber dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I., der in Moskau fehlte und mit dem sich die russische Kirche unlängst wegen der Zukunft des orthodoxen Bistums in Großbritannien zerstritten hatte.

Im Vorfeld des Petersburger G-8-Gipfels nutzte auch der Kreml das religiöse Spitzentreffen, um im Ausland Punkte zu sammeln. Bei der Eröffnung warnte der russische Präsident Wladimir Putin in einem Grußwort vor einem Verfall ethischer Werte und einer drohenden Konfrontation zwischen christlicher und islamischer Welt.

Zugleich würdigte Putin die "Jahrhunderte alten Erfahrungen Russlands auf dem Gebiet des Dialogs zwischen den Zivilisationen". Auch die Gästeliste war den Wünschen der russischen Regierung angepasst worden: So hatte der Dalai Lama keine Einladung nach Russland erhalten. Mit dem Chef der chinesischen Religionsbehörde traf sich Patriarch Alexij stattdessen sogar zu einer separaten Begegnung.

Der Dialog zwischen den Religionen müsse von politischen Großereignissen wie dem G-8-Gipfel abgekoppelt werden, forderte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, am Rande des Gipfels. An einer Fortsetzung der in Moskau begonnenen Gespräche zeigten sich Christen, Muslime, Juden und Buddhisten in gleichem Maße interessiert, zumal die Differenzen zwischen den Konfessionen nicht geringer werden.

Fragen wie die Einstellung zur Homosexualität würden derzeit immer neue Probleme im Verhältnis zu den evangelischen Kirchen aufwerfen, sagte etwa der katholische Kurienkardinal Walter Kasper. "Wir werden natürlich weiter mit den Protestanten reden, aber dabei unsere Position ganz deutlich zum Ausdruck bringen", kündigte er an.

06. Juli 2006

Die Gemeinsame Erklärung der Religionsführer (in englischer Sprache)