Paralympics: Beten vor dem Wettkampf

Pfarrerin Claudia Rudolff betreut die deutschen Sportler bei den Paralympics in Turin

Von Stephanie Eichler (epd)

Kassel (epd). Wenn Athleten und Athletinnen bei den Paralympics vom 10. bis zum 19. März 2006 in Turin um Medaillen ringen, dann kostet das auch Nerven. Bei dem einen oder anderen hilft da nur noch Beten. Claudia Rudolff ist dafür genau die Richtige: Sie ist die evangelische Sportpfarrerin bei den Spielen der körperlich Gehandicapten.

Die Vermutung, als Pfarrerin beim Behindertensport überdurchschnittlich gefragt zu sein, ist allerdings falsch. "Die Sportler sind froh, wenn Sie Alltagssorgen, die sie auf Grund ihrer Behinderungen haben, bei den Spielen hinten anstellen können. Die wollen dann ganz und gar als Sportler wahrgenommen werden", sagt die aus dem nordhessischen Felsberg stammenden 43-Jährige, die jetzt schon zum dritten Mal die Paralympics als Seelsorgerin begleitet.

Gemeinsam mit ihrem katholischen Berufskollegen Hans-Gerd Schütt aus Düsseldorf hat sie bei den Paralympics genau das gleiche zu tun wie ihre Kollegen bei Olympia: Andachten halten, Krankenbesuche machen, sich den Sportlern vorstellen, die Handynummer verteilen und alle Sinne schärfen, um keine Gelegenheit zu verpassen, in der sie gefragt sein könnte. Wie zum Beispiel bei den vergangenen Paralympics 2004 in Athen, als eine Judokämpferin sie kurz vor dem Wettkampf bat, mit ihr zu beten. Sie sei zwar körperlich fit, sagte die Sportlerin, wolle sich aber auch mental vorbereiten und da helfe vielleicht das Gebet.

Um den Job der Paralympics-Pfarrerin gut zu machen, zähle vor allen Dingen "Mut haben, um immer wieder neu auf die Sportler zuzugehen, offen sein für jeden, keine Berührungsängste haben und die Freude am Sport nachvollziehen können", sagt die Seelsorgerin. Sie läuft selbst einen Marathon pro Jahr und unterhält sich mit Berufsathleten gerne über Trainingspläne und gesunde Ernährung. Oft teilen ihr die Sportler dann auch ihre Sorgen mit. Besonders Sportlerinnen erzählen von den Schwierigkeiten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Es sei jedoch nicht immer leicht abzuschätzen, wann ein Sportler angesprochen werden will und wann nicht. Manchmal fühlt sich die zweifache Mutter auch überflüssig und denkt an ihr Zuhause. "Wenn ich so am Rand stehe und nur zusehe, denke ich manchmal, meine Töchter, elf und vierzehn Jahre alt, könnten mich jetzt auch gut gebrauchen."

Aber diese Momente vergehen schnell. "Es ist toll, dabei sein zu dürfen", schwärmt die Pfarrerin. "Vor Sportlern mit Behinderungen kann ich mein Haupt nur verneigen. Ich selber fahre gut Ski und ich bin mal mit einer querschnittgelähmten Sportlerin gefahren, die auf einem Monoski saß. Ich sollte mich mit ihr einfahren. Ich habe null Chance gehabt, allein schon bei einem lockeren Trainingslauf."

Claudia Rudolff mag die anstehenden Winterparalympics lieber als die Sommerspiele: "Mit nur 37 deutschen Athleten ist die Atmosphäre viel familiärer. Ich treffe jetzt auch Sportler wieder, die ich schon aus Salt Lake City kenne." Wie zum Beispiel Willi Brehm, der Gold im Biathlon und Bronze im Langlauf geholt hat. Als er bei der Siegerehrung einen Blumenstrauß bekam, schenkte er ihn kurzerhand der fürsorglichen Begleiterin.

Den Reisesegen hat Claudia Rudolff den Sportlern beim Abflug nach Turin schon gegeben. Jetzt freut sie sich auf ihre Arbeit in Italien und auch auf den einen oder anderen Wettkampf, wie den Biathlon mit Willi Brehm.


09. März 2006

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