Rheinische Kirche bildet Lehrer und Pfarrer zu Schulseelsorgern aus

Von Ebba Hagenberg-Miliu (epd)


"Ich sehe dich, ich höre dich, ich hab' Zeit für dich"

Bonn (epd). In der gemütlichen Ecke des Klassenzimmers sitzt Lehrerin Anette Niefindt-Umlauff mit einem Jugendlichen auf dem plüschigem Sofa. "Aber so, dass keiner sehen kann, wenn der Junge vielleicht weint", erläutert die Schulseelsorgerin am Amos-Comenius-Gymnasiums in Bonn. Unter den bunten Chagalldrucken erzählen Schüler ihr in den Pausen oder Sprechstunden von Problemen im Unterricht, mit den Eltern, in der Clique, mit sich selbst.

"Ich biete mich den jungen Leuten wie übrigens auch Lehrern oder Eltern für schwierige Phasen als Begleiterin an. Ich will Türöffnerin sein, damit Rat Suchende Vertrauen und Mut zu sich selbst entwickeln", erläutert die Deutsch- und Religionslehrerin, die seit 2003 zusätzlich Schulseelsorgerin ist. Selbstverständlich konkurriere sie nicht, sondern kooperiere mit Streitschlichtern und Psychologen an der Schule, betont Niefindt-Umlauff: Weder sei sie Sozialarbeiterin noch verlängerter Arm der Kirche. "Schulseelsorge bedeutet: Ich sehe dich, ich höre dich, ich hab' Zeit für dich."

Das Rüstzeug für diese Aufgabe legte sich die Lehrerin legte sich das Rüstzeug im Bonner Pädagogisch-Theologischen Institut der rheinischen Landeskirche zu. Hier hat Institutsleiterin Ulrike Baumann seit 2002 in drei Fortbildungskursen und jeweils dreijährigen Supervisionen bislang 47 Pädagogen und Theologen für diese "unaufdringliche, aber verlässliche" Beratungsform im Alltag von staatlichen und Privatschulen qualifiziert. Im Januar beschloss die rheinische Synode, das Pilotprojekt zum regulären Fortbildungsangebot auszubauen.

"Schulseelsorge umfasst auch die Ausrichtung von Schulgottesdiensten und Besinnungstagen sowie die Jugendbildungsarbeit", erklärt Baumann. Gerade der Bedarf an Beratung und Begleitung Hilfe suchender Schüler, Lehrer und Eltern sei aktuell sehr hoch. Aus christlicher Verantwortung heraus versuche der Schulseelsorger zu einer lebendigen und menschenfreundlichen Schule beizutragen, erläutert Baumann.

So wird Lehrerin Niefindt-Umlauff auch per Telefon oder SMS-Botschaft mit Sucht- oder Selbstverstümmelungsgefahr, mit Fällen von Krankheit oder Tod im Umfeld, sowie mit schweren Familienkonflikten konfrontiert. Alkoholkonsum finde sich bei immer jüngeren Schülern, beobachtet die Pädagogin. Pubertätsprobleme äußerten sich in Magersucht oder "Armritzen". Abiturienten plage zunehmend die steigende Angst vor der Zeit danach.

Der inzwischen gelöste Fall eines körperbehinderten Jungen mit Leistungs- und Anerkennungsproblemen haftet der Seelsorgerin noch stark im Gedächtnis. Oder der eines depressiven Mädchens, das sich nur ganz langsam über selbstverfasste Gedichte öffnete. "Ich bin inzwischen gewappnet, Signale zu sehen und sie ernst zu nehmen", sagt die Schulseelsorgerin. Wenn sie manchen Betroffenen dann auch letztlich dazu gewinnen muss, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.


07. März 2006

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