Bischof Huber betont religiöse Wurzeln der Gesellschaft

EKD-Ratsvorsitzender sieht "Trendwende" bei Gottesdienstbesuch

Hamburg (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat davor gewarnt, den Beitrag des christlichen Glaubens für die Gesellschaft zu unterschätzen. Ohne religiöse Bildung könne man die "Wurzeln unserer gesellschaftlichen Grundorientierung nicht verstehen", sagte der Berliner Bischof dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Nur die Religion erklärt mir, warum der Mensch seine Würde nie verlieren kann", sagte Huber in einem "Spiegel"-Gespräch.

Im Zusammenhang mit dem "Bündnis für Erziehung" der Bundesregierung und der beiden großen Kirchen wies Huber Vorwürfe zurück, die Kirchen nähmen zu viel Einfluss auf den Staat. "Das Gespräch zwischen Kirche und Staat ist ebenso wichtig wie vernünftig." Es beruhe auf der Voraussetzung wechselseitiger Unabhängigkeit. "Das fordert das deutsche System", sagte der Berliner Bischof zu dem von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der katholischen und evangelischen Kirche ins Leben gerufenen Bündnis.

Kritiker hatten bei dem "Bündnis für Erziehung" bemängelt, die Kirchen als Bündnispartner repräsentierten nur einen Teil des demokratischen Wertespektrums. Huber hielt dagegen, auch wenn das Gespräch mit Vertretern der Kirchen geführt wurde, dürfe man nicht daraus schließen, dass Gespräche mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ausbleiben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereite zurzeit ein Treffen mit Vertretern des Islam vor. Huber: "Ich werde mich nicht beschweren, dass sie nicht gleichzeitig mit den christlichen Kirchen redet."

Zur Integrationsdebatte äußerte sich Huber kritisch: "Es hat eine Vorstellung von Toleranz gegeben, die darauf hinauslief, sich dadurch als tolerant zu erweisen, dass man die eigenen Überzeugungen möglichst zurückstellt oder relativiert." Dies sei zwar ein bequemer Weg. Man dürfe Toleranz aber nicht so praktizieren, "dass wir auch den anderen gar nicht so genau zur Kenntnis nehmen."

Was den christlichen Glauben angeht, sieht Huber nach eigenen Worten eine "Trendwende". Die Kirchen seien "jetzt voller als sonst an Ostern und Weihnachten". Die Kernkompetenz der Kirchen bestehe in gut gemachten Gottesdiensten, gefeierter Frömmigkeit und einem gelebten Glauben. Nötig sei auch in Zukunft eine möglichst gute kirchliche Praxis in Gottesdienst und Seelsorge. Huber räumte ein, dass der "Versuch der Kirche, auf die Entwicklungen einer modernen Gesellschaft zu reagieren, auf Kosten des eigenen Profils gegangen ist, der eigenen Erkennbarkeit".

Der Beitrag wurde epd vorab im Wortlaut zur Verfügung gestellt

28. April 2006

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