EKD-Ratsvorsitzender Huber fordert neue Einstellung zur Familie

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat zu einer neuen Einstellung zur Familie aufgerufen. Die Mentalität in Deutschland müsse sich wieder ändern, um Menschen zu einem Leben mit Kindern zu ermutigen, sagte der Bischof am Dienstag in Berlin in einer Rede mit dem Titel "Familie haben alle. Für eine Zukunft mit Kindern".

Der Ratsvorsitzende warnte vor einer "kindsvergessenen Gesellschaft". Die Gesellschaft habe einen "Beruf zur Familie". Kein Gemeinwesen könne die Solidarleistungen ersetzen, die in Familien erbracht würden. Doch auch für den Einzelnen sei der Kontakt zu Kindern wichtig. "Wer verlernt, mit Kindern zu leben, versteigt sich in den Wahn, er lebe für sich allein", sagte der Berliner Bischof. Dabei betonte er, dass auch Kinderlose häufig an der Freude über Kinder teilnähmen. Das Patenamt habe eine ganz neue Funktion gewonnen.

In seiner Rede in der Französischen Friedrichstadtkirche am Berliner Gendarmenmarkt ging der oberste Repräsentant der EKD auch auf die aktuelle Debatte über die niedrige Geburtenrate in Deutschland ein. Viele Frauen empfänden die Diskussion als eine Last, die sich auf ihre Schultern lege. Die Frage, wie sich Beruf und Familie verbinden ließen, werde vor allem an die Frauen gerichtet. "In den Vorwürfen gegen erfolgreiche Frauen, die jetzt jenseits der vierzig sind und keine Kinder zur Welt gebracht haben, tobt sich ganz offensichtlich ein ungehemmter Sexismus aus", kritisierte Huber.

Es dürfe aber das Erreichte nicht wieder aufgegeben werden: Dass Frauen unabhängig von ihrem Familienstand erwerbstätig sein könnten. Es gelte vielmehr, die Rolle der Männer stärker in den Blick zu nehmen. Huber forderte eine Emanzipation der Männer mit Blick auf ihre Beteiligung an der Kindererziehung und Hausarbeit. Zugleich müsse die Frage geklärt werden, "ob Männern nach wie vor eine Familienzeit in tonangebenden Kreisen unseres Landes eher verübelt wird".

Neben einem Einstellungswandel sei aber auch Familienförderung entscheidend. Elternzeiten dürften nicht als Produktionsausfall und Schwangerschaften nicht als Krankheit betrachtet werden. Weil die frühkindliche Bildung so wichtig sei, plädierte Huber für gebührenfreie Kindergartenplätze. Das geplante Elterngeld komme einerseits Besserverdienenden eher zu Gute, andererseits sei es weltfremd, den Einschnitt zu verharmlosen, den die Geburt eines Kindes auch finanziell für ein Ehepaar darstelle. Gesetze und Tarifverträge müssten einem "Familien-TÜV" unterzogen werden. Für Frauen sei ein langfristiger Kündigungsschutz nach der Geburt ihrer Kinder wichtig.

Huber sprach sich darüber hinaus für den Schutz der Ehe und des ungeborenen Lebens aus. Der Lebensschutz müsse besser gelingen als bisher. Es sei ein notwendiger Schritt, dass den gesetzlich ermöglichten Spätabtreibungen ein Ende gemacht werde.

29. März 2006

Die Rede des EKD-Ratsvorsitzenden "Familie haben alle - für eine Zukunft mit Kindern" im Wortlaut


Staatssekretär teilt EKD-Aufruf zu neuer Einstellung zur Familie

Berlin (epd). Der Parlamentarische Staatssekretär im Familienministerium, Hermann Kues (CDU), hat die Forderung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt, die Einstellung zur Familie zu ändern. Wenn sich die Mentalitäten nicht änderten, könnten auch die familienpolitischen Instrumente nicht greifen, sagte Kues am Mittwoch dem epd in Berlin.

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hatte in einer Grundsatzrede am Dienstagabend für eine neue Einstellung zu Familien geworben, um Menschen zu einem Leben mit Kindern zu ermutigen. Huber warnte vor einer "kindsvergessenen Gesellschaft" und bezeichnete die Förderung von Familien als Aufgabe für die ganze Gesellschaft. In der aktuellen Debatte über die niedrige Geburtenrate dürfe die Verantwortung nicht allein den Frauen übertragen werden. Es gelte vielmehr, die Rolle der Männer stärker in den Blick zu nehmen.

"Huber hat der Debatte ein weiteres Fundament gegeben", sagte Kues. Er habe der Gesellschaft ins Gewissen geredet und die Grenzen der Familienpolitik aufgezeigt. Es müsse nicht nur über einzelne gesetzestechnische Änderungen gesprochen werden, sondern die Grundfrage beantwortet werden, "wie wir leben wollen", so der Staatssekretär.

Es sei deutlich geworden, dass eine isolierte frauenpolitische Sicht nicht weiterführe. Die Ausführungen Hubers zur Rolle der Männer hätten entlastenden Charakter für Väter, die in der Arbeitswelt häufig wenig Spielraum hätten, sagte Kues.

29. März 2006


SPD-Familienexpertin Griese begrüßt Rede Hubers zu Familienpolitik

Berlin (epd). Die Vorsitzende des Familienausschusses des Bundestags, Kerstin Griese (SPD), hat die familienpolitische Grundsatzrede des EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber begrüßt. Der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) habe mit seiner Aussage "Familie haben alle" eine Frontstellung zwischen vermeintlich unverantwortlichen Kinderlosen und Familien mit Kindern vermieden, erklärte Griese am Mittwoch in Berlin.

Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, gerade auch im Familienverband. "Dabei kann man für pflegedürftige Angehörige genauso da sein wie für Patenkinder oder die eigenen Kinder", sagte Griese, die auch Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion und Mitglied der EKD-Synode ist. Unterstützenswert sei Hubers Forderung nach einem "allgemeinen Institutionen-TÜV", der der Frage gelten solle, was Sozialgesetze, Tarifverträge und staatliche Regelungen für Familien bedeuteten.

Griese teilte Hubers Einschätzung, dass es nicht nur um die Betreuung, sondern um die Bildung von Kindern bereits im frühen Alter gehe. Nicht nur der quantitative Ausbau der vorschulischen Angebote, sondern genauso der qualitative sei wichtig. Das 2004 beschlossene Tagesbetreuungsausbaugesetz sei vor allem eine bildungspolitische Chance. "Wir wollen diesen Ansatz ungeschmälert weiterverfolgen und gegebenenfalls 2008 einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr einführen", so Griese.

29. März 2006


Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Ekin Deligöz, kritisierte, dass der Ratsvorsitzende keine Vorschläge gemacht habe, wie die Kirchen selbst einen Beitrag zur Familienförderung leisten könnten. Die Kirchen könnten Vorreiter sein und ihre Kindergartenplätze kostenlos anbieten. "Die Kirche sollte nicht nur von anderen Innovationen fordern, sondern selbst innovativ sein", sagte Deligöz.

In der Familienpolitik müssten wegen der geringen Haushaltsmittel Prioritäten gesetzt werden. Das habe Huber jedoch vermieden. Er habe eine sehr versöhnende, großkoalitionäre Rede gehalten, die wenig pointiert gewesen sei. Zudem zeigte sich Deligöz nicht einverstanden mit der Hervorhebung der Ehe. Es gebe in Deutschland so häufig "soziale Elternschaft", dass die Betonung der Ehe nicht mehr der Realität gerecht werde. Deligöz begrüßte allerdings, dass Huber eine neue Männer- und Väterpolitik gefordert habe. Dies sei ein moderner Ansatz.

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