Huber zum 85. Geburtstag von Frau Hamm-Brücher

Frühere FDP-Politikerin wird 85 Jahre alt

Hannover (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat Hildegard Hamm-Brücher als mutige Liberale und Protestantin gewürdigt. Durch ihr Eintreten gegen Mutlosigkeit, Politikverdrossenheit und Resignation sei sie zu einem Vorbild für viele geworden, schreibt Bischof Huber in einem Glückwunschreiben an die Politikerin, die an diesem Donnerstag 85 Jahre alt wird. In der Politik und in der Kirche habe Hamm-Brücher immer einen "Geist verantworteter Freiheit" verkörpert.

Huber erinnerte weiter an Begegnungen mit Hamm-Brücher im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages und im Kuratorium der Theodor-Heuss-Stiftung. Diese Zusammenarbeit habe er "stets als anregend, manchmal als herausfordernd und in der Summe als sehr bereichernd in Erinnerung".

Die frühere FDP-Politikerin war Mitglied im Bayerischen Landtag und im Bundestag, Staatssekretärin im hessischen Kultusministerium und Staatsministerin im Auswärtigen Amt. 1994 kandidierte Hamm-Brücher für das Bundespräsidentenamt gegen Roman Herzog und war viele Jahre im Parteivorstand der FDP. 2002 trat sie aus der Partei aus, weil sie den Kurs der FDP nicht mehr mittragen wollte.

In ihren politischen Ämtern hat sich Hamm-Brücher vor allem für eine liberale Bildungspolitik, eine aktive "Bürgergesellschaft" und Frauenfragen eingesetzt. Über die Politik hinaus war die evangelische Christin, auch in der Kirche engagiert: In ehrenamtlichen Funktionen gehörte sie der EKD-Synode, der bayerischen Landessynode und dem Präsidium des Kirchentags an.

10. Mai 2006

Portrait:

Vom "Mädle" zur "Grande Dame" der deutschen Politik

Von Achim Schmid (epd)

München (epd). Ihr ganzes Leben lang hat sich Hildegard Hamm-Brücher, die "Grande Dame" der deutschen Politik, an einem kleinen Bibelvers orientiert. Der Vers "Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten" aus Psalm 126 sei für sie "hoffungverheißender Wegweiser, Aufforderung und Zielsetzung", bekannte die streitbare Liberale und konsequente evangelische Christin kurz vor ihrem 85. Geburtstag, den sie am Donnerstag (11. Mai) feiern kann. Neben dieser religiösen Fundierung, die sie in hohen Kirchenämtern wie der EKD-Synode und dem Kirchentags-Präsidium und in ihrer Münchner Kirchengemeinde praktiziert, war für Hamm-Brücher die Nähe zur Widerstandsgruppe der "Weißen Rose" prägend.

In ihrer Jugend wurde Hildegard Brücher ganz persönlich mit der Schreckensherrschaft der Nazis konfrontiert. Nach dem frühen Tod der Eltern wuchs sie mit ihren beiden Geschwistern einige Jahre bei ihrer jüdischen Großmutter auf. Als "Halbjüdin" musste sie das renommierte Internat Salem verlassen, ihre Großmutter nahm sich das Leben, um der Verschleppung in ein KZ zu entgehen.

Während ihres Chemie-Studiums in München kam Hamm-Brücher in Kontakt zur "Bekennenden Kirche" und zu den Geschwistern Scholl. Das Vermächtnis dieser "tapferen Menschen" sei es, Verantwortung mitzutragen für eine "menschenwürdige staatliche und gesellschaftliche Ordnung", das eigene Gewissen zu schärfen und gegen Unrecht aufzubegehren, beschrieb Hildegard Hamm-Brücher die "Weiße Rose" als ihr persönliches Vorbild.

Für die Politik gewann der damalige Bundespräsident Theodor Heuss die frisch-promovierte Chemikerin mit der burschikosen Aufforderung "Mädle, Sie müsset in die Politik". Dieser Ermunterung folgte eine steile politische Laufbahn: Stadträtin in München, Mitglied des bayerischen Landtags, Staatssekretärin in Hessens Kultus- und im Bundesbildungsministerium, Staatsministerin im Auswärtigen Amt und viele Jahre Mitglied im Parteivorstand der FDP. 1994 trat sie gegen Roman Herzog bei der Bundespräsidenten-Wahl an.

Selbst in den höchsten politischen Ämtern blieb Hamm-Brücher ihren Überzeugungen und ihrer Linie treu. Mit der ganzen Kraft ihrer Persönlichkeit trat sie ein für eine aktive "Bürgergesellschaft", für Menschen in Notlagen, wie Asylbewerber, und vor allem für die Frauen in einem noch männlich dominierten Politik-Betrieb.

Noch heute ist sie stolz, dass sie als Mitglied des bayerischen evangelischen Kirchenparlaments entscheidend mithalf, gegen männliche Widerstände die "Frauenordination", den vollgültigen Zugang von Theologinnen zum Pfarramt, durchzufechten. Zu öffentlichem Selbstbewusstein der Frauen sollte auch der damals noch unübliche Doppelname beitragen, den Hildegard Brücher nach ihrer Hochzeit mit dem Münchner CSU-Stadtrat Erwin Hamm ganz bewusst wählte.

Auch in der großen Politik verfolgte Hamm-Brücher unbeirrt ihren Weg und eckte immer wieder an. Ihre standhafte Weigerung, das Misstrauensvotum gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt mitzutragen, führte sie in offene Konflikte mit der eigenen Partei. Wegen wachsender Differenzen zum FDP-Kurs trat Hamm-Brücher 2002 aus der Partei aus.

Bis ins hohe Alter hat sich Hamm-Brücher, die in ihrer Jugend eine begeisterte Geräte-Turnerin war, ihre Vitalität bewahrt. Bei der Präsentation des Buches "Münchner unter dem Himmel" im Valentin-Museum kletterte sie kürzlich ohne Zögern für ein Gruppenbild auf eine Bank.

10. Mai 2006

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