Die Früchte des Friedens blieben aus

Ein Jahr nach Unterzeichnung des Friedensabkommens herrscht im Südsudan weiter Armut

Von Marc Engelhardt (epd)

Juba/Khartum (epd). Palmena Lowonok sitzt auf einer Bastmatte, ohne Schutz vor der gleißenden Sonne. Knapp fünf Minuten Fußweg vom Büro des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir entfernt, stillt die zehnfache Mutter ihre jüngste Tochter. "Mein Dorf ist von ugandischen Rebellen überfallen worden, ich habe alles zurücklassen müssen", erzählt sie. Fünf ihrer Kinder sind tot. Sie ist in die südsudanesische Hauptstadt Juba geflohen, weil sie auf Hilfe ihrer Regierung hofft. Doch bislang wartet sie vergeblich.

Ein Jahr nachdem Sudans Präsident Omar Hassan el Baschir und der südsudanesische Volksheld John Garang am 9. Januar 2005 das Friedensabkommen unterzeichneten, hat sich im Südsudan wenig geändert. 20 Jahre lang bekämpften die Rebellen im christlich-animistischen Süden die Regierung im islamischen Norden. Die Region ist von den Folgen des Bürgerkrieges zerrissen. Jobs sind rar, ebenso wie Strom, Wasser, Straßen oder Telefon. In der Verwaltung sitzen vor allem verdiente Kämpfer der "Sudanesischen Volksbefreiungsarmee" (SPLA), von denen nicht alle lesen oder schreiben können.

Der dritthöchste Mann im Südsudan, Parlamentspräsident James Wani Igga, zieht eine ernüchternde Bilanz: "Die Menschen haben lange gelitten, jetzt wollen sie die Belohnung. Aber wir können die Erwartungen nicht erfüllen, weil das Geld fehlt." Fast verzweifelt appelliert er an die internationale Gemeinschaft, nicht nur Geld, sondern vor allem qualifiziertes Personal zu schicken. Wenn die Entwicklung des Süden nicht schneller gehe, könne der Frieden schnell wieder vorbei sein.

Ähnlich pessimistisch blickt Südsudans Präsident Salva Kiir in die Zukunft. Er ist der Nachfolger von John Garang, der Anfang August vergangenen Jahres bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben kam. Der Süden sei seit der Unabhängigkeit des Sudan 1956 so vernachlässigt worden, dass man nicht von Wiederaufbau sprechen könne, sagt Kiir. "Wir fangen bei Null an." Der Regierung in Khartum, deren Vize-Präsident er laut Friedensvertrag ist, wirft er vor, den Aufbau des Südsudan zu verhindern. "Für uns Südsudanesen sieht die Einheit derzeit nicht sonderlich attraktiv aus."

Weite Teile des Südsudan sind seit dem Friedensschluss unsicherer als in den Jahren zuvor. Ugandische Rebellen der "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) dringen tief in den Südsudan vor, ebenso wie Milizen aus dem Tschad. Die SPLA kann Dorfbewohnern wie Palmena Lowonok keine Sicherheit garantieren. Nicht wenige werfen Sudans Armee vor, die Konflikte zu schüren.

Hinzu kommt das Flüchtlingsproblem: Mindestens vier Millionen Südsudanesen, so die Schätzungen, sind im Bürgerkrieg nach Norden oder ins benachbarte Ausland geflohen. Jetzt sollen sie zurückkehren. "Aber wir haben nicht mal die nötigen Transportmittel, um sie hierherzubringen", so Kiir. Wenn es nach ihm geht, sollten die Flüchtlinge frühstens in einem Jahr zurückkommen.

Doch die Südsudanesen, deren Lager Sudans Hauptstadt Khartum wie einen Gürtel umgeben, wollen nicht so lange warten. "Es fehlt hier an Wasser, Nahrung und Medizin. Die hygienischen Bedingungen sind schlimm", beschreibt der Arzt Kendiende Mabuor die Lage in Gioporona, einer Ansammlung von Lehmhütten im Wüstensand, die 120.000 Südsudanesen beherbergen.

Immer wieder werden die christlichen Flüchtlinge in Khartum auf Grundlage der islamischen Scharia verhaftet - etwa beim Genuss von Alkohol. "Viele sind deshalb einfach aufgebrochen in den Süden, ohne zu wissen, was sie dort erwartet", erzählt der Mediziner.

06. Januar 2006

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