Deutscher Pfarrer in São Paulo macht Banden für Gewalt verantwortlich

Buenos Aires (epd). Der deutsche Gefangenenseelsorger Wilhelm Waldmann (65) in São Paulo hat kriminelle Banden für die Welle der Gewalt in der Stadt verantwortlich gemacht. Dabei kamen seit dem 12. Mai mehr als 150 Menschen ums Leben. An Feiertagen und Wochenenden dürften viele Gefangene auf Hafturlaub zu ihren Familien, sagte Waldmann in einem epd-Gespräch. Dabei stifteten sie im Auftrag ihrer Bandenchefs zu Gewalttaten an, um ihre im Gefängnis gemachten "Schulden" abzuzahlen. Auch Morde könnten auf diese Weise in Auftrag gegeben werden.

Der pensionierte Pfarrer, der seit zwei Jahren deutsche Häftlinge in São Paulo betreut, schilderte die Haftbedingungen in Brasilien als katastrophal. Die Zellen seien überfüllt, viele Gefangene schliefen auf dem Boden. Im Winter gebe es keine Heizung und in der Sommerhitze bei qualvoller Ende keine Klimaanlage, sagte er. Zurzeit kümmere er sich um 26 deutsche Gefangene im Bundesstaat São Paulo. Bisher habe er nicht gehört, dass Deutsche von den Gewalttaten betroffen seien.

Waldmann sagte, er stelle für die Häftlinge Kontakte zu ihren Familien her, kaufe aber auch Schokolade oder Seife für sie. Die meisten Gefangenen, um die er sich kümmere, seien als Drogenkuriere in Haft gekommen. Sie hätten versucht, Rauschgift nach Europa zu schmuggeln, zum Teil im eigenen Körper. Waldmann war 18 Jahre lang Gemeindepfarrer in São Paulo.

Aus Protest gegen die Verlegung von 765 Häftlingen in ein Hochsicherheitsgefängnis hatten Mitglieder krimineller Banden am 12. Mai eine Reihe von Gefängnismeutereien und Angriffen auf Polizeistationen begonnen. Als Anstifter gilt ein mächtiger Drogen- und Waffenhändlerring.

19. Mai 2006