Weltkirchenrat kritisiert wachsende Kluft zwischen Arm und Reich

Deutsche Delegierte empört über Schärfe der ÖRK-Kapitalismuskritik

Porto Alegre (epd). Der Weltkirchenrat drängt auf eine grundlegende Reform der Weltwirtschaft. Durch die Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen einiger weniger und die Zerstörung der Erde werde die "skandalöse Armut im Süden und immer mehr auch im Norden noch verschlimmert", erklärten die Delegierten der 9. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) am Donnerstag im brasilianischen Porto Alegre in einem Gebetsaufruf. Darin werden eine gerechte Handels- und Kreditpolitik sowie eine regulierende Kontrolle der globalen Finanzmärkte gefordert.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber hatte als Moderator des ÖRK-Forums zur Weltwirtschaft erklärt, Menschenwürde, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit seien die elementaren Werte, an denen wirtschaftliches Handeln zu messen sei. Die Globalisierung habe viele Gesichter. Huber: "Zu ihnen gehört, dass Hass weltweit organisiert und verbreitet werden kann." Zeichen dafür seien die gewalttätigen Demonstrationen gegen die Mohammed-Karikaturen. Zu den Chancen der Globalisierung gehöre aber auch, dass in kurzer Zeit eine weltweite Hilfsaktion für die Opfer des Tsunami aufgebaut werden konnte.

Der Gebetsaufruf für "alternative Globalisierung im Dienst von Menschen und Erde" ist in der deutschen Delegation umstritten. Mehrere EKD-Vertreter verurteilten die zum Teil scharfe Kapitalismus-Kritik in dem ÖRK-Appell. Der Kasseler Bischof Martin Hein kritisierte, dass es dem Papier massiv an wirtschaftlicher Sachkenntnis mangele. Einige Inhalte seien "grotesk" und in Deutschland kaum zu vermitteln. Auch EKD-Delegationsleiterin Margot Käßmann (Hannover) zeigte sich überrascht. Sie hätte vorher gern über das Papier diskutiert, sagte sie in Porto Alegre dem epd. Der Gebetsaufruf durch die Vollversammlung gibt dem umstrittenen Text einen offiziellen Charakter.

Der so genannte Agape-Aufruf des Weltkirchenrats für alternative Globalisierung war bereits im Vorfeld der ÖRK-Vollversammlung umstritten. Besonders Kirchen aus dem Süden hatten zu einer Totalkritik der Globalisierung aufgerufen und indirekt vor allem die US-Wirtschaftspolitik an den Pranger gestellt. Kirchen aus Industrieländern sprachen sich für eine moderate Lenkung der Globalisierung in Richtung soziale Marktwirtschaft aus. Diese Diskussion sei jetzt völlig ignoriert worden, meinten Mitglieder der deutschen Delegation.

17. Februar 2006

Die Einführungsrede von Bischof Wolfgang Huber im Wortlaut

EKD-Pressemitteilung zur Einführungsrede von Bischof Huber

Der Gebetsaufruf im Wortlaut

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